Raumfahrt | 10. Februar 2016 | von Jean-Pierre Paul de Vera

Besuch der Gondwana-Station, letzte Untersuchungen und wehmütiger Abschied - Teil 9

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Eisfall während des Fluges zur Mario Zucchelli Station

Ein noch unbekanntes Terrain war für uns (d.h. für Ernst und Nicole, weniger für mich) die von der italienischen Mario Zucchelli Station aus sichtbare deutsche Gondwana-Station und ihre Umgebung am anderen Ende der Terra Nova-Bucht. Die Station steht in der Sichtachse der italienischen Station aus vor der beeindruckenden Silhouette des 2732 Meter hohen Vulkans Mount Melbourne, genau auf einem Felsensporn, der ins Meer ragt und sich in unmittelbarer Nähe zu den imposanten Ausläufern des Campbell-Gletschers befindet. Sie wurde vor mehr als 30 Jahren von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) als Basis für Expeditionen gebaut.

Der Grund, warum wir bei dieser Expedition nicht von Gondwana aus operieren konnten, sind die umfangreichen Bauarbeiten, die für die Modernisierung der Station durchgeführt werden. Damit waren wir auch zum größten Teil von der Logistik der Stationsleitung von Mario Zucchelli abhängig. Aufgrund des Wetters und der vorgerückten Zeit waren für uns die Arbeiten in der Küstenregion auf das Nötigste begrenzt worden. Es stand uns somit noch ein Flug bevor, den wir für den Besuch auf Gondwana eingeplant hatten.##markend##

Beeindruckender Flug über Victorialand

Als es soweit war und unser Pilot Matthew mitteilte, dass wir in wenigen Minuten starten würden, packten wir schnell unsere Instrumente wieder zusammen und brachten sie zum Helikopter. Kurze Zeit später hoben wir vom Boden ab und flogen nach einer kleinen Drehung über der Station in das Hinterland der Bucht nach Gondwana. Dieser leichte Umweg war notwendig, da beim direkten Flug über die offene Wasserfläche der Bucht sonst die Aufwinde an den steilen Felsklippen an der Küste zu einigen Turbulenzen geführt hätten. Bei dem Flug konnte man wieder einen fantastischen Blick auf das Landesinnere gewinnen. So erstreckte sich seitlich von uns die mächtige, zum Teil über 3000 Meter hohe Eisenhower-Range, ein Gebirgszug, der mit seinem langgezogenen Gipfelplateau das hintere Umland dominiert. An seinen Hängen glänzte das Eis in der Sonne.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Beim Flug des GANOVEX 11-Expeditionsteams vom Oates-Land über das Victorialand zur Gondwana-Station wird einmal mehr deutlich, warum der Begriff "Eiswüste" für die Antarktis mehr als angebracht ist. Einzelne, bis zu 3000 Meter hohe Bergspitzen ragen aus dem südpolaren Eispanzer hervor.

Wir flogen weiter über ausgedehnte Gletscherpassagen und sahen unter uns die Landepiste für die DC-3-Maschinen auf dem Browning-Pass, bis wir vor uns wieder das Meer und rund um den Felsensporn die beiden Stationen Jang Bogo und Gondwana erkennen konnten. Jang Bogo ist eine sehr neue, moderne Station Südkores, die erst vor wenigen Jahren fertig gestellt wurde und die vor sechs Jahren, als ich bei der GANOVEX 10-Expedition in diesem Gebiet das erste Mal arbeitete, noch gar nicht existierte. Sie leuchtete blau in der Sonne, während unweit auf der anderen Seite des Moränenrückens, der die beiden Gebiete der Stationen trennte, die Gondwana-Station in Bordeauxrot erschien.

Wir landeten auf einem flachen Landstück unweit der Moräne. Mir war dieses Gebiet von der letzten Expedition bestens vertraut und ich wusste, dass wir hier eine Vielzahl an Flechtenarten, Pilzen, Cyanobakterien, Algen und sogar Moosen finden würden, die für unsere heutige Aufgabe unser Arbeitsziel sein würden. Als wir aus dem Helikopter ausgestiegen waren und die Instrumente ausgeladen hatten, flog unser Pilot wieder zur Mario Zucchelli-Station zurück, um zwei weitere Kollegen dort abzuholen, die ebenfalls unweit der Gondwana-Station ihre geologischen Arbeiten vervollständigen wollten und außerdem auch neugierig waren, wie die Bauarbeiten in der Gondwana-Station voranschreiten würden.

Modernisierung der deutschen Gondwana-Station als Antarktis Stützpunkt

Wir stellten unterdessen die verschiedenen Instrumente zusammen, nachdem ich kurz gecheckt hatte, ob wir ausreichend Probenmaterial im Umfeld untersuchen könnten. Dann begaben wir uns vom Moränenrücken hinunter zur deutschen Station, wo uns Chris erwartete, der Chef-Logistiker der Stationsmodernisierung und von GANOVEX 11. Nachdem unsere beiden Kollegen ebenfalls gelandet waren und sich zu uns gesellt hatten, führte er uns daraufhin durch die Station und die Baustelle. Die Modernisierungsarbeiten waren schon gut vorangeschritten und wir konnten sehen, dass neben einem Generatorenhaus mit angegliederter Entsalzungsanlage auch die Installation der sanitären Anlagen wie Toiletten, Duschen und Waschraum bereits weit fortgeschritten waren. Außerdem waren an der Außenwand neu installierte Solarpaneele sichtbar, die unter anderem für eine moderne Belüftungsanlage genutzt werden konnten. Eine Sauna war auch in Vorbereitung.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Gepackte Feldutensilien

Nach kurzer Führung und einem kleinem Willkommenstee sowie einem kurzen Wiedersehen mit unseren alten Bekannten vom Bautrupp verließen wir Gondwana wieder und begaben uns zu unserem ausgesuchten Standort. Wir bereiteten die Stereo- und HRC-Kamera vor und stellten sie auf das Stativ unmittelbar an eine Stelle, an der viele Felsen von Flechten bewachsen waren. Im Gegensatz zum antarktischen Hinterland war die Besiedlung hier an der Küste sehr üppig. Das lag nicht nur an der höheren Luftfeuchtigkeit in Ozeannähe, sondern auch am Stickstoffeintrag durch Exkremente von Seevögeln, Pinguinen und Robben.

Wie können wir mit unseren Instrumenten Leben auf dem Mars entdecken?

Aber auch hier stellten wir fest, dass wieder mehr die nordöstliche Seite des Gesteins besiedelt wurde. Die südliche, stark dem Südwind ausgesetzte Seite, war nicht oder nur sehr gering besiedelt. Die deutlich erkennbare Vegetation auf dem Gestein war ein deutlicher Unterschied zu den einzelnen, mikroskopisch kleinen Organismen auf den Gesteinen im kontinentalen Inland. Für Nicoles ExoMars-Roverkamerasystem  stellte dies nun einen interessanten Vergleich dar. Diese verhältnismäßig üppige antarktische Besiedlung ist natürlich mit einem derartigen "Fernerkundungs"-System wesentlich einfacher zu detektieren als die Einzelorganismen. Falls auf dem Mars Spuren von Leben entdeckt werden sollten, werden das sehr viel wahrscheinlicher mikroskopisch kleine Spuren sein.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Flechten-Vegetation Buelia frigida auf Gondwana

Um den Unterschied aufzuzeigen, nahmen wir auch diese Organismen auf dem Gestein mit dem Roverkamerasystem auf. Bei näherer Betrachtung des Gesteins fiel auf, dass an einigen Stellen dunkles und poröses vulkanisches Auswurfgestein junger Eruptionsphasen durch Flechten besiedelt wurde. Somit fanden wir hier in Küstennähe, wo eigentlich Granit, also ein magmatisches Tiefengestein dominiert, auch zusätzliche Mars-analoge Gesteine vulkanischer Herkunft. Wir sammelten Proben ein, die wir später im DLR spektroskopisch untersuchen werden - auch um festzustellen, wie zuverlässig wir diese Spuren spektroskopisch identifizieren können. Auf dem Mars ist die Kombination von visueller Information (Kamerabilder mit verschiedener Auflösung) und Spektroskopie die Methode, mit der wir werden arbeiten müssen. Das heißt, wir müssen lernen, neben dem Kameraauge auch mit Hilfe von spektroskopischen Untersuchungen zwischen Mineralen und organischem Material oder Organismen unterscheiden zu können. Erst dann kann man auch sicher gehen, dass dieses System auch auf dem Mars erfolgreich bei der Suche nach Leben operieren kann.

Feldarbeit "im Visier der Raubmöwe Skua"

Nachdem wir bei zunehmenden Wind und zunehmender Kälte mehrere Stunden an dem Standort gearbeitet hatten und immer wieder von den sehr neugierigen Raubmöwen, den Skuas, beäugt wurden, war auch wieder unsere mit dem Piloten vereinbarte Abreisezeit gekommen. Wir packten unsere Instrumente wieder in den Helikopter und waren diesmal voll besetzt, da unsere beiden Kollegen vom BGR und der Universität Melbourne ebenfalls mitflogen.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Ein Skua, eine große Raubmöwe aus der Familie der Stercorariidae beobachtet scheinbar vollkommen emotionslos das experimentelle Treiben der DLR-Wissenschaftler an ihrem letzten Versuchspunkt. Auf granitenem Fels dürfte sich die Hoffnung auf das Abfallen von Fisch, dem Hauptnahrungsmittel der Skuas, allenfalls auf Überbleibsel in einer Sardinenbüchse beschränken…

Die vollbeladene Maschine hob ohne Probleme ab und unser letzter gemeinsamer Helikopterflug für diese Saison begann. Wir flogen wieder über das Hinterland, um die Turbulenzen der Küste zu umgehen und konnten beim Rückflug in der Ferne den Reeves-Gletscher erkennen, wo ein weiteres angrenzendes Gebiet mit dem Namen Tarn Flat, welches wir uns bei der Anreise in die Antarktis für unsere Untersuchungen ausgesucht hatten, zu erkennen war. Leider war es aufgrund der dieses Jahr sehr unbeständigen Wetterlage nicht mehr möglich, dieses sowie auch andere interessante Gebiete, die in unserer Planung vorgesehen waren, aufzusuchen und ebenfalls zu bearbeiten.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Ohne Helikopter wären die Feldarbeiten in den entlegenen Gebieten im Inneren von Victorialand nicht möglich gewesen. Zum Abschluss der GANOVEX 11-Expedition ging es für die DLR-Wissenschaftler von ihrem Camp zum Gletscher, auf dem das Flugzeug für die Rückkehr zur Mario Zucchelli-Station abfliegt.

Material für die Laborarbeit und Auswertung in Hülle und Fülle

Aber wir können trotzdem zufrieden sein mit dem, was wir in den letzten Wochen geschafft hatten. Es gibt genügend Material, was auszuwerten und zu publizieren ist. Das wurde uns auch nach der Landung in Mario Zucchelli noch einmal sehr bewusst. Als wir dann am nächsten Tag im Gelände rund um die Station vieles bewunderten, wie z.B. die bizarren Granitformationen, die vom Wind an uns vorbeizischenden Schneewehen oder die fantastische hintere kleine Tethys-Bucht mit den Gletscherzungen, die das Meer berührten, und dem am Ende der Bucht sichtbaren Mount Melbourne, oder auch die in der Bucht liegenden Robben und Pinguine, milderte dieses eindrucksvolle Szenario den Abschiedsschmerz. Wer weiß, vielleicht gibt es noch einmal in Zukunft die Gelegenheit die Gebiete aufzusuchen, die wir dieses Mal nicht bearbeiten konnten.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die italienische Mario Zucchelli-Station auf einer eisfreien Landzunge in Victorialand war das „Basislager“ der drei DLR-Wissenschaftler während ihres etwa sechswöchigen Aufenthalts in der Antarktis.
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Über den Autor

Jean-Pierre Paul de Vera ist seit 2009 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Planetenforschung tätig. Sein Hauptaufgabengebiet besteht in der Gruppenleitung der Astrobiologischen Labore "Planeten- und Marssimulation" sowie "Raman-Biosignaturen-Forschung“. Zudem gehören zu seinen Arbeitsfeldern auch die Planeten-analogen Feldstudien in Polarregionen und Wüstengebieten sowie die Leitung von ESA-Weltraumexperimenten wie zum Beispiel BIOMEX auf der ISS. zur Autorenseite