Sonstiges | 18. Juli 2014 | von Jan Wörner

60 Jahre... war's das?

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)

Seit 60 Jahren war dieser Tag vorhersehbar...lange lag er jedoch in weiter Ferne...und dann ist er viel zu schnell da: mein sechzigster Geburtstag. Jahrzehntelang waren Sechzigjährige für mich das Alter per se, kurz vor der Rente...Jetzt, da mich dieses "Schicksal" ebenso ereilt hat und ich in Zukunft vielleicht Seniorenteller und Vergünstigungen am Skilift genießen darf, ist es Zeit zurück zu schauen, um die Zukunft vorzubereiten, im privaten wie im beruflichen Bereich: Die gesammelten Erfahrungen auf- und verarbeiten und die unglaubliche Macht der Unabhängigkeit, die durch das Alter gegeben ist, gezielt einsetzen, um wichtige Dinge voranzutreiben.##markend##

In der jüngsten Zeit ist viel passiert, Positives und Negatives, Hoffnung machendes und Trauriges. Die Bandbreite der Erfahrungen reicht von Trauer über den Verlust von nahestehenden Menschen, Ärger über Arroganz und Eigenmächtigkeit, Verzweiflung über unerfüllte Zusagen, Wut über weltpolitische, menschengemachte Katastrophen bis zu den glücklichen Momenten in Familie, Bekanntenkreis und Beruf. Und natürlich gilt: immer das eigene Verhalten und Handeln kritisch reflektieren. In manchen Situationen wollte ich mit dem Kopf durch die Wand, um mir dabei das eine oder andere Mal eine blutige Nase zu holen oder festzustellen, dass die Nachbarzelle auch nicht geräumiger ist. Und trotzdem ist mein Fazit: Es lohnt sich immer für eigene Vorstellungen und Ideale zu kämpfen.  Besser mit blauen Flecken und überzeugt in den Spiegel schauen, anstatt sagen zu müssen: "Du bist ein schäbiger Opportunist, ich rasiere Dich aber trotzdem".

Was will ich mit all dem sagen? Auch nach vielen Rückschlägen habe ich meine Vorstellung einer Verbesserung des Systems "DLR" nicht aufgegeben und werde mich weiter dafür einsetzen. Es ist unglaublich wohltuend und bestärkend, wenn in schwierigen Zeiten Menschen da sind, die sich kritisch aber konstruktiv mit Themen, Handlungen und Entscheidungen auseinandersetzen. Das sind die Menschen, die man Freunde nennen kann! Während meiner sieben Jahre an der Spitze des DLR habe ich immer wieder Erfahrungen in dieser Richtung innerhalb und außerhalb machen dürfen, dafür bin ich  dankbar. Dass meine Gesamtbilanz nicht ganz so ausfällt, wie ich es mir gewünscht habe, liegt vermutlich an meinen eigenen Ansprüchen und Vorstellungen, zum großen Teil aber an den Bremsklötzen menschlicher Natur.

Als Ergebnis eines längeren Prozesses, in dem sowohl die DLR-internen als auch externe Ideen, Gedanken und Vorstellungen erfasst und verarbeitet wurden, ist jetzt ein Dokument entstanden, das die Gesamtstrategie des DLR beschreibt. Die formulierten Aussagen wurden intern in mehreren Runden, im Vorstand, mit der zweiten Führungsebene und auf der Standorttour mit vielen Mitarbeitern diskutiert. Außerdem haben sich der Senatsausschuss und der Senat mit den Aussagen befasst und den vorgelegten Text mit Kommentaren zur Kenntnis genommen. Die Anregungen der verschiedenen Akteure sind - soweit möglich und zielführend - übernommen worden.
Das Papier ist mitnichten eine Revolution, sondern konkretisiert das Bisherige und gibt klare Vorgaben bezüglich der organisatorischen und inhaltlichen Ausrichtung, mit der wir das DLR voranbringen wollen.

Strategie ist ein permanenter Prozess, der auch nach der Formulierung der Gesamtstrategie weiter geht. Damit sind keine Meilensteine oder Budgets verbunden, denn erst in den Fachstrategien macht es Sinn, zeitliche und budgetäre Aspekte zu benennen. Diese befinden sich derzeit in Bearbeitung.

Ich bin auf die Reaktionen gespannt und erwarte die ganze Bandbreite: von Zustimmung, konstruktiver Kritik bis zu pauschaler Ablehnung als Reaktion persönlicher Motivation. Besonders gefreut habe ich mich in diesem Zusammenhang über die positive Reaktion des Bundeswirtschaftsministers zu dem Papier, eine gute Grundlage für die Umsetzung einzelner Aspekte!

Die Behandlung der Gesamtstrategie ist zugleich ein Prüfstein für EIN DLR, sowohl was die interne Kommunikation als auch die Vertretung nach außen angeht. Hier setze ich auf die positiven Erfahrungen, die ich im DLR in den letzten sieben Jahren machen durfte!

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite