Raumfahrt | 06. August 2014 | von Heinz-Theo Hammes

Hundeknochen

Im Zusammenhang mit einem "Weltklasse-Observatorium" fällt einem normalerweise wohl nicht der Begriff "Hundeknochen" ein. Wie so oft, ist bei SOFIA vieles ein wenig anders. Hier werden "Hundeknochen" genutzt, um die Kabine von der Cavity - dem offenen Bereich für die Teleskop-Optik - zu trennen und abzuschirmen.

Während eines Beobachtungsfluges wird die Teleskop-Optik in der Cavity den Umgebungsbedingungen eines Flugzeugs in 12 bis 14 Kilometern Höhe ausgesetzt. Das bedeutet: Temperaturen von -25 bis -50 °C, Windgeschwindigkeiten bis 900 Stundenkilometern und Luftdruck von etwa 15 - 20 Prozent des normalen Luftdrucks. Gleichzeitig befinden sich die Wissenschaftler und die Mission Crew auf der Kabinen-Seite und sind den normalen Umweltbedingungen eines Langstreckenfluges ausgesetzt.

Es muss also etwas geben, das die niedrigen Temperaturen und Drücke in der Cavity von den Normalbedingungen in der Kabine trennt. Dieses "Etwas" ist die Druckgrenze - oder Pressure-Boundary - zwischen Cavity und Kabine. Sie wird auf Flugzeug-Seite durch das Druckschott (Bulkhead) gebildet.  Auf Teleskop-Seite verläuft sie durch das Teleskop und wird, stark vereinfacht ausgedrückt, von dem "Diaphragm-Seal" und dem "Fail-Safe-Seal" des Teleskops gebildet.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Auf dem Bild sind das Diaphragm-Seal (rot) und das Fail-Safe-Sail (schwarz-weiß) gut zu erkennen. Sie bilden die Primär- und die Sekundärdichtung für die Druckgrenze auf der Teleskop-Seite.

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Ein Fehler oder Versagen der Dichtungen führt zu plötzlichem Druckverlust und wird als so genanntes katastrophales Ereignis eingestuft. Daher muss hier Redundanz vorhanden sein, um das Versagen eines der Systeme auffangen zu können. In unserem Fall ist das "Diaphragm-Seal" die Primär-Dichtung und das "Fail-Safe-Seal" die redundante Sekundär-Dichtung. Beide Dichtungen befinden sich dicht hintereinander im Bereich der Befestigung des Teleskops am Druckschott des Flugzeugs. Das Diaphragm-Seal besteht aus einer U-förmigen Gummikonstruktion, die mit vielen, vielen Schrauben sowohl an der  Backstop-Structure (Flugzeug) als auch der "Outer Cradle" (Teleskop) befestigt ist.

Das Fail-Safe-Seal sitzt hinter dem Diaphragm-Seal in einer Haltestruktur und besteht aus vielen Segmenten, die der Rundform des Bulkheads folgend angeordnet sind. Diese Dichtung schließt im Gegensatz zum Diaphragm-Seal nicht ganz dicht ab. Sie erfüllt aber sehr gut den Zweck, einen plötzlichen Druckabfall zu verhindern.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Druckgrenze - Pressure-Boundary von der Cavity-Seite aus gesehen: Am unteren Bildrand ist das Fail-Safe-Seal (schwarz-weiß) zu sehen, darüber befindet sich die Flugzeug-Backstop-Structure, und den obersten Ring bildet das Flugzeug-Druckschott.

Was hat dies alles mit Hundeknochen zu tun? Nun, wenn man sich die einzelnen Segmente auf der Zeichnung anschaut, dann sehen diese Segmente wie Hundeknochen aus. Deshalb hat der Konstrukteur dieser Dichtung die Einzel-Segmente (inoffiziell) auch so benannt.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
In der Bildmitte sind die schwarz-weißen ausgebauten Hundeknochen zu erkennen.

 

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Über den Autor

Heinz Hammes hat Sicherheitstechnik studiert und arbeitet seit mehr als 25 Jahren im DLR Raumfahrtmanagement. Seit 1998 arbeitet er hauptsächlich für das SOFIA-Projekt und leitete die mechanische Integration des Teleskops in das Flugzeug in den USA. zur Autorenseite