Raumfahrt | 08. Dezember 2010

An Bord des dritten Wissenschaftsflugs von SOFIA

Nach dem ersten Wissenschaftsflug von SOFIA vom 30. November auf den 1. Dezember 2010 war beim gestrigen dritten Flug schon eine gewisse Routine spürbar. Allerdings nicht bei mir, mein letzter Flug mit einem "Airborne Observatory" - der KAO, dem Vorläufer von SOFIA - war im Juli 1987! Am Vormittag des 7. Dezember wurden noch die letzten überarbeiteten Softwarepakete mit den wissenschaftlichen Zielen und dem daraus resultierenden Flugplan in die Bordcomputer geladen und das FORCAST-Instrument mit flüssigem Stickstoff und Helium aufgefüllt. Beim so genannten Crew-Briefing um 13:45 werden noch mal kurz alle Aspekte und last minute-Änderungen angesprochen und abgehakt, bevor dann alle um 14:15 Uhr in den Flieger steigen.

Bis dann alles verstaut ist - für seine Verpflegung in der Nacht ist jeder selber zuständig. Bis noch mal die Sicherheitsvorkehrungen gecheckt sind, ist es dann schon 15:25 Uhr, wenn die Türen geschlossen werden. Nach dem Anlassen der Triebwerke werden Teleskop, Instrument und Kommunikations- und Kontrollsystem noch mal gründlich geprüft, bevor SOFIA an den Start rollt. Um dann ist es endlich soweit: Mit 120 Tonnen Kerosin betankt hebt SOFIA um 16:11 Uhr ab und steigt in den klaren kalifornischen Abendhimmel. Über Los Angeles geht es mit freundlicher Kontrolle der Flugsicherung nach Südwesten hinaus auf den Pazifik. Bereits nach 15 Minuten hat SOFIA 20.000 Fuß erreicht, Zeit die Teleskoptür zu öffnen, um das Teleskop beim weiteren Anstieg auf die Umgebungstemperatur herunterzukühlen. Heute aber verhindern Dunstwolken dies, und es vergehen noch weitere 45 Minuten, bevor endlich die Wolkenobergrenze bei 37.000 Fuß (11,3 Kilometer) erreicht ist und die Tür geöffnet wird. Höher geht es für die nächsten drei Stunden aufgrund der noch fast vollen Tanks auch nicht. Für die Wissenschaftler reicht das allerdings zunächst mal, denn die Objekte am Himmel sind so gewählt, dass sie in dieser Höhe genügend Infrarotstrahlung in die Kameradetektoren senden.

Nach wenigen Minuten ist das Teleskop bereits stabil am Himmel ausgerichtet. Das erste Objekt der Begierde von Terry Herter und seinen Wissenschaftskollegen vom FORCAST-Instrumenten-Team ist heute Jupiter. Den hatten sie schon bei einem Testflug, dem "First Light" Flug, im Mai diesen Jahres im Visier. Genauer: Die Infrarotstrahlung aus den Wolkenbändern dieses riesigen Gasplaneten. Irdische Beobachtungen im visuellen haben in den letzten Monaten einige ungewöhnliche Änderungen in diesen Bändern aufgezeigt, und Terry Herter möchte nun schauen, ob sich das auch in der von seinem Instrument detektierten Wärmestrahlung niederschlägt. Nach etwa 80 Minuten Beobachtung ist er begeistert: Er hat genügend Messdaten für eine sorgfältige Analyse in den nächsten Tagen. Und schon macht das Flugzeug eine scharfe Kehre; das nächste Ziel wird aufs Korn genommen. Vor dem Monitor mit dem Flugplaner sitzen die Kollegen von NASA und USRA und verfolgen jede Richtungsänderung des Flugzeugs. Da ihnen auch die Winddaten aus dem Cockpit zur Verfügung stehen, können sie eventuelle Abweichungen vom ursprünglichen Plan online korrigieren.

Vor den Konsolen der Teleskopkontrolle sitzen derweil Holger Jakob, Uli Lamparter und Andreas Reinacher und lassen die Daten nicht aus den Augen. Als Mitarbeiter des Deutschen SOFIA Instituts sind sie an Bord mit den amerikanischen Kollegen für die Kontrolle aller Funktionen und insbesondere für die stabile Ausrichtung des Teleskops verantwortlich. Wenn die Beobachtung eines Objektes abgeschlossen ist, und das nächste "science leg" gestartet wird, heißt das: Teleskop arretieren, warten, bis die Piloten das Flugzeug in die neue Position geschwenkt haben, die Teleskopbremsen wieder lösen, mit den Sucherkameras das neue Objekt einfangen, zentrieren und fixieren. Und das so schnell als möglich, denn erst danach kann Terry Herter wieder messen.

Während so die Objekte nach und nach abgehakt werden, ist es inzwischen 19:30 Uhr, ein Drittel des Kerosins ist verbrannt und SOFIA kann nun auf 43.000 Fuß (13 Kilometer) Höhe klettern. In dieser Höhe ist nochmals deutlich weniger Wasserdampf vorhanden, der das Infrarotlicht der Sterne blockieren könnte. In diesen Höhen darf sich SOFIA zudem ohne Einschränkungen frei bewegen und längere "science legs" fliegen. Damit sind jetzt auch andere schwächere Quellen zugänglich. Und während mir langsam die Füße kalt werden, die Ohren trotz (oder wegen?) der Kopfhörer dröhnen, das mitgebrachte Wasser und das Sandwich auch nicht besser schmecken als in jeder Economy Klasse, stürzen sich die Wissenschaftler auf ihr nächstes Objekt, die Molekülwolken OMC1 und OMC2 im Sternbild Orion. Terry Herter möchte besser verstehen, wie in diesen Gas- und Staubwolken neue Sterne und Planeten entstehen. 23:30 Uhr: Nach sieben Stunden Zickzack-Flug über dem Pazifik taucht steuerbord das Lichtermeer von Los Angeles auf, als SOFIA mit Kurs Osten ein weiteres Sternentstehungsgebiet namens "W3"beobachtet. Über "Four Corners" dem Vier-Staaten-Eck Arizona, Neumexiko, Utah und Colorado wird gewendet und auf dem Rückflug über Las Vegas noch der Komet Hartley 2 beobachtet.

Gegen 2 Uhr aber müssen die Beobachtungen beendet werden, es geht schlicht der Treibstoff zu Ende. Wie üblich kämpfen die Wissenschaftler mit den Piloten um zwei bis drei weitere wertvolle Messminuten, aber dann ist Schluss: Um 2:03 Uhr wird das Teleskop arretiert und die Teleskoptür geschlossen. Das geht heute alles reibungslos im wahrsten Sinne des Wortes und SOFIA setzt zu einem rasanten Sinkflug an. Mit der Nase nach unten bietet sich ein spektakuläres Bild auf das Lichtermeer des Großraums Los Angeles. Um 2:36 Uhr erneut pünktlich setzt SOFIA auf der Landebahn auf und rollt zum Hangar der Dryden Airplane Operation Facility (DAOF) zurück. Noch aber geht keiner nach Hause, denn das ist eiserne Tradition: Nach jedem Flug und so auch heute gibt es zunächst um 3:30 Uhr ein "Debriefing". Hier wird kurz der Ablauf der Nacht rekapituliert, Piloten, Flugingenieur und Teleskopoperateure geben eventuelle Mängel zu Protokoll und die Wissenschaftler berichten kurz über ihre Messungen.

So, jetzt noch schnell den Bericht vervollständigen, abschicken, ins Hotel fahren, "Day Sleeper" vor die Tür hängen, Telefon ausschalten (!!) und ab ins Bett.

Die Bilder stammen vom ersten Wissenschaftsflug in der Nacht auf den 1. Dezember 2010. Oben und unten: Blick ins Cockpit während der Vorbereitungen. Zweites Bild: Chef-Pilot Frank Batteas beim Betreten des Flugzeugs. Drittes Bild: SOFIA kurz vor dem ersten Wissenschaftsflug. Alle Bilder: NASA.

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