Raumfahrt | 22. Juni 2018 | von Volker Schmid

Mission horizons - die ersten zwei Wochen

Quelle: ESA/NASA
Sonnenaufgang - gesehen von der ISS, fotografiert von Alexander Gerst während der horizons-Mission.

Seit knapp zwei Wochen läuft die "horizons"-Mission. Alexander Gerst ist am 8. Juni sicher an der ISS angekommen, hat am 12. Juni seine erste Pressekonferenz aus 400 Kilometern Höhe gegeben und am 14. Juni bei einem Außenbordeinsatz assistiert. Routiniert arbeitet der 42-jährige deutsche ESA-Astronaut jetzt an seinem wissenschaftlichen Experimente-Programm im europäischen Columbus-Modul. DLR-Missionsleiter Volker Schmid blickt auf zwei ereignisreiche Wochen zurück.##markend##

Wir - das DLR-Missionsteam - sind zurück aus Russland. Eine Nacht in Moskau, dann vier Tage Baikonur zum Start und wieder zwei Tage Moskau für das Docking von Alex und seiner Crew. Alles hat prima geklappt. Bilderbuchstart und perfektes Andocken an der ISS. Das ist für unser Team immer ein Meilenstein, denn jetzt ändert sich unsere Arbeit von der Planung und Implementierung hin zum Betrieb und der Begleitung der Experimente.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Rollout der Sojus-Rakete.
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die Sojus wird aufgerichtet.
Quelle: Roscosmos
Start der Sojus zur ISS am 6. Juni 2018.

Am Montag, 4. Juni, waren wir beim Roll-Out der Sojus-Rakete und zu deren Transport zur Rampe dabei, wo sie innerhalb von einer Viertelstunde aufgerichtet wurde. Am Starttag, dem 6. Juni, wurde sie dann betankt. In den letzten 30 Sekunden vor dem Start wird es still auf der Besuchertribüne. Dann hört man das hochfrequente Zischen, das in das Röhren von 26 Millionen PS übergeht. Der Schub ist aufgebaut, die Klammern geben die Rakete frei, die langsam aufsteigt, immer schneller an Höhe gewinnt und die dünnen Wolkenfetzen durchstößt. Die ausgebrannten Booster fallen ab - für den Bruchteil einer Sekunde sieht man den sogenannten Korolev-Stern aufblitzen, der Moment, in dem die noch ausflammenden Booster gleichzeitig zu den Seiten hin abfallen. Die Sojus ist jetzt nur noch ein Leuchtpunkt und entschwindet im Himmel. Ein sehr emotionaler Moment, denn an so einem Tag wird mir und dem gesamten Team wieder bewusst, wofür wir die letzten zweieinhalb Jahre gearbeitet haben.

Doch schon geht es weiter: erste Interviews und Anfragen laufen, zwischendurch ein paar Hände schütteln oder umarmen. Ich treffe auf Bill Gerstenmaier, den Chef der astronautischen Raumfahrt der NASA und sage "Danke" für die gute Zusammenarbeit.

Eine tolle und heiße Woche mit vielen Impressionen, Interviews und Gesprächen liegt hinter uns, und niemand möchte eine Sekunde davon missen. Die trockene und farbenreiche Steppe, in der das Kosmodrom liegt, bietet atemberaubende Kontraste. Die Temperatur bei der Ankunft lag bei etwa 18 Grad Celsius. Bis zum Starttag stieg sie auf heiße 35 Grad an, was in Kasachstan normal ist für diese Jahreszeit. Dann geht es zurück nach Moskau, wo wir am 8. Juni das Ankoppeln live im russischen Kontrollzentrum TSUP mitverfolgen. Alles klappt wie am Schnürchen. Die Sojus kommt gut sechs Minuten früher als geplant an der Raumstation an.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Volker Schmid im Interview.

Jetzt hat uns der Alltag wieder, aber es gibt keine Zeit zum Durchatmen. Der erste Life Call mit der Presse am 12. Juni im Kölner Astronautenzentrum auf dem DLR Gelände: Alexander Gerst schlägt sich hervorragend. Im Anschluss habe ich noch ein langes Gespräch mit Astronaut Matthias Maurer, denn seine Mission wird kommen, auch wenn er noch kein "Flight Assignment" hat. Man kann nicht früh genug anfangen.

Nächster Tag, ein "Planungstag". Ich bin gerade an der täglichen E-Mail-Flut, als das Telefon klingelt. Professor Christian Pfestorf von der Hochschule Darmstadt, der ebenfalls in Baikonur mit dabei war. Er hat das horizons-Missions-Logo mit Alexander Gerst und im Auftrag des DLR gestaltet und berät uns auch bei Designfragen im Projekt CIMON. Hier entsteht ein echtes Stück Zukunft. Wir diskutieren Termine und die Dinge, die wir in den letzten Tagen besprochen haben, ein Stück weiter. Eine Nachricht von meinem Kollegen Christian Karrasch kommt dafür gerade zur richtigen Zeit. Er war auf der CEBIT, wo Wirtschaftsminister Altmaier unserem "kleinen Helferlein" CIMON einen Besuch abgestattet hat. Das sind großartige Neuigkeiten, die unsere harte Arbeit während der letzten zwei Jahre würdigen. Hoffentlich bekommen wir die Finanzmittel, um diese Entwicklung weiter zu führen, hin zu einem voll operationellen System.

Die E-Mails sind abgearbeitet. Jetzt geht es in ein internes Meeting für eine neue Plattform an der Raumstation, die Anfang 2020 montiert werden soll. Danach ein kurzes Vorgespräch mit einer Redakteurin für den öffentlich-rechtlichen Kinderhörfunk am Nachmittag. Es gibt mehrere Fragen von Kindern, die wissen wollen, wie Alexander Gerts dort oben schläft und was beim Vogelflugexperiment ICARUS gemacht wird. Das ist Spaß, keine große Sache, aber extrem wichtig, denn die Sendung hören die zukünftigen Wissenschaftler, Ingenieure und Raumfahrer.

Schnell noch ein paar Termine legen, telefonieren mit der Missionsdirektorin der ESA, Berti Meisinger, mit der wir seit "Blue Dot" sehr gut zusammenarbeiten. Berti informiert uns, dass das französische GRIP/GRASP Experiment, ein Vorhaben zur Haptik, weiter gut läuft. Berti Meisinger, die im Columbus-Betriebszentrum beim DLR Oberpfaffenhofen sitzt, teilt mir auch mit, was kommende Woche an Experimenten laufen soll. MagVector, für das ich verantwortlich bin, steht auf dem Plan. Eine neue Sensorbox soll an der Seite des Experiments, welches seit 2014 oben ist, installiert werden. Dann folgen die Kalibration der Anlage und eine Messkampagne. Beides soll nach drei Tagen abgeschlossen sein. Die Daten müssen nach Ende der Messung sofort von den Wissenschaftlern am Boden geprüft werden, ob sie auch brauchbar sind. Falls nicht, müsste ein Zusatzlauf eingeplant werden, was schwierig ist, je länger man mit dem Datencheck wartet. Dazu schreibe ich schnell zwei E-Mails an die Bremer Kollegen von Airbus, die das gewährleisten müssen. In der nächsten Woche werden die Sensoren vor dem Instrumentenrack am Boden neu platziert und mit verschiedenen Meteoritenproben und Materialproben bestückt. Jede Probe wird einen ganzen Tag durchgemessen. Zehn Proben sind schon an Bord, eine kommt noch mit dem nächsten Raumtransporter SpaceX-15, der am 29. Juni von Florida aus zur ISS starten soll, und eine Menge weitere DLR-Experimente dabei hat. Wenn alles klappt, werden wir eine riesige wissenschaftliche Ausbeute für die Planeten- und Grundlagenforschung einfahren. Solche Experimente sind einzigartig und in keinem Labor der Erde möglich. Das macht den Wert der Raumstation aus.

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Über den Autor

Volker Schmid leitet das DLR-Missionsteam der horizons-Mission von Alexander Gerst. Er absolvierte eine Lehre als Feinmechaniker. Nach einer dreijährigen Industrietätigkeit als Metallfacharbeiter im Spritzgießmaschinenbau studierte er Luft- und Raumfahrttechnik an der FH Aachen. Während seiner Diplomarbeit und danach beschäftigte er sich in Systemstudien und bei Softwareentwicklung hauptsächlich mit dem Entwurf von zukünftigen Raumtransportfahrzeugen in der Hauptabteilung Systemanalyse beim DLR in Köln. zur Autorenseite