Das DLR-Institut für Antriebstechnik ist im Rahmen des EU-Projektes SILENCE(R) an der Entwicklung neuer Fankonzepte für Fluggasturbinen beteiligt. Der französische Triebwerkshersteller SNECMA und das rumänische Entwicklungsinstitut für Gasturbinen COMOTI sind die Partner in diesem Arbeitspaket. Entwicklungsziel ist eine deutliche Reduktion der Lärmabstrahlung bei gleichzeitig steigendem Vortriebswirkungsgrad.
Bei heute im Einsatz befindlichen Triebwerken erreicht das so genannte Nebenstromverhältnis (engl. Bypassratio, BPR), welches das Verhältnis des langsamerem Sekundärmassenstroms durch die Triebwerksgondel zum schnellen Primärmassenstrom durch den Triebwerkskern angibt, Werte von etwa 5 bis maximal 9. Durch eine weitere Steigerung des BPR auf 12, für den die Fanstufe in diesem Projekt konzipiert wurde, kann sowohl der Brennstoffverbrauch als auch der Strahllärm verringert werden.
Der energieeffiziente Antrieb des im Vergleich zu aktuellen Triebwerken deutlich langsamer laufenden Fans kann mittels einer schnell laufenden Niederdruckturbine mit reduzierter Stufenzahl über ein Untersetzungsgetriebe erfolgen. Dies bewirkt eine Senkung des Turbinengewichts bei gleichzeitig steigendem Wirkungsgrad. Durch die niedrige Drehzahl des Fans verringert sich die Druckwechselwirkung der Rotorblattnachläufe mit den Statorschaufeln, womit eine Reduzierung des Gesamtlärms, der sich aus lästigen Pfeiftönen verschiedener Frequenzen und breitbandigem Rauschen zusammensetzt, einhergeht. Überdies kann durch geschickte Kombination der Anzahl der Rotor- und Statorschaufeln, eine optimierte Schaufelgeometrie und die gezielte Unterschreitung einer bestimmten Drehzahlgrenze (Blattspitzenmachzahl < 1) die tonale Lärmabstrahlung besonders beim Start und dem anschließendem Steigflug in geringer Flughöhe weiter reduziert werden. So können die bisher bei allen am Markt befindlichen Triebwerken als besonders störend empfundenen Kreissägengeräusche (engl. Buzz-Saw Noise) vollständig eliminiert werden.
Die Abteilung Fan- und Verdichter war für die aerodynamische Auslegung der Fanstufe verantwortlich. Im Auslegungsprozess musste, um das hohe anvisierte Nebenstromverhältnis im Steigflug zu erreichen, der spezifische Massenstrom um 10 % gegenüber heute üblichen Werten auf 220 kg/s/m² gesteigert werden. Damit erreicht die meridionale Machzahl an der Vorderkante der Fanschaufeln Werte von fast 0.8, ein Niveau, welches bisher bei Fanstufen noch nie realisiert wurde. Die Auslegung des kompletten Strömungskanals, der Rotorschaufelform sowie der Statoren für den Kern- und den Bypassmassenstrom wurde bereits im frühen Stadium mit Hilfe modernster numerischer 3D-Strömungsberechnungsverfahren hinsichtlich Massenstrom und Druckverhältnis bei einem guten Wirkungsgrad optimiert. Die vom DLR ausgelegte Fanstufe wurde von COMOTI in Bliskbauweise aus einem Titanrohling gefertigt.
Die Berliner Abteilung für Triebwerksakustik hat an der Auswahl und Optimierung des Stufenkonzepts im Hinblick auf die Akustik federführend mitgewirkt und wird auch die Vermessung des von der Fanstufe abgestrahlten Schallfelds durchführen. In den geplanten Experimenten in Saclay nahe Paris wird das Schallfeld im Einlauf der Modellfanstufe mit Hilfe einer mit sechzig hochgenauen Mikrofonen bestückten Rohrsektion (siehe unteres Foto) aufgezeichnet. Die schrittweise Drehung der Sektion ermöglicht die Erfassung des komplexen Schallfelds der Turbomaschine an bis zu 14400 unabhängigen Messpositionen. Parallel dazu wird vom französischen Partner SNECMA die Abstrahlung ins Fernfeld mit Hilfe einer schwenkbaren Antenne vermessen. Überdies leitet der erfahrene französische Triebwerkshersteller die Entwicklungsarbeiten und führt die Montage, die Instrumentierung und die Integration der Versuchsstufe in den Versuchsstand sowie die Messkampagne in Saclay durch. Die experimentellen Untersuchungen sollen Ende des Jahres abgeschlossen sein. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse werden im Frühjahr 2007 vorgestellt.
Bei einer erfolgreichen Realisierung des Entwicklungszieles könnte eine solche Fanstufe ein wichtiger Bestandteil eines lärmarmen und effizienten Flugtriebwerkes der nächsten Generation (z.B. als Antrieb für den Nachfolger der Airbus A320 oder der Boeing 737 Familie) sein.