Energie | 21. Juni 2010 | von Jan Oliver Löfken

Energie-Frage der Woche: Können Züge in Zukunft noch schneller und sparsamer fahren?

Bei einem Weltrekordversuch am 3. April 2007 raste ein TGV – Abkürzung für "train à grande vitesse" – mit 574,8 Kilometer pro Stunde durch das französische Département Marne. Im täglichen Linienverkehr beschleunigen die TGV-Hochgeschwindigkeitszüge bis etwa auf Tempo 320. In Deutschland kratzen zumindest die 67 ICE3-Züge an der Tempo 300-Marke. Geht es in Zukunft überhaupt schneller und bleiben die Züge dabei weiterhin sparsam?

Sind die Bahngleise auf die hohen Geschwindigkeiten ausgelegt, kann es durchaus schneller durch deutsche Lande gehen. Zugelassen sind die ICE3-Züge immerhin bis 330 Kilometer pro Stunde. Der Energieverbrauch entspricht pro Fahrgast bei durchschnittlicher Auslastung weniger als drei Liter Treibstoff auf 100 Kilometer. Die Halbierung dieses Wertes haben sich im Rahmen des Projekts "Next Generation Train (NGT)" neun DLR-Institute zum Ziel gesetzt. Zugleich könnte der Zug der Zukunft im täglichen Verkehr sogar bis auf 400 Kilometer pro Stunde beschleunigen.

Herausforderung Aerodynamik

Natürlich wird das DLR selbst keine Züge bauen, doch grundlegende Konzepte zur Aerodynamik, Fahrgestellen, Werkstoffen oder Reisekomfort des NGT sollen der Industrie bei der Entwicklung helfen. "Vor allem brauchen wir für den NGT einen konsequent neuen aerodynamischen Entwurf", sagt Joachim Winter, Leiter des NGT-Projektes am DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte in Stuttgart. Das Ziel ist klar: der Personenverkehr auf der Schiene soll seinen Anteil gegenüber Luft und Straße nicht nur halten, sondern auch ausbauen.

Grafik: NGT auf dem Weg durch die Wüste. Beide Bilder: DLR.

Grafik: NGT auf dem Weg durch die Wüste. Beide Bilder: DLR.

Die ersten Designstudien konnten die DLR-Forscher bereits präsentieren: So werden im NGT die Passagiere auf zwei Ebenen ihren Sitzplatz finden – ähnlich wie heute schon bei deutlich langsameren Regionalzügen. Die derzeit gebräuchlichen Fahrgestelle mit starren Achsen könnten einem intelligenten mechanisch und elektronisch ausgeklügelten Radsatz weichen, in dem Einzelräder in den Wagenkasten integriert und über leistungsstarke Radnabenmotoren angetrieben werden. Für die Aerodynamik zeichnet das Team um Sigfried Loose vom Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Göttingen verantwortlich. Mit einem der modernsten Windkanäle Europas und aufwändigen Strömungssimulationen nähern sich die Wissenschaftler den Grenzen des Machbaren an. Das Ziel: hohe dynamische Stabilität und Fahrsicherheit bei gleichzeitig geringer Lärmbelastung im Innern des Zuges.

Hochgeschwindigkeitszug mit Spoilern?

Da der NGT aus Effizienzgründen konsequent im modularen Leichtbau entstehen soll, wird es zudem schwieriger, ihn bei hohen Geschwindigkeiten auf der Schiene zu halten. Die Auftriebskräfte könnten auf rasanter Fahrt so stark werden, dass der Zug ohne geeignete Maßnahmen die Boden- oder genauer die Schienenhaftung verliert. "Aber beispielsweise mit aktiven, verstellbaren Spoilern könnten wir in die rasende Zügen all das einbauen, was in Formel-1 Wagen verboten ist", gibt Loose ein Beispiel aus dem Werkzeugkasten der Aerodynamik.

Ob und wann der NGT allerdings zu Jungfernfahrt starten wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Darüber entscheiden nicht zuletzt Hersteller wie Siemens, Alstom und Bombardier und die Bahngesellschaften. Doch je nach Fortschritt der aktuellen Arbeiten könnten schon im kommenden Jahrzehnt europäische Hochgeschwindigkeitszüge auf bis zu Tempo 400 im Linienverkehr beschleunigen.

Die DLR-Energiefrage der Woche im Wissenschaftsjahr "Die Zukunft der Energie"

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto "Die Zukunft der Energie" gestellt. Aus diesem Anlass beantwortet der Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken in diesem Jahr jede Woche eine Frage zum Thema Energie in diesem Blog. Haben Sie Fragen, wie unsere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte? Oder wollen Sie wissen, wie beispielsweise ein Wellenkraftwerk funktioniert und wie effizient damit Strom erzeugt werden kann? Dann schicken Sie uns Ihre Fragen. Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken recherchiert die Antworten und veröffentlicht sie jede Woche in diesem Blog. 

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Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite