Raumfahrt | 03. Juni 2010

520 - eine Zahl für die Ewigkeit?

Das Licht der frühsommerlichen Moskauer Mittagssonne scheint durch die halbblinden Fensterscheiben der Halle. Halbfußballfeld groß, gut 15 Meter hoch ist sie heute das Zentrum der physiologischen und psychologischen Weltraumwissenschaften. Mehr als 100 Menschen, vom Wissenschaftler bis zum Journalisten, haben sich im Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) versammelt, um unbewusst einem metallischen Klang zu lauschen, der die Halle erfüllen wird. Das Schlagen einer Tür und das Klacken eines Riegels aus Stahl sind das untrügliche Zeichen für den Beginn eines einzigartigen Experimentes.

Sechs Männer, drei aus Russland, zwei aus Europa und ein Chinese treten an zu einen virtuellen Raumflug. 520 Tage werden sie "unterwegs" sein, sich dabei aber nicht einen Millimeter von der Stelle bewegen. Der heimatliche blaue Planet wird nicht mehr zu sehen sein, die Nahrung ist ausgewählt und wird kontrolliert zugeführt, die Verbindung zum Kontrollzentrum wird von Tag zu Tag mehr und mehr Zeit in Anspruch nehmen, Probleme müssen mit Bordmitteln gelöst werden und die Gruppendynamik übernimmt die Regie. All diese Begleitumstände des längsten Isolationsexperiments sind nur ein Teil dessen, was die beteiligten Wissenschaftler auch aus Deutschland - aus Berlin, München, Erlangen, Köln und Hamburg - in den nächsten fast 18 Monaten interessieren wird. Die einmalige Chance für einmalige Ergebnisse.

Holzoberflächen, die an die Erde erinnern sollen, bestimmen die Wohnwelt im Innern der Module. Diese bieten nur sehr wenig Raum für die menschliche Intimsphäre, und die "Astronauten" erwartet sehr viel Unbekanntes. Einzig störend ist die Schwerkraft, die die Module des "Raumschiffs" im Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme (IBMP) am Boden hält. Es wäre sonst das vollkommene Experiment. Mars500 bedeutet nicht nur Grundlagenforschung, sondern soll auch Erkenntnisse und Lösungen für den klinischen und therapeutischen Bereich bieten. Zum Beispiel für Probleme einer zunehmend älter und immobiler werdenden Gesellschaft.

DLR-Projektleiter Peter GräfUnter den Gästen ist auch Peter Gräf, DLR-Projektleiter für den deutschen Teil einer Mission, die Raumfahrtgeschichte schreiben wird, obwohl sie im "Saale" stattfindet. Ob er mit einem der Probanden tauschen würde? "Nein", sagt er kategorisch, bei aller Begeisterung des Biologen für die Wissenschaft. Dass die Zahl 520 - also 240 Tage für den virtuellen Flug zum Mars, die Zeit im Orbit des Roten Planeten, Abstieg und Aufenthalt sowie 240 Tage für den Rückflug - ein Wert für die Ewigkeit sein werden, bezweifelt er. Irgendwann wird der Mensch zum Mars aufbrechen, und dieser Flug wird fast drei Jahre dauern.

Kurz vor 14 Uhr. Es ist soweit. Ein letztes Winken, ein letzter Blick nach draußen, hinauf zur Sonne, zu den Bäumen vor den Fenstern. Dann schließt sich die Luke, und für die "Astronauten" beginnt mit dem metallischen Klang, der nun durch die Halle tönt, ein großes Abenteuer im Dienst der Wissenschaft - Mars500.

Bild oben: Der Isolationscontainer im Moskauer Institut für Biomedizinische Probleme. Bild: ESA.

Bild unten: DLR-Projektleiter Peter Gräf macht sich ein Bild vom Wohnort der Kandidaten. Bild: DLR.

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