Sonstiges | 01. März 2010 | von Jan Wörner

Drei Jahre Vorstandsvorsitzender des DLR - eine tägliche Herausforderung

Am 1. März 2007 habe ich das Amt des Vorsitzenden des Vorstands des DLR angetreten und damit einen persönlichen Berufswechsel ungeahnten, unerwarteten Ausmaßes durchgeführt. Drei von fünf Jahren des Vertrages sind nun vorbei. Es wird Zeit, so etwas wie eine persönliche Bilanz zu ziehen, um gleichzeitig erforderliche Entscheidungen und Entwicklungen der Zukunft vorzubereiten.

Nachdem ich zehn Jahre in einem Frankfurter Ingenieurbüro (König und Heunisch) die Möglichkeiten erhalten hatte, an vielen besonderen Bauwerken im In- und Ausland mein Studium in die Realität umzusetzen, nachdem ich fünf Jahre als Hochschullehrer und Leiter der Prüf- und Versuchsanstalt für Massivbau der Technischen Universität Darmstadt den Begriff der Einheit von Forschung und Lehre erleben durfte, nachdem ich zwölf Jahre lang als Präsident der TU Darmstadt institutionelle Prozesse der stärkeren Eigenverantwortlichkeit von wissenschaftlichen Einrichtungen und die Höhen und Tiefen der Umstellung der Studiengänge entsprechend dem Bolognaprozess miterleben und unmittelbar gestalten konnte, wurde ich - durchaus zur eigenen Überraschung wegen der fachlich nicht unmittelbar nachvollziehbaren Entscheidung - zum Nachfolger von Prof. Wittig gewählt.

DLR - Wissen für MorgenDer Reiz des DLR ging und geht für mich von der Themenvielfalt, aber auch von den strukturellen Herausforderungen einer Großforschungseinrichtung aus. In meinem letzten Blogeintrag hatte ich die Thematik "Evolution und Revolution" angesprochen; in dem zitierten Vortrag lautete eine meiner Thesen: Evolutionäre (Technologie-)Entwicklung benötigt Kontinuität, revolutionäre (Technologie-)Entwicklung braucht Freiraum. Dies gilt in gleichem Maße für institutionelle Strukturen.

Das Motto meiner Kandidatur für den DLR-Vorstand lautete 2006: "Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“ (Antoine de Saint-Exupéry). Darin schwingt bereits der Zweifel an Detailsteuerung und Planerfüllung mit. Auf der anderen Seite sind wir gehalten, die Mittel, die uns vom Steuerzahler über die Bundesregierung und den Bundestag zur Verfügung gestellt werden, nicht beliebig sondern klar zielorientiert einzusetzen, was wir durch unsere interne programmatische Steuerung tun, die ihrerseits forschungspolitische Vorgaben einerseits und raumfahrtstrategische Regierungsvorgaben andererseits berücksichtigen.

 

Jüngst erhielt ich von einem Mitarbeiter das Buch "Der Tag zieht den Jahrhundertweg" von Tschingis Aitmatow. Dieses Buch beschreibt ganz unterschiedliche Ereignisse und vermittelt eine tiefe, aber eben nicht zwangsläufig trennende Kluft von verschiedenen Welten, Ansichten und Erwartungen am fiktiven Beispiel des Lebens eines einfachen Kasachen und der zeitlichen und örtlichen Koinzidenz der Reise zu außerirdischer Intelligenz.

Ein DLRWie im Roman besteht die Kunst in vielen Bereichen des Wissenschaftsmanagements darin, verschiedene Welten und Methoden fruchtbar miteinander zu kombinieren. Für die Welt des DLR bedeutet dies, dass Kreativität ihren Freiraum findet, dass Ziele sicher erreicht werden und dass Verantwortung und Entscheidung eine untrennbare Einheit bilden müssen. Dies und mehr soll der Ausdruck EIN DLR umfassen, der sich im Rahmen der Diskussionen der letzten drei Jahre als ein ganz wichtiges Merkmal der Potenzialausschöpfung erwiesen hat. Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass ich noch immer erhebliche Defizite bis zur Umsetzung der Gedanken sehe, daher darf unser zukünftiges Bemühen für das DLR und die von ihm vertretenen Themen Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr und Sicherheit nicht nachlassen.  Für diesen Weg hoffe ich auf die Unterstützung intern wie extern …

 

Bilder: DLR.
 
 

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite