Sicherheit | 29. November 2010

Blog- und Twitter-Kommunikation des DLR während der Vulkanasche-Wolke im April 2010

Eyjafjalla
Eyjafjalla

Als Ende März, Anfang April 2010 der isländische Vulkan Eyjafjalla ausbrach, führte die sich daraufhin bildende Aschewolke zu einer ungewöhnlichen Situation im europäischen Luftverkehr. Mitte April wurde der Flugverkehr in Nord- und Mitteleuropa eingestellt. Das DLR hat in vielerlei Hinsicht daran mitgearbeitet, die Aschewolke und ihre Auswirkungen auf den Luftverkehr zu untersuchen. Ich möchte in diesem Blogeintrag darstellen, welche Erfahrungen und Lernprozesse wir in der Online-Kommunikation in diesen Tagen Mitte April 2010 gemacht haben, insbesondere in den DLR Blogs und auf Twitter.

Zunächst veröffentlichten wir vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) und vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen erstellte Satellitenaufnahmen des Vulkans, die das Ausmaß der Öffnung des Vulkantrichters deutlich zeigten. Als dann der Flugverkehr eingestellt wurde, kam auch unser Forschungsflugzeug Falcon 20E ins Spiel. Die DLR-Kollegen in Oberpfaffenhofen (bei München) arbeiteten am Wochenende (17./18. April 2010) daran, die Falcon für einen Messflug vorzubereiten. Dazu muss man wissen, dass die DLR-Forschungsflugzeuge nicht auf nur ein Forschungsobjekt wie Vulkanasche spezialisiert sind und üblicherweise für einen bevorstehenden und geplanten Einsatz fertig ausgerüstet im Hangar stehen. In den Medien gab es am Samstag, 17. April 2010, erste Berichte, die auf unseren für Montag, 19. April geplanten Messflug hinwiesen. Über das Wochenende häuften sich dann Veröffentlichungen, in denen die Frage "Warum denn erst am Montag?" gestellt wurde.

Falcon

Forschungsflugzeug Falcon wird für den Messflug vorbereitet. Bild: DLR.

PresseAngesichts der Auswirkungen des Flugverbots wurde uns diese Frage mit entsprechendem Nachdruck gestellt. Das DLR stand also vor der Herausforderung, die Aschewolke möglichst schnell und wissenschaftlich korrekt zu untersuchen. Die DLR-Hauptabteilung Kommunikation musste die Öffentlichkeit darüber informieren, wie dies vor sich geht. Diese kommunikative Herausforderung stellte sich also sowohl in der Pressearbeit als auch in der Online-Kommunikation. Marco Trovatello (Leiter des Crossmedia-Teams in der DLR-Kommunikation) hat unsere diesbezügliche Online-Kommunikations-Philosophie in einem Blog-Eintrag so beschrieben: "Wir wollen ansprechbar sein, erreichbar sein, schnell reagieren und des weiteren offen, transparent und in bestimmten Fällen auch in Echtzeit kommunizieren." So informierten wir zum Beispiel darüber, dass die Vorbereitungen eines Forschungsflugzeugs auf eine neue Mission normalerweise einige Wochen dauert, die DLR-Kollegen dies aber bei der Aschewolke in 72 Stunden gemeistert haben. Wir richteten eine Sonderseite im DLR Web-Portal ein und beantworteten zahlreiche Anfragen.

Am Sonntag, 18. April 2010, veröffentlichten wir einen Blogeintrag von DLR-Chef Jan Wörner. Darin erklärt er, dass die Vorbereitungen des Messflugs nicht langsam, sondern im Gegenteil vergleichsweise sehr schnell verlaufen und dass bislang kein Notfall-Dienst für solche Fälle etabliert wurde. Die Reaktionen auf den Blog-Eintrag waren enorm. Innerhalb weniger Tage wurde er etwa fünf Mal so oft aufgerufen wie ein gut geklickter Webartikel auf http://www.dlr.de/ sonst im Monat. Die mehr als 20 Kommentare zu dem Blogeintrag sind für die DLR Blogs immer noch einsamer Rekord.

Die Aschewolke war Mitte April 2010 ein kollektives Ereignis, das viele Menschen persönlich betroffen hat. Die Hoffnungen vieler "festsitzender" Menschen projizierten sich auf den Messflug der Falcon. Um kleine Informationsupdates sehr schnell zu kommunizieren, ist Twitter ein gutes Medium - ebenso, um mit Menschen direkt zu interagieren. Dieses Beispiel zeigt (siehe Tweets in der Grafik, hier entgegen der Twitterlogik chronologisch von oben nach unten sortiert): Der Twitter-Benutzer @Sebaso war anfangs sehr skeptisch und vertrat die in der Öffentlichkeit transportierte Kritik, wir wären mit unseren Messflugvorbereitungen langsam. Nach unseren direkten Erläuterungen, warum das so ist und dass das nicht langsam sondern sehr schnell ist, war er nicht nur inhaltlich überzeugt sondern später auch richtig begeistert von unserer Arbeit. So konnten wir Skepsis in Begeisterung umwandeln. Mit vielen anderen Twitter-Nutzern hatten wir sehr ähnliche Erfahrungen.

Für uns war die Aufmerksamkeitswelle in diesen Tagen ebenso enorm wie der Druck, schnellstmöglich Messergebnisse vorzulegen. Dass die wissenschaftliche Welt trotz aller möglicher Anstrengungen nicht so schnell arbeitet (arbeiten kann) wie die medialen Erwartungen sind, baute ein enormes "Shitstorm"-Potential auf. Was wäre gewesen, wenn wir hier nicht wie beschrieben reagiert hätten? Das weiß niemand genau. Aber Fälle wie KitKat-Gate von Nestlé (virale Aktion "Give the Orang-Utan a break!" von Greenpeace) zeigen, sich Shitstorms in sozialen Netzwerken schnell entwickeln können. Dies ist dem DLR im Fall der Aschewolke nicht passiert. Bis zum Nachmittag des 19. April 2010 war die Stimmung auf Twitter überwiegend positiv. Und diese Atmosphäre ist mittlerweile auch selbst ein Multiplikator; Twitter ist für uns zwar hauptsächlich ein Werkzeug der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit, aber auch viele Journalisten beobachten Twitter und beziehen hierher Informationen.

Es mag wie eine Binsenweisweit klingen, aber ich möchte es dennoch feststellen: Die Menschen sind am meisten interessiert und reagieren dann am intensivsten, wenn sie selbst von einem Thema persönlich betroffen sind - zum Beispiel weil sie an einem Flughafen festsitzen und nicht nach Hause kommen. Für das DLR als Forschungsorganisation waren die Messflüge der Aschewolke Mitte April 2010 somit auch eine seltene Gelegenheit, besonders viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu finden, um die gesellschaftliche Relevanz unserer Forschungsarbeit zu demonstrieren.

Das beschriebene Wochenende und der Tag des ersten Messflugs (Montag, 19. April 2010) gehören für mich persönlich zu den spannendsten Herausforderungen, die ich in meiner Arbeit beim DLR erlebt habe. Ich war an diesem Tag hauptsächlich für die Social Media-Kommunikation eingeteilt. Dabei habe ich erfahren, dass "transparente Kommunikation" nicht nur ein Buzzword für Social Media-Konferenzen ist, sondern in der konkreten Kommunikationsarbeit sehr wichtig ist. Niemand kann und will die Entwicklungen der sozialen Netzwerke zurückdrehen. In der Kommunikation müssen wir aber mit dem Kontrollverlust unserer Botschaften umzugehen lernen. Um ihn zu managen, bedarf es allerdings einiger Vorbereitungen.

In diesem Fall war es notwendige Voraussetzung, dass wir uns schon lange vor der Aschewolke eine Community auf Twitter aufgebaut hatten, die Spielregeln bereits erlernt hatten und dort auch wirklich zuhören (hier zum Beispiel das Hashtag #ashtag die ganzen Tage mitverfolgt haben). In diesem Fall ist es uns (genau wie in der Pressearbeit auch) gelungen, einen möglichen Shitstorm abzuwenden. So kann die Social Media-Kommunikation von der Herausforderung zur Chance werden. Das Interesse der Menschen auf Twitter ist eindrucksvoll im Chart unserer Follower zu sehen: In nur wenigen Tagen stieg unsere Followerschaft um mehr als ein Drittel (+ 500) an. Und diese Follower sind auch nach nun mehr als sechs Monaten geblieben.

Dieser Blogeintrag erscheint anlässlich des 3. Forums Wissenschaftskommunikation, das gerade in Mannheim stattfindet. Marco Trovatello und ich stellen dort in einem Vortrag die "Web 2.0-Kommunikation" vor, mit dem Untertitel "Feedback erwünscht" - selbiges gilt natürlich wie immer auch hier im Blog. (Update 10.12.2010: Die Folien des Vortrags stehen nun auch auf Slideshare.) Einen ähnlichen Blog-Eintrag zur Twitter-Kommunikation während des Tags der öffenen Tür beim DLR Köln ("Tag der Luft- und Raumfahrt") hatte ich bereits hier geschrieben.

Die wissenschaftliche Tätigkeit des DLR bei der Aschewolke wird übrigens auch im Podcast Raumzeit, Episode 1 ausführlich beschrieben.

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