Raumfahrt | 30. Dezember 2010 | von Jan Wörner

950.000 (in Worten: Neunhundertfünfzigtausend) Besucher!

Am 30. Dezember 2010 ging unsere Ausstellung "Sternstunden - Wunder des Sonnensystems" im Gasometer Oberhausen zu Ende. Allein am vorletzten Ausstellungstag wurden noch einmal über 4.000 Besucher gezählt und auch bei der Finissage waren mehr als 400 Gäste dabei. Was hat die Ausstellung Sternstunden, Wunder des Sonnensystems mit unserer Gesellschaft zu tun?

Werfen wir einmal einen Blick auf Medien und Werbung: Hier kann man rasch den Eindruck gewinnen, dass unsere Gesellschaft sich mittlerweile zur "Schnäppchengesellschaft" entwickelt, bei der individuelle und zumeist materielle Wünsche im Vordergrund stehen. Die Medien erwecken den Eindruck, dass wir uns mittlerweile über die erfolgreiche Teilnahme an Internet-Auktionen und der Inanspruchnahme von sogenannten "kostenlosen" Angeboten identifizieren. Und tatsächlich: Gibt man "kostenlos" als Begriff in eine Suchmaschine ein, erhält man umgehend die Information, dass mehr 130 Millionen Treffer gefunden wurden. Aus meiner Sicht deutet dies auf ein Missstand in einer doch eigentlich aufgeklärten, globalisierten Welt hin.

Diskutiert man über Raumfahrt und Weltraumforschung, wird rasch die Frage nach deren "irdischen" Wert laut, verbunden mit dem Hinweis auf angeblich hohe Kosten. Die Frage nach dem utilaristischen Wert von Forschung ist so alt wie die Forschung selbst: Als der britische Finanzminister William Gladstone um 1850 herum das Labor des Physikers Micheal Faraday (1791-1867) besuchte und ihn nach dem Zweck seiner Forschung zur Elektrizität fragte - immerhin entdeckte Faraday die Induktion, die Grundlage für die heutige Stromversorgung -, antwortete der: "One day sir, you may tax it." (Frei übersetzt: "Eines Tages werden sie sie sicherlich besteuern").

Das DLR versucht, durch Forschung und Entwicklung Beiträge für ganz unterschiedliche, drängende Fragen der Gegenwart und Zukunft zu leisten. Ganz konkrete Fragen wie Verkehrstaus auf der Erde und in der Luft, Kohlenstoffdioxid-Emissionen oder Energieversorgung erfordern ganz konkrete Lösungsansätze. Doch es gibt auch andere Aspekte, bei denen zunächst einzig der Erkenntnisgewinn im Fokus steht wie zum Beispiel Dunkle Energie und Dunkle Materie, die zusammen 95 Prozent des Universums ausmachen!

Die Menschen, oder wenigstens ein wichtiger Teil, nämlich Kinder sowie Forscherinnen und Forscher sind zum Glück auch heute noch getrieben durch die größte geistige Herausforderung der Menschheit, die Neugier. Auch hier ist das DLR aktiv, zum Beispiel bei der Erforschung des Planetensystems und den Bedingungen für die Entstehung von Leben.

Unsere Ausstellung "Sternstunden - Wunder des Sonnensystems" im Gasometer Oberhausen, Projekt der Kulturhauptstadt RUHR.2010, hat sich nun gerade dieser Seite der Betrachtung zugewandt. 950.000 Menschen haben die Ausstellung besucht, haben Eintritt bezahlt, um im Grunde nichts anderes zu machen als zu verstehen, zu erkennen und zu staunen. Ein wunderbares Gegenmodell zur offensichtlich allein an materiellem Nutzen orientierten Tagespolitik.

Aber auch bei den zunächst allein auf Erkenntnis ausgerichteten Aktivitäten gibt es irdische Konsequenzen zu benennen - für all diejenigen, die weiterhin auf dieser Logik beharren! Ohne Raumfahrt und Weltraumforschung keine weltweite Kommunikation, keine Navigation, keine synchrone Steuerung der Kraftwerke, keine Wetter- und Klimaaussagen -  bekanntermaßen wurde der Treibhauseffekt zunächst auf der Venus beobachtet und dann auf der Erde bestätigt -, keine Aussagen über die Sonnenaktivität und ihre Einflüsse auf Kommunikation und Navigation. Eine breite Palette von Gegenständen des praktischen Lebens kommen aus der Raumfahrt, wie beispielsweise der Akkuschrauber, der für die Untersuchung des Mondes im Rahmen des Apollo-Programms entwickelt wurde. Alan Bean, der vierte Mann auf dem Mond, war übrigens im Gasometer, hat die Ausstellung bewundert, ein Stück Mondgestein mitgebracht und einen beeindruckenden Vortrag gehalten.
 
Es ist mir ein besonderes Anliegen, all denen zu danken, die diese wunderbare Ausstellung möglich gemacht haben. Der spezielle Ort der Gasometer Oberhausen - war sicherlich ein wichtiger Punkt für den Erfolg, aber auch das Ausstellungskonzept und die tollen Ausstellungsgegenstände haben das "Gesamtkunstwerk" ermöglicht.

Ein gutes Ende eines aufregenden und spannenden Jahres für das DLR!

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite