Raumfahrt | 22. Juli 2010

Das erste 3D-Experiment

Es war eine schlaflose Nacht, die kaum eine Abkühlung der hochsommerlichen Temperaturen mit sich brachte, in der mir der Gedanke für ein Radarexperiment mit den beiden Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X kam: "Wie wäre es, wenn wir bereits vor dem Erreichen der endgültigen Formation nachweisen könnten, dass die Interferometrie mit beiden Satelliten möglich ist?"

Seit dem Bilderbuchstart von TanDEM-X am 21. Juni nähert sich dieser dem vorausfliegenden TerraSAR-X mit einer Geschwindigkeit von etwa 640 Kilometern pro Tag an. Beide Satelliten umrunden die Erde in einer Höhe von etwa 515 beziehungsweise 510 Kilometern auf einer polaren Umlaufbahn, das heißt, sie überfliegen mit jeder Erdumkreisung einmal den Nordpol und 48 Minuten später den Südpol. Dieser Orbit ist typisch für Erdbeobachtungssatelliten, da sich die Erde unter der Satellitenbahn hinwegdreht und somit die ganze Erdoberfläche nach einer gewissen Zeit - in unserem Fall sind es elf Tage - beobachtet werden kann.

Am 12. Juli wurde mit den ersten Bremsmanövern begonnen, um zu verhindern, dass TanDEM-X an TerraSAR-X vorbeifliegt. Am 16. Juli war der Abstand auf 370 km geschrumpft. Dies entspricht einer Zeitspanne von 48 Sekunden, in der die Erde sich weiterdreht, so dass der nachfolgende Satellit nicht mehr das gleiche Gebiet erfasst. Obwohl die Umlaufbahn für beide Satelliten nahezu identisch ist, weichen die gedachten "Bodenspuren" durch die Erddrehung am Äquator um mehr als 20 Kilometer voneinander ab. Dieser Abstand ist für interferometrische Aufnahmen zu groß. An den Polen nähern sich die Bodenspuren jedoch einander an und überkreuzen sich schließlich. Hierdurch ergibt sich die einmalige Gelegenheit, mit beiden Satelliten das gleiche Gebiet nacheinander aus einer ähnlichen Position und mit einem deutlich geringeren Abstand zu beobachten. Allerdings müssen aufgrund des Zeitversatzes von 48 Sekunden und der Erdrotation jeweils unterschiedliche Blickwinkel eingestellt werden.

Oktoberrevolutions-Insel

Erstes TanDEM-X-Interferogramm (links) und das daraus abgeleitete digitale Höhenmodell. Es zeigt die Oktoberrevolutions-Insel, die größte Insel der Sewernaja-Semlja-Gruppe im Nordpolarmeer. Bild: DLR.

Jetzt gilt es in die Trickkiste zu greifen und die Möglichkeiten, welche die Radarinstrumente bieten, voll auszureizen. Hier kommt das Herzstück des Radars, die Array-Antenne mit ihren 384 Sende- und Empfangsmodulen zum Einsatz. Durch eine geschickte Kommandierung und Ansteuerung der Antennenmodule kann die Blickrichtung des Radars verändert werden, ohne dass dazu der Satellit gedreht werden muss. Das gezielte "Schielen" ist die Grundlage dafür, auch in dieser außergewöhnlichen Konfiguration ein Interferogramm und damit ein digitales Höhenmodell erstellen zu können.

Da die so erzeugten Rohdaten von der Norm abweichen, wurden sie mittels einer speziellen Software zur Verarbeitung experimenteller Radardaten, dem so genannten TAXI-Prozessor (TAXI = Experimental TanDEM-X Interferometric Processor), zu Bildern und in einem weiteren Schritt durch kohärente Überlagerung zu einem so genannten Interferogram verarbeitet. Aus dem Interferogram lässt sich in weiteren Verarbeitungsstufen das finale Produkt, ein digitales Geländemodell, ableiten. Eine Besonderheit dieser Aufnahme ist die extreme Höhenauflösung von circa 10 bis 20 Zentimetern, bei der selbst kleinste Erhebungen in der Eisfläche deutlich sichtbar werden.

Oktoberrevolutions-Insel

Die Detailvergrößerung des Interferogramms (links) und das entsprechende Höhenmodell (rechts) zeigen einen Teil der Oktoberrevolutions-Insel und Eisberge. Bild: DLR.

Die Tatsache, dass es bereits jetzt unter diesen schwierigen Bedingungen gelungen ist, ein Interferogram und ein erstes Höhenmodell zu erzeugen, sorgt für große Erleichterung. Nun ist es klar, dass die Voraussetzungen gegeben sind, das Missionsziel zu erreichen: die Erzeugung eines digitalen Geländemodells der gesamten Landoberfläche der Erde.

Ich möchte mich herzlich bei meinen Kollegen am DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme bedanken, die trotz vieler anderer Verpflichtungen das Experiment vorbereitet, die Satelliten kommandiert und die Daten erfolgreich prozessiert haben. Ohne ihren großen Einsatz wäre es nicht möglich gewesen, dieses einmalige Experiment in so kurzer Zeit durchzuführen.

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