Sonstiges | 03. August 2010 | von Jan Wörner

Sommerzeit - Ferienzeit? Zeit für eine Bilanz!

Es heißt immer so schön: "Dann bis nach der Sommerpause!" Aber von Pause ist im DLR nicht viel zu spüren. Meistens sind es angenehme Umstände, die auch während meines Kurzurlaubs von drei Tagen in Frankreich eine permanente Erreichbarkeit über E-Mail und Handy erfordern: Terminvereinbarungen für Vorträge und Diskussionen, Absprachen mit den Vorstandskollegen hinsichtlich programmatischer und strategischer Perspektiven und vieles mehr. Persönlich nutze ich diese Zeit ohne Hektik und Termine auch dazu, über das Erreichte und Nicht-Erreichte nachzudenken, um Perspektiven zu definieren und Konsequenzen zu ziehen.

Bild: Jan Wörner während einer Rede im Rahmen der DLR-Jahreshauptversammlung im November 2009. Quelle: DLR.Dreieinhalb Jahre bin ich nun Vorstandsvorsitzender des DLR, das sind genau 70 Prozent der fünf Jahre, für die mein derzeitiger Vertrag gilt. Grund genug Bilanz zu ziehen: Was wurde erreicht, was ist misslungen, was sind die nächsten Schritte? Diese Frage möglichst ruhig und gelassen zu beantworten, ist Daueraufgabe in einer verantwortlichen Position und in meiner aktuellen Situation noch relevanter, da bald die Frage einer zweiten Amtszeit beantwortet werden muss. Formal zuständig dafür ist der Senat des DLR, in dem neben Politik auch Wissenschaft und Wirtschaft vertreten sind. Für mich heißt es aber auch zu prüfen, ob ich eine Chance habe, die Ziele zu erreichen, für die ich vor fast vier Jahren bei meiner Berufung stand und auf deren Grundlage der damalige Bundeswirtschaftsminister Michael Glos mich überzeugt hatte, die Herausforderung anzunehmen.

Ein zentraler Punkt war und ist die Wissenschaft und die Technik, für die das DLR steht - Raumfahrtmanagement und Projektträger eingeschlossen. Mit der DLR-weiten Strategiediskussion in 2009 haben wir gemeinsam die Ziele definiert, die wir durch verschiedene Maßnahmen erreichen wollen. Ein zweiter zentraler Punkt, für den ich nicht zuletzt durch das TU-Darmstadt-Gesetz zum Zeitpunkt der Berufung stand, ist die Weiterentwicklung in Richtung mehr Eigenverantwortung. Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass dezentrale Entscheidung und Verantwortung ein ganz wichtiger Punkt für effizientes Handeln in Wissenschaft, Technik und Verwaltung ist. Dies konnte bei der TU Darmstadt "pilothaft" demonstriert werden. Obwohl ich noch bis Ende 2010 als Präsident gewählt war, ließ ich mich überzeugen, die Herausforderung anzunehmen und einen entsprechenden Prozess im DLR voranzubringen. Auch hier sind die DLR-internen Schritte bereits umgesetzt worden. Nach außen habe ich seinerzeit das Ziel wie folgt definiert: “Von einer Einrichtung in ministerieller Verantwortung und Steuerung zu einem selbstständigen, eigenverantwortlichen, innovativen Zentrum mit öffentlichen Aufträgen."

Die Tatsache, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht wurde, ist bedrückend genug. Noch bedenklicher wird es, wenn man die Aussagen im Rahmen der Gespräche über eine Wiederbestellung zugrunde legt. Trotzdem setze ich darauf, dass Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle die klaren Aussagen im Wahlprogramm seiner Partei umsetzt:

"Die FDP fordert mehr Freiheit für die staatlichen Forschungseinrichtungen und setzt sich für ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz ein, welches den staatlichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie etwa den Max-Planck-Instituten, den Fraunhofer-Instituten oder den Forschungszentren der Helmholtz- oder der Leibniz-Gemeinschaft die Verantwortung für ihre Sach-, Personal- und Finanzangelegenheiten überträgt.
Staatliche Forschungseinrichtungen sollen zudem eigenverantwortlich über Kooperationen mit der Wirtschaft entscheiden können, so dass sie die Möglichkeit erhalten, sich an ausgegründeten Unternehmen so zu beteiligen, wie es für sie wirtschaftlich vernünftig ist. Sie sollen Personal im Rahmen eines Globalbudgets eigenverantwortlich einstellen und bezahlen dürfen. Obergrenzen, wie etwa der Vergaberahmen, die uns im Wettbewerb um die besten Köpfe gegenüber anderen Forschungseinrichtungen und Hochschulen Fesseln anlegen, müssen entfallen."

(Aus: "Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm 2009, Programm der Freien Demokratischen Partei zur Bundestagswahl 2009", Kapitel 4, Seite 51. Quelle: FDP.de, PDF)

Ein DLR.Das DLR ist dafür bereit und für eine Pilotfunktion bestens gerüstet.  Dieser Punkt wird für mich von zentraler Bedeutung bei der Frage der zweiten Amtszeit sein. Der zweite Punkt, den ich zentral positioniere, ist die Struktur, die ich u.a. als "EIN DLR" bezeichne: Forschungszentrum, Raumfahrtmanagement und Projektträger unter einem Dach sind Werte, um die uns andere beneiden und die die starke Position Deutschlands ausmachen. Und dafür lohnt es sich, auch weiterhin zu kämpfen.

Bild oben: Jan Wörner während seiner Rede im Rahmen der DLR-Jahreshauptversammlung im November 2009. Quelle: DLR.

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite