Raumfahrt | 07. November 2014 | von Tom Uhlig

Umzug auf "Außerirdisch"...

Letzte Crew Conference mit Alexander Gerst

Die letzten Tage im Weltall für Alex sind angebrochen - und sie halten noch einige Höhepunkte für ihn bereit: Seit gestern sitzt sein "Astronauten-Klassenkamerad" Luca Parmitano an der CAPCOM-Konsole in Houston. Er ist dort zwar noch in der Ausbildung, darf aber unter Anleitung schon mit seinem Kollegen auf der Internationalen Raumstation ISS sprechen. Und so kommt es auf den sonst sehr formell gehandhabten "Space-to-Ground"-Funkkanälen immer wieder zu kleinen verbalen Schlagabtauschen zwischen den beiden, die seit ihrer Auswahl für das europäische Astronautenkorps gemeinsam für ihren Einsatz auf der ISS trainiert haben.##markend##

Ein zweiter Höhepunkt war für Alex heute sicher seine letzte "Crew Conference" mit uns hier unten. Üblicherweise haben wir einmal pro Woche eine zwanglose Konferenz mit ihm - aber diesmal war das ganze Team zugegen: ein schöner Moment für uns alle, der nochmal sehr anschaulich gezeigt hat, dass "Blue Dot" die Geschichte einer erfolgreichen Zusammenarbeit vieler hochmotivierter Experten in der ganzen Welt war. Die moderne Technik hat es außerdem möglich gemacht, dass Alex für das gesamte Team von der ISS aus Essen bestellt hat - ein sehr ungewöhnlicher Auftrag für den Pizzaservice, falls sie die Situation überhaupt durchschaut haben. Leider können wir uns im Moment hierfür nicht in ähnlicher Form revanchieren, sicher eine Marktlücke...

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die letzte "Crew Conference" mit  Alex.

Vor seinem "Umzug" zurück auf die Erde gibt es für Alex noch einiges im Orbit zu tun: Beinahe bis zur letzten Minute seines ISS-Aufenthalts wird er wissenschaftlich tätig sein, und zwischendurch wird er seine Landung vorbereiten. Nachdem unsere russischen Kollegen heute früh bereits die Sojus-Motoren noch einmal ausführlich getestet haben, wird Alex heute Nachmittag hochauflösende Fotos des Raumschiffs mache. Die Bodenteams können dann anhand der Bilder die Lage beurteilen und mögliche Probleme frühzeitig identifizieren. Beim "Kofferpacken" bekommt Alex Hilfe von uns Bodenteams: Die Logistikexperten haben bereits Vorschläge zusammengestellt, welche Gegenstände er zum Herunterbringen oder für den Müll verstauen oder was er für den Abschiedstag selbst bereithalten sollte. Schließlich muss man als Astronaut die Abreise viel besser vorbereiten als jemand auf der Erde: Vergessenes später noch abzuholen fällt weg, Nachschicken ist sehr schwierig und kompliziert, die Reise selbst ist alles andere als eine Urlaubsheimfahrt und verlangt sehr durchdachtes Packen der eventuell im Sojus-Raumschiff benötigten Gegenstände.

Morgen wird Alex dann seinen letzten Amateurfunkkontakt mit unserem DLR_School_Lab in Dresden absolvieren: Zum letzten Mal haben Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, mittels eines handelsüblichen Funkgeräts mit dem Deutschen an Bord zu sprechen. Dann gibt es noch einmal eine Schaltung mit seinem Flugarzt, um sicherzustellen, dass Alexander auch medizinisch in entsprechender Form für den "Ritt zur Erde" ist. Am Samstagabend wird dann in der "Change of Command Ceremony" endgültig das Schicksal der Raumstation in die Hände des zukünftigen ISS Commanders Butch Wilmore übergeben - der bisherige Chef Maxim Surajew wird sich ab dann darauf konzentrieren, Alex mit dem Sojus-Raumschiff nach Hause zu bringen.

Sonntags wird die Crew dann etwas länger schlafen, um ihren Tagesablauf an den Abflugzeitpunkt des Sojus-Raumschiffs anzupassen – und ein letztes Mal werden wir in der morgendlichen Planungskonferenz mit Alex reden können und ihm einen "guten Flug" wünschen. Ab 22:10 Uhr werden Maxim, Alex und Reid Wiseman dann ihre Plätze in der "39S" einnehmen, um dann am frühen Montagmorgen (01:30 Uhr) von der Station "abzulegen". Etwa dreieinhalb Stunden später wird diese dann in der kasachischen Steppe aufschlagen. Von dort aus geht es dann zurück in die Heimat - auf beinahe direktem Weg nach Köln, den Karnevalanfang wird er wohl trotzdem knapp verpassen.

Wird Alex seine "Heimat auf Zeit" jemals wiedersehen? Sicher bewegen ihn ähnliche Gedanken. Sicher hat er aber auch für seine "europäische Nachfolgerin" eine Nachricht auf der Raumstation hinterlassen: Samantha Cristoforetti steht praktisch schon in den Startlöchern - noch im November geht es für sie los!

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite