Raumfahrt | 05. Dezember 2017 | von Friederike Wütscher

Bettruhe-Studie Teil 11: Resümee – Und was sagt das VaPER-Team zum Ende der Studie?

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
(Fast) Das gesamte Team der VaPER-Studie - insgesamt waren über 80 Mitarbeiter an der Bettruhe-Studie beteiligt.

Am 2. Oktober begann die VaPER-Studie in :envihab mit dem Einzug der ersten Probanden. Vorangegangen war eine monatelange Vorbereitung in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber NASA. Am 4. Dezember sind die letzten beiden Probanden ausgezogen und nun beginnt die Auswertung der Daten. Nach den ereignisreichen 65 Tagen mit den Probanden sind alle Beteiligten froh, dass die erste NASA-Studie so erfolgreich und problemlos gelaufen ist. Zeit, um ein erstes persönliches Resümee zu ziehen – hier die Statements einiger Mitarbeiter exemplarisch für das gesamte Team sowie einige Zahlen und Fakten.##markend##

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Der erste Eintrag im Protokollbuch

Domenica Behning, Küchenfee: Mich hat vor allem der Abend mit Reinhold Ewald beeindruckt. Ich habe vorher noch nie einen Astronauten getroffen und hatte an dem Abend zufällig Dienst und durfte den Vortrag miterleben. Das war ein Erlebnis, das ich nicht vergessen werde!

Katja Bienentreu, Study Nurse: Trotz des frühen Aufstehens für die Frühdienste hat mir die VaPER-Studie viel Spaß gemacht und ich sehe das Ende mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Neben aller Wissenschaft war es mir besonders wichtig, dass es unseren Probanden gut geht. Ich ziehe den Hut vor der Leistung, die sie alle erbracht haben. Bis an die eigenen Grenzen zu gehen und manchmal auch darüber hinaus schafft nicht jeder!

Patrick Dols, Physiotherapeut: Am meisten beeindruckte mich, wie fit alle Probanden nach der Bettruhe waren und nach relativ kurzer Zeit wieder voll beim Sportprogramm mitmachen konnten.

Martina Grund, Diätassistentin: Besonders schön war es zu sehen, dass unser Übergabe-System so gut funktionierte: Bei einem Anruf in der Küche zur Erklärung verschiedener Abläufe bekam ich oft die Antwort, dass die Küchenmädels schon alle Infos untereinander weitergegeben hatten. Es war ein tolles eingespieltes Team, mit dem ich gerne wieder arbeiten werde!

Olga Hand, Ökotrophologin: Wir haben im Vorfeld und während der Studie sehr viel Aufwand in die Erstellung der Menüpläne gesteckt. Es war schön zu sehen, dass sich die Probanden dann auch an die wirklich strenge Essensstandarisierung gehalten und so zum Erfolg der Studie beigetragen haben.

Jonas Hansel, Hilfskraft: Mir hat vor allem der Umgang mit den Probanden Spaß gemacht, insbesondere die Kommunikation und dass wir zu einem Team zusammen gewachsen sind.

Alexandra Hofmann, Hilfskraft: Mich beeindrucken am meisten die Probanden und dass sie so mutig sind, hier mitzumachen. Es ist toll zu beobachten, wie sie sich an alle Herausforderungen der Studie ran trauen und sie meistern. In dieser intensiven Zeit lernt man die Menschen gut kennen und entwickelt großen Respekt vor ihrer Leistung. Darüber hinaus haben wir viel miteinander gelacht, das war schön.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Jessica Lee bei den Vorbereitungen für das Experiment

Dr. Jessica Lee, University of Florida, Experimentatorin: The people, the team, the devotion. – I remember being pleasantly surprised by how well the study participants understood the importance of collecting quality data, the scientific implication and by their profound appreciation of the application of the study findings. It wasn’t hard to notice that it was the team’s vision and the focus on science which sparked immense scientific curiosity in the study participants of various backgrounds and interests, uniting and inspiring them through the 30 day bed rest mission. It was exciting to witness how multitudes of components of this project organically came together day by day, achieving the high standards in both the upkeep of the well-being of the study participants and scientific standardization. It speaks volumes about the team’s experience and insightful management, how the unique individuality of the study participants and the expertise of the study personnel shine through the intricate mesh of the project. It was truly a research study for mankind with a personal touch!

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Klaus Müller und Proband A beim Belastungstest

Dr. Klaus Müller, Arzt: Mich hat vor allem beeindruckt, dass die Probanden trotz aller Ansprüche, die wir an sie haben, so zufrieden sind, dass sie sogar bei der nächsten Studie wieder mitmachen wollen.

Dr. Edwin Mulder, Studienleiter: Ich finde es immer wieder beeindruckend, dass wir in der Lage sind, solch tolle Probanden zu finden: Sie führen komplexe und anstrengende Experimente über Wochen hoch motiviert durch und verlieren nie ihre gute Laune und das Interesse an der Studie. Nicht zuletzt gelingt uns das dank der Begeisterung der DLR-Mitarbeiter.

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Andrea Nitsche, Study Nurse: Trotz ausführlicher mündlicher, schriftlicher und persönlicher Informationen im Vorfeld ist es für die Teilnehmer fast unmöglich, sich das Probandendasein konkret und mit allen Facetten vorzustellen. Sich dann für zwei Monate komplett in unsere Hände zu begeben und die Studie (fast immer) motiviert und mit Begeisterung durchzuziehen, zeugt von großem Vertrauen in das VaPER-Team. Ich denke, darauf können wir stolz sein!

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Annika Nitsche an den Überwachungsbildschirmen

Annika Nitsche, Hilfskraft: Ich finde sehr interessant, dass die Probanden, obwohl sie  alle sehr unterschiedlich und besonders waren, so gut miteinander und mit dem Team klarkamen. Ich freue mich, dass ich Teil dieser wirklich coolen Studie sein durfte und so vielfältige Erfahrungen gemacht habe.

Alexandra Noppe, stellvertretende Studienleiterin: Ich fand besonders spannend, dass wir erstmalig auch Frauen dabei hatten. Wir wussten ja schon aus mehreren vorangegangenen Studien, dass für Männer das Liegen an sich nicht wirklich problematisch ist. In dieser Studie konnten wir nun sehen, dass Frauen die Bettruhe gleichermaßen gut durchhalten können, auch wenn manche Dinge, wie z.B. Urin abgeben im Liegen, für Frauen durchaus wesentlich schwieriger sind.

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Tim Otto, Hilfskraft: Bei VaPER herrschte eine angenehme und professionelle Arbeitsatmosphäre, ohne dass jemals eine Labor-Atmosphäre aufgekommen und die Probanden wie Labormäuse behandelt worden wären.

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Zwei der Studienärzte: Freia Paulke und Klaus Müller

Freia Paulke, leitende Studienärztin: Mich hat besonders gefreut, dass die weiblichen Probanden unser selbst entwickeltes Pinkel-System mit Urinella und Schlauch so problemlos umgesetzt haben und es die ganze Studie über funktioniert hat. Außerdem hat mich beeindruckt, dass die vielfältigen Charaktere eine tolle Einheit geworden sind.

Vanessa Rieck, Küchenfee: Ich fand es besonders toll, dass ich an einer solchen wissenschaftlichen Studie teilhaben durfte. Bei der Zubereitung der Speisen und Getränke haben wir Küchenmädels auch eine große Verantwortung, weil man sehr konzentriert arbeiten muss. Das war einerseits schon ein großer Druck, da die Mahlzeiten immer rechtzeitig auf den Punkt fertig sein müssen. Andererseits sind wir auch alle stolz, dass es so gut geklappt hat und dass wir Teil einer echten NASA-Studie waren!

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Claudia Stern bei einer Augenuntersuchung der Probanden

Dr. Claudia Stern, Augenärztin: Bettruhe in 6° Kopftieflage ist eine eindrucksvolle Simulationsmöglichkeit von körperlichen Veränderungen durch Schwerelosigkeit. Beeindruckend, wie ein sehr engagiertes Team so viel Herzblut und Engagement aufbringt, um diese Studie für alle zu einem Erfolg werden zu lassen.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Jens Tank am Kipptisch, wo der erste Proband nach der Liegephase wieder aufgerichtet wird

Prof. Dr. Jens Tank, Arzt: Besonders beeindruckt haben mich die hohe Motivation und das Interesse der Probanden an der Studie, wie auch wir wollten sie Untersuchungsergebnisse in hoher Qualität generieren. Insbesondere am Tag R+0, als sie aufstanden, war das schön zu beobachten.

Dr. Melanie von der Wiesche, Leiterin Studienteam: Für mich gibt es eine Reihe von Erlebnissen, die beeindruckend waren: Die erste gemischt-geschlechtliche Probandengruppe, die vielleicht auch deshalb außerordentlich harmonisch und beeindruckend war. Der unglaublich gute Zusammenhalt im großen Betreuungsteam mit sehr netten Mitarbeitern und einer hohen Einsatz-Bereitschaft: Die Unterstützung bei Personalengpässen war bei VaPER wirklich einzigartig! Und mein ganz persönliches Highlight waren die abendlichen Stunden mit den Probanden, in denen wir uns ganz in Ruhe unterhalten konnten, während ich den- bzw. diejenige für das über Nacht gemessene Sleep-Experiment vorbereitet habe, echte Quality-Time mit tollen, interessanten Menschen!

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Andrea Nitsche, Melanie von der Wiesche und Alexandra Noppe im Study Office

Friederike Wütscher, Study Nurse und PR-Frau: Für mich war vor allem schön zu sehen, wie sich die Gruppe der Probanden entwickelt hat und wie sehr sie sich mit der Studie identifiziert haben. Außerdem gab es immer wieder sehr witzige Protokollbucheinträge, über die ich laut lachen musste, zum Beispiel den, dass unsere Studienärztin von einer Uhr tätlich angegriffen wurde.

Einige erstaunliche Zahlen und Fakten zu VaPER

  • Insgesamt haben 85 Mitarbeiter an der Studie vor Ort mitgearbeitet. An vollen Tagen wie R+0 waren schon mal bis zu 30 Mitarbeiter an einem Tag beschäftigt.
  • Es wurden ca. 4.500 Urinflaschen und insgesamt 285 Bettpfannen gefüllt. Bettpfannen allerdings nur in der Liegephase (30 Tage), Urinflaschen während der gesamten Studiendauer von 65 Tagen. Im Schnitt wurden 26 Bettpfannen pro Proband benutzt.
  • Das handschriftliche Protokollbuch umfasst über 170 Seiten mit fast 900 Einträgen.
  • Insgesamt wurden 2.774 Kilogramm Lebensmittel von den Probanden verspeist. Davon waren 51 Kilogramm selbst gebackenes Brot.
  • An Getränken wurden 1.607 Liter Wasser, Tee, Säfte und Mineralwasser von den Probanden getrunken.
  • Insgesamt haben die Probanden 1.512.552 Kilokalorien (6.330 Megajoule) zu sich genommen.
  • Insgesamt hat die Wäscherei 336 Mal Küchenhandtücher, 318 Frottee-Handtücher und 389 Frottee-Badetücher gewaschen. Jeder Proband hat 4,4 Badetücher pro Woche verbraucht.
  • Insgesamt wurden 190 Experimente pro Proband laut Plan durchgeführt. Insgesamt waren es 2.280 Experimentdurchführungen bei allen Probanden.
  • Es wurden insgesamt 59 Versionen des Tages-Detailplans mit allen Abläufen erstellt.
  • Jeder Proband füllte 26 Fragebögen aus.
  • Pro Proband wurde ca. 120 Mal Blutdruck gemessen.
  • Jeder Proband wurde 60 Mal gewogen.
  • Es wurden insgesamt 128 Kugelschreiber verbraucht – oder verloren.

Schön war’s und auf ein Neues!

VaPER (VIIP and Psychological :envihab Research Study)

Für die VaPER-Studie legen sich 12 Probanden im DLR für 30 Tage bei einer Sechs-Grad-Kopftieflage ins Bett. Ihr Körper erfährt dabei ähnliche Veränderungen wie der von Astronauten in Schwerelosigkeit, was sich Wissenschaftler zunutze machen, um jene Veränderungen genauer zu untersuchen. Der Fokus von VaPER (VIIP and Psychological :envihab Research Study) liegt sowohl auf der Untersuchung von physiologischen und psychologischen Auswirkungen als auch auf dem VIIP-Syndrom (Visual Impairment and Intracranial Pressure), das Sehstörungen und erhöhten Hirndruck bei Astronauten in Schwerelosigkeit beschreibt. Die Studie wurde von der amerikanischen Raumfahrtagentur NASA in Auftrag gegeben und wird vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin durchgeführt.

Alle Blogbeiträge der VaPER-Studie

VaPER-Studie Teil 1: Warum legt das DLR Menschen für 30 Tage ins Bett?

VaPER-Studie Teil 2: Von 4.500 Bewerbern auf 12 Probanden – Wie findet man geeignete Teilnehmer?

VaPER-Studie Teil 3: Was ist ein Medical?

VaPER-Studie Teil 4: Ab ins Bett – 30 Tage liegen bleiben

VaPER-Studie Teil 5: Kann jeder bei einer Bettruhestudie als Proband mitmachen?

VaPER-Studie Teil 6: Wie verbringen unsere Probanden ihre Tage im Bett?

VaPER-Studie Teil 7: Standardisierte Ernährung der Probanden

VaPER-Studie Teil 8: R+0 - ein ganz besonderer Tag für alle

VaPER-Studie Teil 9: Kochen, backen, wiegen und spülen

VaPER-Studie Teil 10: Nach der Bettruhe ist vor dem Auszug

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Über den Autor

Friederike Wütscher ist am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und stellt die vielfältigen Arbeits- und Themengebiete des Instituts nach außen dar. Besonders diese Vielfalt und die aufwendigen Studien, die das Institut in :envihab und den weiteren Forschungsanlagen durchführt, begeistern sie. Deshalb ist sie auch immer wieder bei verschiedenen Projekten vor Ort im Einsatz und kann direkt vom Studiengeschehen berichten. zur Autorenseite

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