Artikel aus dem DLRmagazin 174: Eine Ausgründung aus Landsberg setzt Meilensteine beim elektrischen Fliegen

Auf leisen Flügeln

Elektra Trainer
Der Elektra Trainer im Flug
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Daniel Zahn

Für Dr. Konstantin Kondak verleiht die elektrische Mobilität dem klassischen „Ausflug“ eine unerwartet wörtliche Wendung. „Mit den neuen Technologien kann man ohne Reue, einfach nur zum Spaß fliegen“, freut sich der Robotiker und E-Flugzeug-Entwickler. Zusammen mit dem erfahrenen Flugzeugingenieur und E-Flug-Pionier Calin Gologan leitet er die DLR-Ausgründung Elektra Solar. Dort arbeiten zwölf Mitarbeitende an solar-elektrisch angetriebenen Flugzeugen. Ihr neuester Coup ist der Elektra Trainer, der nun in die Serienproduktion gestartet ist. Wie seine Geschwister ist er energieneutral unterwegs und dabei so leise wie mäßiger Regen.

Der Elektra Trainer gehört zur Klasse der Ultraleichtflugzeuge, kann teil- und vollautonom geflogen werden und ist insbesondere für das Pilotentraining geeignet. Anfang 2023 erhielt er seine Zulassung – als erstes elektrisches Ultraleichtmotorflugzeug in Deutschland. Es geht also nicht nur um schöne Ausflüge. Es geht um die Gestaltung einer neuen Mobilität und eine Spitzenposition im internationalen Wettbewerb.

Neben klassischen Luftfahrtthemen weisen hier Technologien aus Robotik und Raumfahrt den Weg. Elektra Solar ist ein Spin-off des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen und wurde 2013 vom ehemaligen Institutsdirektor Prof. Gerd Hirzinger, Calin Gologan und Dr. Konstantin Kondak gegründet. Der Wissenschaftler Kondak leitet die Forschungsgruppe für Flugrobotik und hatte den Drang, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Die Freude daran treibt ihn bis heute an. Sein großer Traum: Menschen per E-Flugtaxi bewegen.

Städtetrip gefällig?

Für die Messung zu leise?
Der Elektra Trainer ist mit unter 50 Dezibel so leise, dass die Zulassungsstelle zuerst dachte, die Messinstrumente seien defekt. Die Lärmmessung wurde dreimal wiederholt, um das Ergebnis zu verifizieren.
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Elektra Solar

Im Rahmen einer Demonstration flog der ausdauernde Zweisitzer im Herbst 2023 rein elektrisch 313 Kilometer von Oberpfaffenhofen nach Bern. Mit der Reichweite und Flugzeit von drei Stunden hätten es auch Ziele wie Venedig, Wien, Straßburg, Frankfurt am Main oder Prag sein können. Weiterhin meisterte der E-Flieger Schlechtwetter und hätte den gesamten Flug ebenso vollautonom durchführen können, einschließlich einer präzisen Landung. Die Algorithmen für sicheres und effizientes autonomes Fliegen, die in Kooperation mit dem Institut entwickelt wurden, bilden einen wichtigen Baustein für Flugtaxis von morgen. Das Pilotenassistenzsystem im Elektra Trainer nutzt die ausgeklügelte Software bereits heute. „Ein Roboter am Boden kann sich bei Schwierigkeiten einfach ausschalten. Beim Fliegen ist das keine Option“, erklärt der Entwickler. Die Systeme erfüllen daher ein besonderes Maß an Sicherheit – grundlegend auch für den künftigen Transport von Passagieren. Für den nachhaltigen Betrieb hat sich das Team ein besonderes Feature ausgedacht: So gehört zum Elektra Trainer ein Transportanhänger, der optional mit Solarzellen ausgestattet wird. Die mobile Ladestation bringt rund 400 Flugstunden im Jahr und dient zugleich als „Garage“. Damit sparen sich Flugbegeisterte nebenbei die Kosten für einen der raren Hangarplätze.

Landung mit Autopilot
Elektra One beim Landen auf einer fahrenden Schienen-Plattform. Die Mission wird durch den Autopiloten durchgeführt, der Pilot überwacht und greift nur im Fehlerfall ein.
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Elektra Solar

Am Puls der Forschung

Außergewöhnlich ist, dass das kleine Unternehmen aus Landsberg am Lech aus eigener Kraft gewachsen ist. Hersteller von Ultraleichtflugzeugen haben üblicherweise einen finanzkräftigen Konzern im Rücken, der vor allem längere Entwicklungszeiten abfedert. Was ist also das Erfolgsgeheimnis?

Die Gründer
Calin Gologan (links) und Dr. Konstantin Kondak, Gründer von Elektra Solar
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Christian Rudnik

Ein Schlüssel ist Elektra Solars Innovationskraft, die sich direkt aus der Forschung speist. Auch nach zehn Jahren ist das Spin-off eng mit dem DLR-Institut verbunden. Kondak arbeitet zu 50 Prozent am DLR, ebenso sind einige seiner Mitarbeitenden anteilig in Oberpfaffenhofen beschäftigt. Über gemeinsame Projekte haben das Unternehmen und das DLR über Institutsgrenzen hinweg ihre Kompetenzen erweitert. „Es ist eine Win-win-Situation. Wir entwickeln zusammen Technologien, bauen in der Firma zeitnah ein entsprechendes Flugzeug und das Institut sammelt einzigartiges Know-how.“

Eine Zusammenarbeit, die gesellschaftliche Herausforderungen am Puls der Zeit adressiert, wie Prof. Alin Albu-Schäffer, Direktor des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik, bekräftigt: „Ich freue mich sehr, dass unsere mechatronische Antriebsentwicklung ein so breites Anwendungsfeld findet und so zu mehr Nachhaltigkeit in der Luftfahrt beitragen kann.“ Gemeinsam mit dem Institut entwickelt Elektra Solar ein leistungsstarkes elektrisches Antriebssystem. Dieses wird das Start-up für E-Flugzeuge mit vier bis sechs Sitzen für den kommerziellen Passagiertransport weiterentwickeln. Das Projekt ist in das bayerische Luftfahrtforschungsprogramm „Holistische Air Mobility Initiative Bayern“ eingebettet. Die wissenschaftlichen Ergebnisse wird Elektra Solar verwerten, sodass sie direkt in den Wirtschaftskreislauf fließen.

Das künftige Normal

Elektra Two unbemannt
Unbemannte Version von Elektra Two beim Landen. Für ein stärkeres Abbremsen aktiviert das Autopilotensystem einen Fallschirm – ebenfalls eine Entwicklung von Elektra Solar.
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Elektra Solar

„Am DLR haben wir einmalige Bedingungen, um unternehmerische Ideen zu verwirklichen – man muss nur entschlossen handeln“, sagt Kondak. Unterstützung bietet hier der Bereich Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen. Für Nachfolgende wünscht er sich, dass Ausgründungen und Kooperationen als etwas Normales gesehen werden: „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sollte das Ausgründen gleich zu Beginn als Karriereweg angeboten werden. Wenn Schritte wie Promotion, Gruppen- oder Abteilungsleitung erreicht sind, sollte auch die Ausgründung eine Standardoption sein.“ Dabei geht es ihm nicht um finanzielle Hilfe, sondern um stärkere Aufklärung, Informationen und die Motivation, den Schritt zur Ausgründung zu wagen.

Der Höhenflug des Spin-offs begann mit solar-elektrischen Stratosphärenflugzeugen und erreicht mit dem Elektra Trainer nun einen neuen Standard für elektrische Motorflugzeuge. Wenn Flugtaxis künftig zu unserem Alltag gehören und wir günstiges Breitband-Internet über Höhenplattformen beziehen, könnte Elektra Solar drinstecken. Daran arbeitet Kondak mit seinen Kollegen seit zehn Jahren als Unternehmer und seit mehr als zwanzig Jahren als Forscher – mit neuen Ideen, Konzepten und Leidenschaft für die nächsten Jahrzehnte.

Die Elektra-Solar-Flotte

Neben dem Elektra Trainer hat Elektra Solar auch andere Konzepte entworfen.

ELEKTRA ONE: Vorgänger des Elektra Trainer. Der elektrisch betriebene Einsitzer hatte seinen Erstflug im März 2011. Als besondere Herausforderung meisterte er im Sommer 2015 einen Alpenüberflug.

ELEKTRA TWO: Die mit Solarstrom betriebene Höhenplattform hat eine Spannweite von 27 Meter. Sie kann bemannt und unbemannt geflogen werden.

ELEKTRA VTOL: Eine elektrische VTOL-Drohne mit Gimbal-Kamera und zwei Stunden Flugzeit – die Kameradaten werden in Echtzeit durch eine algorithmische Pipeline in einer Cloud verarbeitet. Sie hat eine Spannweite von 2,5 Meter.

Ein Beitrag von Bernadette Jung aus dem DLRmagazin 174

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