Raumfahrt | 22. Juli 2010

Die dritte Dimension der Daten

Digitale Höhenmodelle
Digitale Höhenmodelle

Noch sind die beiden Satelliten nicht ganz in ihrer gemeinsamen Formation, da werden schon trickreiche Instrumentkommandierungen und Prozessoreinstellungen genutzt, um die allerersten Höhendaten mit den beiden Satelliten zu erzeugen. Damit begann an diesem Wochenende die interferomerische Phase der TanDEM-X-Mission. Wir sehen mit Begeisterung wie unser Prozessor zum ersten Mal die Erde in drei Dimensionen entstehen lässt.

Wenn beide Satelliten unter fast gleichen geometrischen Bedingungen die Wellenfronten der zurückgeworfenen Radarstrahlen sehen, kann man aus den minimalen Unterschieden in den Wellen-Phasen und dem Wissen über Abstand und Sichtwinkel der beiden Instrumente die Höhe des Geländes ermitteln. Je weiter dieser Winkel ist, umso genauer kann man die Topographie messen. Diese erhöhte Genauigkeit in der interferometrischen Messung hat aber den Preis, dass für zu große Winkel die Höhenwerte nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können. Der Grund ist, dass die Phasen (meist in Regenbogenfarben dargestellt) sich zyklisch wiederholen und komplizierte Algorithmen entwickelt werden müssen, um diese Zyklen verfolgen.

Damit dies problemlos gelingt, fliegt das Gespann aus TerraSAR-X und TanDEM-X während der gemeinsamen Mission eine genau berechnete Formation, um optimale Bedingungen einzuhalten. Eigentlich passen die Bahnen von TerraSAR-X und TanDEM-X in dieser frühen Phase noch nicht zusammen um gemeinsame Aufnahmen zu machen. Da hatten die findigen Instrument-Kommandierer die Idee, die Flexibilität der Instrumente auszunutzen und die beiden Satelliten in der Nähe des Nordpols auf vereiste Inseln "schielen" zu lassen um interferometrische Bedingungen einzuhalten. Dieses Experiment haben die Kollegen hier genauer beschreiben.

MonitorMit diesem Trick konnten schon ein paar Tage vor dem Erreichen der Formation erste Datenpaare zur Erzeugung von Höhenmodellen aufgenommen werden. Dies hat jedoch zwei Nachteile: Erstens erfordern die schielenden Antennen eine Modifikation am Prozessor und zweitens fande die Daten ihren Weg zu uns "Prozessierern" schon am späten Freitagabend statt erst nach dem Wochenende ;-) Das alles gelingt nur Dank der perfekten Flugbahnkontrolle durch die Kollegen der Flugdynamik, die beide Satelliten exakt auf Spur hält.

Während wir also unsere Verarbeitungskette schneller als ursprünglich geplant bereit machen müssen, melden die SAR-Experten vom Instrument-Team die interferometrische Tauglichkeit der speziell kommandierten Datensätze. Sie mailen die ersten so genannten "Fringes" der Phasen aus einer experimentellen Prozessierung aber noch fehlt die dritte Dimension.

Wir sitzen also gespannt auf die ersten Höhendaten vor den Monitoren im Institut für Methodik der Fernerkundung, und hoffen, dass alle Parameter richtig gesetzt sind. Nette Kollegen bringen einen Mitternachtssnack und fiebern gespannt mit. Der Jubel ist groß, als dann etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht zunächst die bunten Phasenbilder und dann die ersten Digitalen Höhenmodelle (DEMs) aus unserer Verarbeitungskette auf unseren Monitoren erscheinen.

Nur kurz wird gefeiert und dann schon an den Daten herumgemessen. Eine unglaubliche Höhen-Genauigkeit von wenigen Zentimetern wird mit diesen DEMs erreicht. Allerdings wären sie so nicht geeignet, die ganze Welt zu vermessen. Kleinste Schollen und Brüche im Meereis und auf den Gletschern faszinieren uns alle.

Phasenwerte

Diese Phasenwerte müssen noch in Höhen umgerechnet werden.

Eine Verschnaufpause gibt es nicht, auch am Samstag und Sonntag treffen neue Daten ein. Schließlich kommt auch die Aufnahme, die wir an die Stelle gelegt haben, bei der die Flugbahn nach einem Manöver für eine gewisse Zeit auch fast "normale" Bildaufnahmen erlaubt. Den geringen Spielraum, den wir bei der Szenenwahl hatten, nutzte das Prozessorteam, um wieder das Gebiet der allerersten TerraSAR-X Aufnahme abzulichten zu lassen. Ein klein wenig Nostalgie aber vor allem unsere Erfahrung mit dem Gebiet schwingt da mit.

Auch dieses DEM läuft automatisch durch unseren Prozessor. Von dem langen Streifen werden 4 einzelne Szenen erzeugt. Die Aufnahme hat noch einen relativ weiten Sichtwinkel (also eine lange "Basislinie"). Das Bild der Phasen ist beeindruckend - alle Instrumenteigenschaften konnten kompensiert werden, die Bilder passen millimetergenau aufeinander und alles was zu sehen ist, entspricht den Geländevariationen. Aber es bleibt noch eine schwierige Aufgabe für den Prozessor; das ist das "Abzählen" der Phasenzyklen zur Bestimmung der absoluten Höhe an den Stellen, wo diese besonders eng beieinander liegen. Doch mit erstaunlicher Geschwindigkeit ist auch diese Herausforderung geschafft.

Bilder von dem erzeugten DEM werden sofort an das gesamte Team gemailt. Jeder findet kleinste Details, die man so noch nicht in Höhendaten aus dem Weltraum gesehen hat. Jetzt wird endgültig gefeiert und alle freuen sich auf die kommenden Wochen weiterer gemeinsamer Aufnahmen.

DEM

Ein Ausschnitt aus dem ersten (beinah) nominell aufgenommenen, schattierten TanDEM-X-DEM. Alle Bilder: DLR.

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