Hybridraketentriebwerke stellen eine vielversprechende, kostengünstige Alternative zu den bis heute eingesetzten Feststoff- und Flüssig-Raketentriebwerken für den kommerziellen Raumtransport dar. Innerhalb der Programme AHRES (Advanced Hybrid Rocket Engine Simulation) und ATEK (Antriebs-TEchnologien für Kleinträger) entwickelt das DLR ein Software-Tool, welches den Entwurf eines kompletten Hybridraketentriebwerks inklusive Subsystemen innerhalb von 100 Tagen ermöglicht. Darüber hinaus ist das Programmsystem auch zur Auslegung von Feststoff-Raketentriebwerken einsetzbar. Zur Validierung der Software steht ein eigener Laborprüfstand für derartige Triebwerke zur Verfügung.
Kostengünstig und umweltfreundlich
Hybridraketentriebwerke sind eine Kombination aus Feststoff- und Flüssig-raketentriebwerken und vereinen in sich die Vorteile beider Systeme. Die Bauweise des Triebwerks und die Handhabung der Treibstoffe sind einfach und daher kostengünstiger als bei Flüssigraketentriebwerken. Zudem sind die Treibstoffkomponenten ungiftig. Der Schub ist regelbar und das Triebwerk kann bei Bedarf an- und abgeschaltet werden. Außerdem ist die Explosions-gefahr niedriger als bei anderen Triebwerksarten, da die Treibstoffe getrennt voneinander und in verschiedenen Phasen innerhalb der Rakete gelagert werden. Diesen zahlreichen Vorteilen stehen die niedrige Abbrandgeschwindigkeit des Brennstoffs und der damit einhergehende niedrige Schub als Nachteile gegenüber. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass dieser Mangel durch das bessere Verständnis des Abbrandprozesses und durch die Verwendung neuer Brennstoff-zusammensetzungen beseitigt werden kann.
Software für den Triebwerksentwurf
Innerhalb des Vorhabens AHRES wurde im Zeitraum von Anfang 2011 bis Ende 2014 ein gleichnamiges Programmsystem für den Entwurf und die Optimierung von Hybridraketentriebwerken entwickelt. Das Softwarepaket AHRES umfasst die mathematische Beschreibung von heterogenen Verbrennungs-prozessen sowie die Berechnung der Wärmeübertragung durch Leitung, Konvektion und Strahlung in einer Hybridraketenbrennkammer. Darüber hinaus ermöglicht es die Vorhersage der Geometrieänderung des festen Brennstoffs während der Brennphasen und erlaubt die Beschreibung des Strömungsverlaufs der Verbrennungsgase vom Brennkammereintritt bis zum Ausströmen durch die Düse. Zudem beinhaltet die Software Festigkeits-berechnungen und ermöglicht somit den Entwurf sowohl einzelner Konstruktions-elemente als auch eines vollständigen Hybridraketentriebwerks. Folgende zwei Aufgabenstellungen sind mit dem AHRES-Softwarepaket bearbeitbar:
Versuche und CFD‑Simulationen zur Software‑Validierung
Im Rahmen des Projektes ATEK wird die Modellierung, Erprobung und Entwurfssoftwareentwicklung von Hybridraketentriebwerken seit Anfang 2015 weitergeführt. Das Programmsystem AHRES soll durch Experimente validiert und mit einer Reihe von Optimierungs-verfahren für die entworfene Geometrie und die simulierten Brennkammerprozesse gekoppelt werden. Ziel ist es, durch das detaillierte Verständnis der Verbrennungsvorgänge optimale Triebwerkskonfigurationen abzuleiten, die als Prototyp für verschiedenste raumfahrttechnische Anwendungen dienen können. Zur Validierung der Software werden sowohl CFD-Simulationen als auch Versuche mit einer Reihe von Triebwerken zur Technologiedemonstration durchgeführt.
Versuchsprüfstand am DLR‑Standort in Trauen
Zur Durchführung der Versuche hat ein Team aus Mitarbeitern des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik, Abteilung Raumfahrzeuge, zusammen mit Studenten der TU Braunschweig einen seit 30 Jahren ungenutzten Teststand am DLR-Standort Trauen mit modernster Messtechnik ausgerüstet und wieder zum Einsatz gebracht. Dieser Teststand wird genutzt, um nachzuweisen, dass das entworfene Hybridraketentriebwerk mit den Treibstoffkomponenten HTPB/Aluminium als Brennstoff und hochkonzentriertem Wasserstoffperoxid als Oxidator effizienter arbeitet als herkömmliche Feststoffraketentriebwerke. Diese Anlage ist in ihrer Form einmalig in Europa. Das abgelegene Gelände in Trauen erfüllt alle Sicherheitsstandards, um in Zukunft auch größere Hybridraketentriebwerke mit einer Schubkraft von bis zu 15 Tonnen untersuchen zu können. Die Ingenieure des DLR testen dabei verschiedene Festbrennstoffe, variieren die Zusammensetzungen und analysieren den jeweiligen Verbrennungsprozess. Die Testergebnisse dienen anschließend der Verbesserung der Computersimulationen.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Ziel der Forschungsarbeit ist es, anhand der eigenen Versuchsergebnisse eine Ingenieur-Softwareumgebung zu entwickeln, welche den Entwurf eines Hybridraketentriebwerkes innerhalb von 100 Tagen oder auch die Optimierung bestehender Entwürfe ermöglicht. Das potentielle Einsatzfeld von Hybridraketentriebwerken ist vielfältig. Eine mögliche Anwendung wäre die Verwendung als Oberstufentriebwerk für kleine und mittlere Trägerraketen. Weiterhin können Forschungsraketen und Forschungsflugzeuge mit Hybridraketentriebwerken ausgestattet werden, um damit die bisher ungenutzten Flughöhen zwischen denen herkömmlicher Flugzeuge und Satelliten (etwa 40 bis 180 Kilometer Einsatzhöhe) effektiv zu nutzen. Auch der Einsatz für Mond- und Marslander ist aufgrund der Regelbarkeit und Wiederstartbarkeit vielversprechend. Zudem wurde der Vorteil der sehr hohen Betriebssicherheit dieser Triebwerksart bereits jetzt von vielen Firmen für das potentiell große kommerzielle Feld des Weltraumtourismus entdeckt.