Raumfahrt | 10. November 2017 | von Friederike Wütscher

Bettruhe-Studie Teil 6: Wie verbringen unsere Probanden ihre Tage im Bett?

Probandin E
Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Probandin E im Bett, das um 6 Grad zum Kopf hin geneigt ist.

6:30 Uhr: Pünktlich wie jeden Morgen geht um 6:30 Uhr die Tür auf und für die Probandinnen und Probanden heißt es "Aufstehen" –  wobei Aufstehen nicht im wörtlichen Sinn zu nehmen ist, denn das ist die Grundregel für unsere Bettruhe-Probanden: Liegen bleiben! Sie verbringen 30 Tage im Bett. Dabei machen sie – natürlich immer liegend - ein paar Ausflüge zu Experimenten, zum Duschen, der Physiotherapeuten-Behandlung oder dem morgendlichen Wiegen.##markend##

6:35 Uhr: In 6 Grad-Kopftieflage ist am Morgen nach dem Aufwecken zunächst einmal der tägliche erste Check zu absolvieren:

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)

Blutdruck, Atemfrequenz und Puls werden dokumentiert, je nach Studientag wird auch Blut abgenommen, bevor die erste Urinflasche gereicht und – wie immer im Bett – der Morgenurin abgegeben wird. Danach gibt es den ersten Ausflug innerhalb des Moduls: Mit einer zum Kopf hin um 6 Grad geneigten Transportliege werden die Probanden zur Bodenwaage gefahren und gewogen.

7:15 Uhr: Zurück im Zimmer und im eigenen Bett haben einige der Probanden nach dem Wiegen nun eine kleine Verschnaufpause, bevor das Frühstück losgeht. Viele checken ihre Mails, lesen Nachrichten oder halten einen Plausch mit dem Betreuungspersonal. Bei einigen steht allerdings schon der erste Test an, den sie auf einem Tablet absolvieren. Bei diesem wiederkehrenden Test müssen die Probanden unterschiedliche Aufgaben erledigen. So soll festgestellt werden, ob es Änderungen der kognitiven Fähigkeiten gibt.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Die Mengen an Essen und Getränken wird ganz genau abgewogen

8:00 Uhr: Das Frühstück wird vom Küchenteam gebracht und neben den Betten auf einem Tisch abgestellt. Nachdem es anfangs für die Probanden noch eine Herausforderung war, im Liegen zu essen, haben sie nun alle den Bogen raus und jeder hat seine eigene Technik entwickelt. Die Auswahl, Zusammenstellung und Zubereitung der Lebensmittel ist ein eigenes großes Aufgabengebiet für die DLR-Mitarbeiter in der Bettruhestudie, da die Ernährung ein wichtiger Bestandteil der wissenschaftlichen Dokumentation und Auswertung der Daten ist. Das heißt auch, dass das Essen nicht nur penibel zubereitet und abgewogen wird, sondern auch, dass die Probanden alles aufessen müssen. Da die Menge aber genau ihrem Bedarf individuell angepasst wird, bleibt nichts übrig.

8:45 Uhr: Stretching im Bett steht auf dem Programm! Die Probanden werden über eine Sprechanlage alle gleichzeitig zum Beginn des Stretchens aufgefordert und dabei von einem Monitoring-Raum beobachtet, damit auch alle die Übungen richtig ausführen. Das Stretching im Bett haben sie zu Beginn der Liegephase vom Physiotherapeuten gelernt und es soll verhindern, dass sich der Bewegungsapparat versteift und später nach dem Aufstehen Probleme entstehen. Nach 15 Minuten wird das moderate Sportprogramm auch schon wieder per Durchsage beendet. Einige der Probanden haben zusätzlich später am Tag einen weiteren Termin mit dem Physiotherapeuten, der alle zwei Tage vorbei kommt und sie mobilisiert.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)

9:30 Uhr: Für die meisten Probanden ist nun Zeitvertreib angesagt. Da in der Bettruhe-Phase anders als in den zwei Wochen vorher und nachher nicht rund um die Uhr Experimente stattfinden, kann es auch schon mal langweilig werden. Darauf waren die Probanden vorbereitet und jeder hat sich entsprechend gewappnet. Mit Hilfe von Streaming-Diensten und DVDs wird das Film- und Serienrepertoire erweitert, Computerspiele gespielt, Musik gehört und oft auch mit der Umwelt durch die offenen Türen geteilt. Es finden Gespräche mit dem Betreuungspersonal oder über die Sprechanlage mit den Mit-Probanden statt und es wird auch mal ein Buch gelesen. Manch einer vertreibt sich die Zeit sogar mit Handarbeiten, die sich ebenfalls im Bett durchführen lassen. Auch für die Uni werden Dinge erledigt. Oder es wird online eingekauft. Eben all das, was man sonst auch zuhause machen würde und was im Bett von statten gehen kann.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)

10:00 Uhr: Für zwei Probanden findet heute ein Experiment im Aufenthaltsraum der Probandenstation statt. Der Aufenthaltsraum war vor der Bettruhe regelmäßiger Treffpunkt zum Austausch und gemeinsamen Essen. Da die Probanden während der Bettruhe aber in ihren Zimmern essen, dient er in der Bettruhephase als Experimentraum. Denn in der gesamten Station herrscht ein erhöhter CO2-Gehalt, der natürlich auch bei den Experimenten gewährleistet sein muss. Daher finden alle Experimente in der Bettruhe-Phase innerhalb der Probandenstation statt. Bei dem heutigen Experiment werden die Änderung des Hirndrucks und der CO2-Sensivität und deren Korrelation mit der Sehfähigkeit der Probanden erforscht.

13:00 Uhr: Nach all den Aktivitäten am Vormittag ist nun schon wieder Essenszeit. Das Mittagessen wird vom Küchenpersonal ebenso wie die anderen Mahlzeiten selbst zubereitet und auf seine Nährstoffe hin genau zusammengestellt. Auch hier ist wieder Aufessen angesagt.

14:00 Uhr: Wieder ein Experiment, diesmal eine Augenuntersuchung. Hierfür werden die Probanden auf der Transportliege in das Labor des Moduls gefahren und dort u.a. der Augeninnendruck gemessen.

14:30 Uhr: Hauptumschlagzeit für Bettpfannen und das "große Geschäft" der Probanden ist meist am frühen Nachmittag. Auch das erledigen die Probanden mittlerweile sehr geübt, das Geklapper der Bettpfannen erfüllt das Modul und die Bettpfannenspülmaschine hat einiges zu tun. Urinabgaben werden mit einem speziellen Programm dokumentiert, wofür das Betreuungspersonal die gefüllten Urinflaschen einscannt und so in eine Datenbank aufnimmt.

16:00 Uhr: Ein besonderes Highlight am Tag ist das Duschen. Auch wenn man sich im Liegen nicht wirklich bewegt, ist eine Dusche eine erfrischende Abwechslung. Außerdem bietet die "Fahrt" zum Duschraum auf der Transportliege Gelegenheit, dem einen oder anderen Mit-Probanden zuzuwinken und sich kurz auszutauschen. Im Duschraum angekommen wird die Liege gewechselt, der Proband rollt auf die Duschliege, auf der er sich dann selber duscht, bevor er zum Rücktransport klingelt.

17:00 Uhr: Bei einigen Probanden steht nun Physiotherapie auf dem Plan. Hierfür kommen in der Regel zwei Physiotherapeuten vorbei, holen die Probanden mit der Transportliege ab und nehmen sie mit in den Aufenthaltsraum, wo sie dann passiv mobilisiert und massiert werden. Ein bei den Probanden sehr gern gesehener Programmpunkt!


17:30 Uhr: Und wieder ein Experiment, diesmal im Probandenzimmer: Ähnlich wie am Morgen ein Kognitions-Experiment am Computer. Natürlich im Liegen.

19:00 Uhr: Und schon ist wieder Essenszeit! Das Abendessen ist wie die anderen Mahlzeiten sehr abwechslungsreich gestaltet und es gibt anschließend oft noch einen "Spätsnack".

20:00 Uhr: Letzte offizielle Aufgabe der Probanden: Fragebögen beantworten.

21:00 Uhr: Der anstrengende Teil des Tages ist erledigt, nun dürfen auch die Probanden noch etwas Freizeit genießen. In den Abendstunden gehen sie wie tagsüber auch unterschiedlichen Beschäftigungen nach, einige besuchen sich dann gegenseitig zum Austausch oder für eine Partie Schach. Natürlich wie immer in 6 Grad-Kopftieflage.

22:00 Uhr: Das Abendprozedere beginnt langsam: Die Probanden bekommen kleine Waschschüsseln, mit denen sie Katzenwäsche machen und Zähne putzen können, außerdem kommen die letzten Urinflaschen zum Einsatz.

23.00 Uhr: Gute Nacht! Nun wird geschlafen, bis es am nächsten Morgen um 6.30 Uhr wieder heißt: Aufstehen! Sozusagen…

VaPER (VIIP and Psychological :envihab Research Study)

Für die VaPER-Studie legen sich 12 Probanden im DLR für 30 Tage bei einer Sechs-Grad-Kopftieflage ins Bett. Ihr Körper erfährt dabei ähnliche Veränderungen wie der von Astronauten in Schwerelosigkeit, was sich Wissenschaftler zunutze machen, um jene Veränderungen genauer zu untersuchen. Der Fokus von VaPER (VIIP and Psychological :envihab Research Study) liegt sowohl auf der Untersuchung von physiologischen und psychologischen Auswirkungen als auch auf dem VIIP-Syndrom (Visual Impairment and Intracranial Pressure), das Sehstörungen und erhöhten Hirndruck bei Astronauten in Schwerelosigkeit beschreibt. Die Studie wurde von der amerikanischen Raumfahrtagentur NASA in Auftrag gegeben und wird vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin durchgeführt.

Alle Blogbeiträge der VaPER-Studie

VaPER-Studie Teil 1 - Warum legt das DLR Menschen für 30 Tage ins Bett?

VaPER-Studie Teil 2: Von 4.500 Bewerbern auf 12 Probanden – Wie findet man geeignete Teilnehmer?

VaPER-Studie Teil 3: Was ist ein Medical?

VaPER-Studie Teil 4: Ab ins Bett – 30 Tage liegen bleiben

VaPER-Studie Teil 5: Kann jeder bei einer Bettruhestudie als Proband mitmachen?

TrackbackURL

Über den Autor

Friederike Wütscher ist am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und stellt die vielfältigen Arbeits- und Themengebiete des Instituts nach außen dar. Besonders diese Vielfalt und die aufwendigen Studien, die das Institut in :envihab und den weiteren Forschungsanlagen durchführt, begeistern sie. Deshalb ist sie auch immer wieder bei verschiedenen Projekten vor Ort im Einsatz und kann direkt vom Studiengeschehen berichten. zur Autorenseite