Sicherheit | 09. September 2016 | von Manuela Braun

Ein Teppich aus Popcorn - EMSec Teil 4

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Ein Peilsender übermittelt die Position des Popcornteppichs

Der Morgen fängt mit Verladearbeiten an. Zig Hände packen an, um 70 Kartons ungesalzenes und ungezuckertes Popcorn auf die "Bayreuth" zu laden. Kaum ist die eine Kiste aus dem Lkw, stehen schon wieder zwei Helfer an der Laderampe. 50 Kubikmeter Popcorn rutschen über ein Holzbrett aufs Deck der "Bayreuth" und werden dort von den nächsten Helfern im Empfang genommen. Heute wird das Popcorn zu einem Gefahrstoff, der sich wie ein Teppich über der Nordsee ausbreiten soll. Das Boot der Bundespolizei See verschwindet fast unter den vielen gestapelten Kartons, als es am Lentzkai in Cuxhaven ablegt.

Ziel des vierten Teils des Projekts EMSec: Zwischen Helgoland und Büsum, dort wo weit und breit keine Inseln sind, soll das Popcorn ins Wasser - und das möglichst schnell. Um kurz nach 12 Uhr wird Satellit Worldview 2 aus dem All auf das Boot und seine "Verschmutzung" blicken. Später, ab 13 Uhr, folgen hochaufgelöste Aufnahmen mit den optischen Satelliten RapidEye 3 und 4. Kurz vor 12 Uhr wird es auf dem Boot deshalb hektisch. Die großen Kartons werden schon mal aufgeschnitten und umgestapelt. Das Popcorn soll schließlich nicht portionsweise ins Wasser geschüttet werden, sondern möglichst in einer Masse auf den Wellen treiben.##markend##

Fließbandarbeit für die Verschmutzung

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Auf dem Deck der "Bayreuth" ist bei 50 Kubikmetern Popcorn kaum noch Platz für die Besatzung

Kommandant Hans-Joachim Paulsen stellt die Motoren aus - und an Deck beginnt ein eingespieltes Ballett: Die einen öffnen Kisten, die anderen schütten im Akkord das gelbliche Popcorn in die Nordsee. Leere Verpackungen werden nach hinten gereicht, von weiteren Helfern auseinandergenommen und zusammengepackt. Langsam, aber sicher bildet sich um die "Bayreuth" ein Teppich aus großen Popcornstückchen. Schließlich geht noch eine kleine Boje mit einem Sender über Bord. Sie soll mit dem hüpfenden Popcorn driften und dem Lagezentrum die Koordinaten schicken.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Kiste für Kiste schüttet die Besatzung das Popcorn in die Nordsee

Nach 20 Minuten ist der Spuk vorbei. Einzelne Popcornkrümel wehen über das Schiffsdeck. Ein wenig sieht es aus wie nach einem Kindergeburtstag. Mittendrin: Polizisten, Wissenschaftler und Ingenieure, die sich den Schweiß von der Stirn wischen. Für das Team an Bord ist die Arbeit jetzt getan. Die "Bayreuth" liegt ruhig in der flachen See und driftet in Sichtweite der "Verschmutzung", die es über Bord geworfen hat.

Dem Gefahrenstoff auf der Spur

Im Lagezentrum beginnt jetzt die Arbeit. Mit Hilfe von Satelliten und optischen Kamerasystemen an den Kleinflugzeugen soll der Gefahrstoff, der in diesem Fall vom Popcorn simuliert wird, detektiert werden. Vom Lagetisch aus, der alle Informationen gebündelt darstellt, wird das Szenario dirigiert: Satellitenaufnahmen werden eingeholt, zwei Flugzeuge - die Diamond und die Do 228 - werden in die Luft beordert. Möglichst in Echtzeit sollen die Daten eintreffen und dem Operator an der Konsole ein komplettes Lagebild bieten. Der könnte dann die entsprechenden Behörden mit Informationen auf den aktuellen Stand bringen, damit Gegenmaßnahmen zügig und zielgerichtet durchgeführt werden können.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Unwirklicher Anblick: ein Popconteppich als "ungefährliches Gefahrgut" so weit das Auge reicht

Währenddessen zieht sich das Popcorn auf dem Wasser zu einer eleganten Kurve auseinander. Möwen haben sich neben dem hellen, künstlichen Teppich aus kleinen Popcorn-Stückchen niedergelassen. Aber anscheinend sind Seemöwen Gourmets und haben Popcorn nicht auf ihrem Speiseplan stehen. Mehr und mehr saugen sich die Körner mit Wasser voll. Allzu lange werden sie nicht mehr einzeln auf den Wellen wippen, sondern sich in eine weiche, sich auflösende Masse verwandeln.

Erste-Klasse-Sicht auf Schiff und Gefahrenstoff

Die Do 228 hat das Einsatzgebiet erreicht. Der Blick ihrer MACS-Kamera fällt aus 1500 Metern Höhe exakt auf Übeltäter und Gefahrstoff - oder in der Realität vielmehr auf die "Bayreuth" der Bundespolizei See und den ungefährlichen Popcorn-Strom. Auch die Diamond überfliegt die Stelle, an der die "Bayreuth" friedlich die Mittagspause verbringt. Für beide Flieger hatte der Operator am Lagetisch ein Gebiet ausgewählt, in dem sowohl die automatisch fliegende Do 228 als auch die Diamond ihren Suchkurs durchführen sollten. Hätte die "Bayreuth" tatsächlich einen Gefahrstoff ins Wasser geschüttet oder bei einer Havarie beispielsweise Öl verloren, wäre jetzt klar, welches Schiff die Ursache für die Verschmutzung ist - und auch, wohin diese Verschmutzung nun in der Deutschen Bucht treibt.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Aus 1500 Metern Höhe sind der "Gefahrgutteppich" und die "Bayreuth" gut sichtbar

Weitere Bilder des Projektes EMSec gibt es auf Flickr.

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Über den Autor

Manuela Braun macht seit 2010 Öffentlichkeitsarbeit für das DLR – und hat sich auf die Raumfahrtthemen spezialisiert. Als ausgebildete Journalistin in Print und Online ist sie am liebsten dort vor Ort, wo Raumfahrt zum Greifen nah ist. zur Autorenseite