Sicherheit | 08. September 2016 | von Manuela Braun

Suchaktion für eine entführte Fähre - EMSec Teil 2

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Im Lagezentrum werten DLR-Wissenschaftler Daten aus dem All, der Luft und von Land aus

Am Montagabend hätte die Crew der entführten Passagierfähre schon noch etwas warten müssen, bis im eingerichteten Lagezentrum des DLR ihre brenzlige Situation klar ist. Die optischen Kameradaten der Do 228 laufen zwar bei den Wissenschaftlern ein, aber auf dem Lagetisch des EMSec-Projekts ist Datenstau.

Das System soll eigentlich alle Informationen aus dem All, der Luft und von Land bündeln und auf einer Konsole nahezu in Echtzeit ein umfassendes maritimes Lagebild zeigen. Stattdessen kommen die Bilder langsam, in kleinen Häppchen sozusagen. Im Lagezentrum rotieren die Wissenschaftler und Ingenieure. Was klar ist: Die "Bayreuth" der Bundespolizei See simuliert eine Fähre - und die ist nicht nur von ihrer Route abgewichen, sondern hat auch das AIS-Signal ausgeschaltet und meldet so nicht mehr ihre Position.##markend##

Es hakt im System

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die mobile Bodenstation des DLR in Cuxhaven

Die Datenmenge überlastet das System, das für die Demonstration des EMSec-Projekts aufgebaut wurde, und zwingt es phasenweise in die Knie. "In dem Fall haben wir einfach zu lange benötigt, um alle Informationen richtig aufzubereiten und miteinander zu verknüpfen", sagt Projektleiter Stephan Brusch. Dabei haben die beteiligten Partner alle das Ziel, dass die Daten möglichst schnell für ein Team in einem Lagezentrum zur Verfügung stehen sollten. Nach einer Stunde ist das entführte Schiff gefunden. Gut für die Wissenschaftler, die sehen, dass ihre Daten dabei helfen. Schlecht für Passagiere und Crew eines Schiffes, die nun schon seit einer Stunde mit Entführern unterwegs sind. Auch die Mobile Bodenstation, die den Kontakt zum Forschungsflieger Do 228 hält, hat Schwierigkeiten: Der Funkkontakt zum Flieger reißt immer wieder für Sekunden ab. Mal ragt ein Haus in die Funkstrecke zum Flieger, mal ein Kirchturm. Allerdings würde bei einem realen Einsatzfall die Bodenstation mit ihrer Antenne auch nicht auf einem Parkplatz stehen, sondern optimal mit freier Sicht aufgebaut.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die Do 228 startet in Nordholz um die "Bayreuth" zu finden

Fehler machen klug - und EMSec ist ein Projekt, das an eben diesen Schräubchen dreht, bis Informationen in Echtzeit abrufbereit und kompakt sind. Der Fall 2 - die Entführung einer Fähre - wird noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt. Jedes Szenario soll schließlich erfolgreich bewältigt werden. Dienstagabend wird die "Bayreuth" wieder in die Deutsche Bucht fahren, die Route deutlich ändern und ihr AIS-Signal ausschalten.

Entführung, der zweite Versuch

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Das Kamerasystem der D-CODE sendet hochauflösende Luftaufnahmen unmittelbar an das Lagezentrum

Dienstagabend ist es dann wieder so weit: An der Konsole des aufgebauten Lagezentrums blinkt eine Meldung auf. Die "Bayreuth" ist wieder "entführt" worden - mit an Bord hat sie nicht nur Passagiere, sondern auch Entführer, die die Abschaltung der Schiffssignale gefordert haben. Auf dem Lagebild ist die "Bayreuth" jetzt unsichtbar. Die bestellte Aufnahme des kanadischen Satelliten Radarsat 2 für das Gebiet der letzten Sichtung ist 15 Minuten nach der Anforderung da und zeigt die Position des wahrscheinlich entführten Schiffes. Zwei Kleinflugzeuge, die Do 228 und die Diamond, starten. Wie bei einem Puzzle sollen Stück für Stück die erforderlichen Informationen eintreffen und das Lagebild vervollständigen. Das Entführungsgebiet haben die Wissenschaftler in der Deutschen Bucht zwischen Helgoland und Cuxhaven etwas südlich verlegt - damit hat auch die mobile Bodenstation für die Flugplanung und -führung eine bessere Chance, den notwendigen Kontakt zu ihrem Flieger zu halten und die berechnete Flugroute als Datenpaket zu schicken. Im Flieger nehmen gerade die Piloten ihre Hände vom Steuer und überlassen dem Autopiloten das Flugzeug. Notfalls könnten sie noch eingreifen, ansonsten soll die umgerüstete Do 228 des DLR wie ein unbemanntes Flugzeug seine Suchtrajektorien fliegen. Die Kamera, die unten am Flugzeugbauch nach unten blickt, wird ebenfalls vom Boden aus gesteuert.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Gesichtet: Die Luftaufnahmen der D-CODE zeigen die entführte "Bayreuth"

Nach dem Szenario steigt die Stimmung im Lagezentrum: Zum ersten Mal konnten im maritimen zivilen Sicherheitsbereich Daten aus der Luft, dem Weltraum und vom Land aus auf einem Lagetisch kombiniert werden. Das Schiff wurde mit dem Satelliten detektiert und mit luftgestützten Daten identifiziert. Und zwar so schnell, dass den Entführern die Zeit auf ihrem Schiff knapp geworden sein dürfte.

Weitere Bilder des Projektes EMSec gibt es auf Flickr.

 

TrackbackURL

Über den Autor

Manuela Braun macht seit 2010 Öffentlichkeitsarbeit für das DLR – und hat sich auf die Raumfahrtthemen spezialisiert. Als ausgebildete Journalistin in Print und Online ist sie am liebsten dort vor Ort, wo Raumfahrt zum Greifen nah ist. zur Autorenseite