Energie | 05. Januar 2014 | von Jan Oliver Löfken

Lastmanagement für ein stabileres Stromnetz

Die Nachtspeicherheizung ist ein Relikt aus den 1960er Jahren und musste aus Gründen der Effizienz zu Recht den sparsameren Zentralheizungen weichen. Dennoch könnte die Idee, Strom zu - damals nächtlichen - Zeiten der Überproduktion abzunehmen, in Zeiten der Energiewende eine Renaissance erfahren. Lastmanagement nennt sich die Methode, den Bedarf der Stromverbraucher an die Erzeugung anzupassen. Und gerade mit einem wachsenden Anteil an Strom aus fluktuierend arbeitenden Kraftwerken wie Wind- und Solaranlagen drängen sich die Vorteile regelbarer Verbraucher für ein intelligentes Stromnetz auf.


Beitrag der Industrie könnte viele Großkraftwerke einsparen helfen und wird noch längst nicht ausgeschöpft

"Allein die Industrie in Deutschland bietet ein Lastmanagement-Potenzial von drei bis vier Gigawatt Leistung", sagt Hans-Christian Gils vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart. Grundlage dafür ist die kurzfristige Reduktion des Stromverbrauchs für mindestens eine Stunde. Das bedeutet im Idealfall, dass etwa sechs große Kohlekraftwerke oder weit über 1.000 Windräder weniger gebaut werden müssten, um die gleiche Versorgungssicherheit zu erhalten wie ohne ein intelligentes Lastmanagement. Dieses Potenzial ist ein Ergebnis ausgeklügelter Analysen des deutschen Stromversorgungssystems, die Gils zusammen mit seinen Kollegen erarbeitet.

In der Praxis würde die Effizienz der Industrieunternehmen nicht leiden, auch zusätzliche Investitionen etwa in Stromspeicher wären dazu nicht nötig. So könnte ein Stahlwerk die Heizphase von Hochöfen etwa um zwei Stunden verschieben, gut isolierte Kühlhäuser könnten für 30 Minuten ohne jedes Risiko die Kühlaggregate oder Geflügelfarmen einige Wärmelampen für kurze Zeit abschalten. Das Ergebnis: Stromerzeugung und Stromverbrauch ließen sich durch eine flexible Steuerung besser in der Waage halten.

Untermauert wird die Abschätzung von Gils durch eine Lastmanagement-Studie, die das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft im Auftrag von Agora Energiewende jüngst durchführten. Bei einer Befragung von 300 Unternehmen in Bayern und Baden-Württemberg ergab sich, dass allein in diesen beiden Bundesländern eine Lastmanagement-Leistung von bis zu 1,2 Gigawatt erreicht werden kann. Dafür müsste die süddeutsche Industrie ihre Prozesse so flexibel gestalten, um die Stromabnahme um 30 bis 120 Minuten verschieben zu können. Phasen mit Spitzenlast, die heute relativ kostspielig von schnell regelbaren Gaskraftwerken gedeckt wird, ließen sich so zumindest teilweise vermeiden. Ausgeschöpft wird dieses Potenzial laut Gils bei weitem noch nicht. Es fehle an Anreizen für energieintensive Unternehmen.

Lastmanagement für die Befreiung der Ökostrom-Umlage?

Allerdings drängt sich bei dieser Situationsbeschreibung eine Idee auf. Aktuell will die EU-Kommission in Brüssel die Befreiung genau dieser energieintensiven Unternehmen von der Ökostrom-Umlage nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) überprüfen. Sollte es sich um eine unerlaubte Subventionierung handeln, drohen den Unternehmen empfindliche Nachzahlungen. Ließe sich dieser Subventionsverdacht nicht entkräften, wenn die Unternehmen im Gegenzug für billigen Strom eine Leistung in Form eines Lastmanagement erbrächten? Unternehmern könnte ein Angebot unterbreitet werden: Wenn jemand Strom ohne EEG-Umlage beziehen möchte, dann muss er einen Teil seines Strombedarfs flexibel vom Netzbetreiber regeln lassen. Auch Privathaushalten, die immer die EEG-Umlage zahlen müssen, könnte so die Befreiung von Industrie-Unternehmen besser vermittelt werden.

 

Bild: Industrieanlage, Quelle: Clipdealer

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Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite