Raumfahrt | 27. April 2017 | von Ulrich Köhler

Eine Feuerkugel am Abendhimmel

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Quelle: Alina Boeder
Alina Boeder hat am Dienstagabend möglicherweise einen Feuerball über Salzwedel fotografiert. Dass es eine Feuerkugel gab, wurde durch mehrere Meldungen bestätigt.

Das kann kein Zufall sein: Pünktlich zum 90. Geburtstag des Asterix-Zeichners Alberto Uderzo am 25. April wäre uns doch beinahe "der Himmel auf den Kopf gefallen" - also das passiert, wovor sich die Gallier mehr gefürchtet haben, als vor den ganzen Kohorten römischer Legionäre. Über Norddeutschland leuchtete ein bis zwei Sekunden lang ein heller Lichtstrahl auf: Er rührte von einer sogenannten Feuerkugel her, einem Meteor. Ein Objekt war in die Erdatmosphäre eingedrungen und verglühte dort. Auch, wenn viele Augenzeugen davon überzeugt waren, dass in unmittelbarer Nähe ein Meteorit eingeschlagen sein müsste: Das ist sehr unwahrscheinlich.##markend##

Auch beim DLR sind mehrere Hinweise zu einer Sichtung am Dienstagabend, 25. April, eingegangen, und die Medien nahmen sich des seltenen Himmelsschauspiels an: unter anderem in einem Beitrag in der Elbe-Jeetzel-Zeitung samt toller Aufnahme von Leserin Alina Boeder. Am Dienstagabend herrschten über Norddeutschland gute Sichtbedingungen, auch die Uhrzeit - kurz nach Sonnenuntergang um 21.01 Uhr MESZ - war für Beobachtungen günstig, denn die Menschen waren zum Teil noch draußen unterwegs und auch zu Hause noch wach. Deshalb wurde die Beobachtung von ein und demselben Meteor gewiss von Vielen geteilt, zumal das Phänomen in einem Umkreis von etwa 200 bis 500 Kilometern beobachtet werden konnte.

Im Forum "meteoros" wird das Thema inzwischen behandelt, wie auch bei der "International Meteor Organization" sogar mit einer Karte der Beobachtungsorte.

Quelle: IMO
Die Internationale Meteoriten Organisation IMO veröffentlichte eine Karte, auf der Sichtungen vom Ereignis veröffentlicht wurden.

Von Meteoriden und Meteoriten

Das vom DLR betriebene Feuerkugelnetzwerk hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht gearbeitet, da es sich erst bei sogenannter Astronomischer Dämmerung, also bei "richtiger" Nacht, einschaltet, da sonst die Aufnahmen überbelichtet wären. Vom Ereignis am Dienstag wird es also leider keine Aufzeichnungen und folglich auch keine Rückberechnungen der Flugbahn und eines möglichen Fall-Ortes geben. Das wäre nur dann möglich, wenn die Feuerkugel von mindestens zwei, besser drei oder noch mehr Stationen unter verschiedenen Winkeln aufgenommen wird, und sich dann trigonometrisch berechnen lässt, woher das Objekt kam, in welchem Winkel es in die Atmosphäre eingedrungen ist, und in welcher Höhe es entweder verglüht ist oder - bei größeren Objekten - so stark abgebremst wurde, dass der Luftkanal nicht mehr glüht. Schon ein reiskorngroßes Objekt erzeugt eine Feuerkugel! Was wir als Sternschnuppen bezeichnen, sind meist nur staubkorngroße Objekte. Täglich dringen zwischen fünf und 300 Tonnen extraterrestrisches Material in die Erdatmosphäre ein (eine genauere Abschätzung ist extrem schwierig). Fast alles davon verglüht und kommt nicht am Boden an.

Aus den uns im Moment vorliegenden Augenzeugenberichten lässt sich schließen, dass es sich durchaus um einen Boliden, also eine große, auffallende, ein bis zwei Sekunden leuchtende Feuerkugel gehandelt hat. In den allermeisten Fällen sind diese Meteoriden (mit weichem 'd') kosmisches Material, also Gesteinsbruchstücke (oder ein Stein-Eisenbruchstück - in seltenen Fällen auch reine Eisenbrocken) aus dem Asteroidengürtel, die mit hoher Geschwindigkeit von mehreren zehntausend und bis zu zweihunderttausend Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre eindringen. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit wird so viel Reibungsenergie an den Luftmolekülen erzeugt, dass diese ionisiert werden und die ihn umgebende und vor ihm "hergeschobene" Luft zum Leuchten angeregt wird - das ist das, was man sieht und was in Norddeutschland und bis nach Holland hinein auch beobachtet wurde.

Was bisher fehlt, sind Meldungen von akustischen Signalen, also in der Regel ein lauter markanter Knall, der vom Zerplatzen des Boliden kündet, und glaubwürdige Hinweise auf einen möglichen "Fall", wie das die Fachleute nennen, wenn also Bruchstücke auf der Erde als Meteoriten (mit hartem 't') ankommen. Bei den Meteoriten ist es wegen der physikalischen Eigenschaften des Materials mit der Häufigkeit genau andersherum: am häufigsten sind Eisenmeteorite, gefolgt von Stein-Eisenmeteoriten und Steinmeteoriten. Dass es sich bei dieser Feuerkugel um Weltraumschott handeln könnte, ist auch möglich: Aber wir halten es für sehr viel weniger wahrscheinlich, auch, weil als typisches Beobachtungsmerkmal ein Zerbersten der "Teile" und Aufsplittern der Feuerkugel in mehrere Leuchtkörper fehlt.

Sichtbares in der Hochatmosphäre

Viele Beobachter täuschen sich, wie nahe das Ereignis wirklich stattfindet: Oft glaubt man, dass der Meteor quasi hinter dem nächsten Kirchturm niedergeht, das ist aber eine optische Täuschung: Die Atmosphäre der Erde reicht, etwas vereinfacht, bis in 100 Kilometer Höhe. Der kosmische Eindringling leuchtet bereits in der Hochatmosphäre ab 90 Kilometer Höhe und ist bis etwa 20 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche entweder komplett verdampft (und man sieht nichts mehr), oder so stark abgebremst, dass der Fall des verbliebenen materiellen Rests ballistisch und unspektakulär, ohne gesehen werden zu können, stattfindet. Auf der Erde kommen die Meteoriten mit einhundert, zweihundert Kilometern pro Stunde an - das ist für den Gallier, der ständig befürchtet, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt, eine sicherlich unangenehme Bestätigung seiner schlimmsten Ängste. Aber es wurde noch nie dokumentiert, dass es einmal wirklich passiert wäre - die meisten Meteoriten plumpsen unbemerkt auf den Boden (oder in die Weltmeere). Angeblich soll 1972 in Venezuela eine Kuh von einem Steinmeteoriten getroffen worden sein (der Meteoritenfall von Valera) - das hat jedenfalls der Besitzer der Kuh amtlich und notariell beglaubigt zu Protokoll gegeben. Die Kuh konnte hierzu leider keine Auskunft mehr geben - sie war tot und möglicherweise das zweite Opfer eines kosmischen Ereignisses im 20. Jahrhundert: Das erste war vermutlich ein sibirischer Pelztierjäger, der beim viel größeren Tunguska-Ereignis 1908 ums Leben kam, als ein 90 Meter großer Asteroid eine Fläche so groß wie das Saarland verwüstete.

Ob bei der Feuerkugel in Norddeutschland allerdings etwas auf dem Boden angekommen ist, lässt sich im Moment und vermutlich auch künftig nicht feststellen. Übrigens: Mit seinem Feuerkugelnetz zeichnete das DLR vor 15 Jahren den Fall des "Neuschwanstein-Meteoriten" auf. Der Fall-Ort konnte auf zwei Kilometer eingegrenzt und bis heute drei schöne große Meteorite gefunden werden: Einer befindet sich im Rieskratermuseum in Nördlingen, der andere in der Bayerischen Mineralogischen Staatssammlung in München.

 

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Über den Autor

Ulrich Köhler ist Planetengeologe am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Dort gehört er - kaum, dass er über 30 Jahre beim DLR ist - mittlerweile auch schon zum "spätmittelalterlichen" Eisen und kann mit Begriffen wie Apollo, Viking oder Voyager im Gegensatz zu manchem Masterstudenten noch etwas anfangen. zur Autorenseite