Luftfahrt | 18. März 2015 | von Jörg Brauchle

Ein Jahr danach: Was aus den Luftbildern der Himalaya-Expedition geworden ist

Flug am Mount Everest
Quelle: Klaus Ohlmann
300 Kilometer Fernsicht über den Himalaya. In der Bildmitte der Mount Everest (8.848 Meter). Rechts der Lhotse (8516 Meter). Die DLR-Spezialkamera MACS ist in einem Kamerabehälter unter der Tragfläche einer Stemme S10 VTX montiert.

Im Januar 2014 berichtete ich in diesem Blog über unsere Himalaya-Messkampagne. Mithilfe eines Stemme S10-VTX-Motorseglers beflogen wir ausgewählte Gebiete Nepals. Mit dabei war eine spezielle Messkamera (MACS - Modular Airborne Camera System), die vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin für diese Mission entwickelt wurde. Sie nimmt trotz der außergewöhnlichen Umgebungsbedingungen von minus 35 Grad Celsius, geringem Druck und extremen Beleuchtungsverhältnissen Bilder auf von steilen Berghängen, Tälern und Gletschern. Aus diesen photogrammetrischen Aufnahmen wurden detaillierte dreidimensionale Modelle dieser höchsten Gebiete der Welt gerechnet.##markend##

Ziel war die technologische Entwicklung eines für diese Umgebung geeigneten Messkamerasystems sowie die Herleitung der gesamten Prozessierungskette bis hin zum 3D-Modell und daraus abgeleiteten Informationen. Ein Beispiel: Aus der Vermessung eines Gletschers kann durch wiederholte Befliegung sehr genau die Volumenänderung pro Zeit ermittelt werden. Diese Information ist ein wichtiger Parameter für Klimamodelle. Mithilfe der luftgestützten Fernerkundung können nicht nur detaillierte Messungen gemacht werden, sondern auch für Menschen schwierige oder auch gar nicht erreichbare Gebiete flächendeckend erfasst werden.

Die Himalaya-Expedition wurde am 29. Januar letzten Jahres erfolgreich abgeschlossen. Innerhalb einer Woche wurden das Kali-Gandaki-Tal, die Altstadt von Kathmandu, das Seti-Tal, der Khumbu-Gletscher sowie der Mount Everest aus kurzer Distanz aufgenommen. Mehr als 350.000 Einzelbilder wurden gesammelt. Das Flugzeug erreichte Höhen bis über 9.200 Meter. Nie zuvor war ein derartiges Flugzeug dort unterwegs, eine Fernerkundungskamera erst recht nicht. Jedes Gebiet für sich wurde aufgrund spezieller Fragestellungen ausgewählt. Mehr über die Hintergründe, den Hergang der Expedition und warum gerade die Stemme für dieses Projekt ausgewählt wurde, steht im DLR-Magazin 142.

In den darauf folgenden Monaten waren die Kollegen aus der Photogrammetrie an der Reihe. Ein Modell nach dem anderen entstand. Auf der Internationalen Luftfahrtausstellung ILA im Mai 2014 präsentierten wir Modelle des Kali-Gandaki-Tals, des Khumbu-Gletschers am Fuße des Mount Everest sowie des Mount Everests mit einer Bodenauflösung von weniger als 15 Zentimetern an seiner Südflanke.

Ein Fernsehteam hat das Projekt mit all seinen Höhen und Tiefen von Anfang an begleitet. Im Dezember letzten Jahres war es dann soweit: die zweiteilige Wissenschaftsdokumentation "Von Strausberg zum Mount Everest - Forschungsabenteuer im Hightech-Segler"  ging auf Sendung. Sie ist noch eine gewisse Zeit in der RBB-Mediathek abrufbar.

Unterdessen gab es aus Sicht der Entwickler insbesondere zwei Fragen zu klären: Wie sind die enormen Helligkeitsunterschiede in den Bildern zu behandeln, und ist die Messkamera zu jedem Zeitpunkt trotz des Einsatzes in freier Atmosphäre tatsächlich eine messende Kamera, also optisch stabil geblieben. Schließlich ist jedem Pixel im Luftbild und somit jedem Punkt im errechneten 3D-Modell eine geographische Koordinate zugeordnet. Diese Georeferenzierung geschieht ausschließlich mithilfe der kalibrierten Kamera sowie einigen Zusatzinstrumenten an Bord, wie inertialgestützter Sensorik. Um fundierte Aussagen über Qualität und Charakterisierung des Modells treffen zu können, ist es erforderlich, einen unabhängig vom Kamerasystem gemessenen Referenzdatensatz zu erheben. Zu diesem Zweck werden Punkte, welche in den georeferenzierten Luftbildern deutlich zu erkennen sind, am Boden hochgenau eingemessen. Die auf diese Weise ermittelten Kontrollpunkte werden mit der Georeferenzierung der Luftbilder verglichen. Erst dann kann belegt werden, ob die Modelle valide sind und nur dann können alle daraus abgeleiteten Informationen mit Sicherheit für Anwendungen genutzt werden.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
Digitales Geländemodell des Khumbu-Gletschers und Mount Everest.

Vor drei Wochen haben sich meine Kollegen Matthias Geßner und Alexander Wieden auf den Weg nach Nepal gemacht, um mit dem Referenzdatensatz das vorerst letzte Puzzleteil heranzuschaffen. Mit geodätischer Ausrüstung sind sie in den Gebieten unterwegs, die vor etwas mehr als einem Jahr aus der Luft aufgenommen wurden. Wie sie messen und ob es voran geht, davon wird der kommende Blogeintrag berichten.

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Über den Autor

Jörg Brauchle ist Entwicklungsingenieur und Projektleiter am DLR, wo er neue Technologien zur Fernerkundung erforscht. Er bloggt für spannende Expeditionen wie die Erkundung der Himalaya-Region und publiziert in einschlägigen Fachzeitschriften. zur Autorenseite