Energie | 11. Juli 2013

100 Jahre Strom aus der Wüste – und wie er Nordafrika und Europa nutzen kann

Im Juli 1913 ging das erste solarthermische Kraftwerk in Ägypten in Betrieb. Damals diente der Dampf aus den Kollektoren zum Pumpen von Nilwasser auf die umliegenden Felder. Doch der Erbauer der Anlage, der amerikanische Ingenieur Frank Shuman, hatte bereits damals die Vision vom weltweiten Einsatz von Wüstenstrom aus solaren Dampfkraftwerken.

 

"… the human race must finally utilize direct sun power or revert to barbarism."
Frank Shuman, Scientific American 1914

Die Deutsche Gesellschaft Club of Rome und der Hamburger Klimaschutz-Fonds nahmen diese Idee im Jahr 2003 wieder auf, gründeten die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) und zeichneten das erste Bild eines Stromverbundes über die gesamte Region Europa, Mittlerer Osten und Nordafrika (EUMENA), in dem erneuerbare Energiequellen dort genutzt werden, wo die meiste Energie verfügbar ist, um Strom dann über Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) in die Ballungszentren zu schicken. Während der Transport von Energie in Form von Kohle, Öl und Gas heute noch überwiegend über Schiffe, Lastwagen, Züge und Pipelines erfolgt, wird der Transport erneuerbarer Energie in Zukunft zunehmend auf Stromleitungen erfolgen.

Nachhaltige Versorgung in Nordafrika

Im darauf folgenden Jahr wurde das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung in Stuttgart, vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) beauftragt, die Machbarkeit dieses Konzepts zu prüfen. Die erste DLR-Studie MED-CSP mit Beteiligung vieler europäischer und arabischer Partner ergab, dass es für die Länder des Mittelmeerraumes genügend erneuerbare Energiequellen gibt, um eine nachhaltige Stromversorgung zu erreichen. Das Potenzial erneuerbarer Energien ist in der Sahara tatsächlich um ein Vielfaches größer als der globale Energieverbrauch jemals sein wird. Damit ist genügend Energie und sichere Leistung vorhanden, um den steigenden Bedarf in Nordafrika selbst zu decken und zusätzlich Europa beim Umbau hin zu erneuerbaren Energien zu unterstützen.

 

Strom rund um die Uhr: Solarkraftwerke, wie das spanische Kraftwerk Andasol, verfügen über große Salzspeicher (flache Silos im Bildvordergrund). Durch diese Speicher kann das Kraftwerk regelbaren Strom ins Netz einspeisten, zum Beispiel in den Abendstunden und über Nacht. Bild: Solar Millennium AG.

 

Regelbare Energie für Europa

Unsere zweite Studie – Trans-CSP – beschrieb 2006 den Umbau von 30 europäischen Ländern hin zu einer nachhaltigen Versorgung und erklärt die Rolle potenzieller Solarstromimporte aus Nordafrika. Wenn Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreibt, so wie es das Energiekonzept der Bundesregierung vorsieht, brauchen wir spätestens ab 2025 eine Ergänzung der stark fluktuierenden, heimischen Energiequellen Windkraft und Photovoltaik durch gut regelbaren Strom. Diese Aufgabe können solarthermische Kraftwerke übernehmen, die dank ihres Wärmespeichers Strom nach Bedarf erzeugen. An besonders guten Standorten in der Sahara sind solarthermische Kraftwerke über das ganze Jahr rund um die Uhr einsatzfähig. Auch Biomasse, Wasserkraft und Geothermie können regelbare Leistung liefern, aber deren Potenziale sind in Europa begrenzt.

Heimischer Strom aus lokalen und dezentralen Quellen kann daher ideal durch gut regelbare Solarstromimporte ergänzt werden. Das Konzept sieht vor, dass die erneuerbare Energie aus Nordafrika mit geringen Verlusten von etwa 10 Prozent durch HGÜ Verbindungen in die europäischen Ballungszentren übertragen und dort im Netz verteilt wird.

Es geht bei dem TRANS-CSP Konzept nicht um den Import nordafrikanischer Stromüberschüsse aus Wind und PV über das schwache südeuropäische Wechselstromnetz, das für diesen Zweck massiv ausgebaut werden müsste. Es geht vielmehr um den Import hochwertiger, regelbarer Energie aus solaren Dampfkraftwerken über Punkt-zu-Punkt HGÜ-Verbindungen in europäische Ballungszentren. Dort ist in der Regel eine geeignete Infrastruktur zur Verteilung des Stroms an die Verbraucher bereits vorhanden und keine Verstärkung der Netze notwendig. Im November 2007 wurde das Konzept in einem Weißbuch mit dem Titel "Clean Power from Deserts – The DESERTEC Concept for Energy, Water and Climate Security" dem Europäischen Parlament und der Öffentlichkeit vorgestellt.

Erneuerbare Energie für Nordafrika und Europa: Die DESERTEC-Pläne basieren auf drei DLR-Studien, Bild: DLR

Im Jahr 2009 hat das DLR den ersten Entwurf von knapp 300 potenziellen Übertragungskorridoren vorgestellt, die mit möglichst geringem ökologischem und ökonomischem Aufwand realisiert werden könnten. Es folgte eine Veröffentlichung, die die Umsetzung des TRANS-CSP Konzepts mit 33 ausgewählten HGÜ-Verbindungen beschreibt, die bis 2050 etwa 15 Prozent der europäischen Stromversorgung mit gut regelbarer Sonnenenergie aus der Sahara decken könnten.

Regelbare Solarstromimporte reduzieren Infrastrukturbedarf für die Energiewende um 50 Prozent

Unser Szenario für Deutschland im Jahr 2050 mit insgesamt etwa 90 Prozent erneuerbarem Anteil an der Stromversorgung sieht etwa fünf HGÜ-Verbindungen zu solaren Dampfkraftwerken in Nordafrika vor. Damit können etwa 15 Prozent des Strombedarfs gedeckt werden. Durch diesen Anteil an regelbarer Energie kommt Deutschland mit beinahe der Hälfte an Kraftwerken, Stromleitungen und Stromspeichern aus im Vergleich zu einem Szenario, das auf Solarstromimporte verzichtet. Der deutlich geringere infrastrukturelle Aufwand führt zu einer entsprechenden Entlastung der Energiewende bezüglich Kosten, Umweltbelastung und Flächenbedarf.

Zuletzt wurde im Juli 2013, pünktlich zum 100. Geburtstag der ersten Nutzung solarthermischer Kraftwerke, die Modellstudie zu einer ersten konkreten Verbindung zwischen Marokko und Baden-Württemberg fertig gestellt, die ab 2025 den dringend benötigten, gut regelbaren Strom aus solarthermischen Kraftwerken nach Mitteleuropa bringen könnte, um unsere – überwiegend variablen – heimischen Quellen Windkraft und Photovoltaik ideal zu ergänzen. 

 

Quellen:

Shere, J.: Renewable

MED-CSP – Concentrating Solar Power for the Mediterranean Region, DLR 2005

TRANS-CSP – Trans-Mediterranean interconnection for Concentrating Solar Power, DLR 2006

Desertec Foundation: DESERTEC WhiteBook: PDF: Summary of the studies (Excerpt from the WhiteBook) PDF: Complete WhiteBook (revised version of 2008)

REACCESS – Common Corridors for European Supply Security, EU Projekt, 2009

Trieb, F., et al.: Solar Electricity Imports from the Middle East and North Africa to Europe, Energy Policy 42 (2012) 341-353

Trieb, F.: Integration erneuerbarer Energiequellen bei hohen Anteilen an der Stromversorgung, Fachzeitschrift energiewirtschaftliche Tagesfragen Nr. 63, Heft 7, 2013

Hess, D.: Fernübertragung regelbarer Solarenergie von Nordafrika nach Mitteleuropa, Diplomarbeit, DLR und Universität Stuttgart, Juli 2013

 

Bild oben: Jährliche Globalstrahlung im südlichen und östlichen Mittelmeerraum, Bild: IRENA

 

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