Raumfahrt | 24. März 2014 | von Tom Uhlig

Rendezvous im All

"Ich habe da was Nettes für unseren Blog", rief mich mein Kollege Cesare Capararo von der Konsole aus an - und was er zu erzählen hatte, ließ mich in der Tat meinen Zertifizierungsplan, an denen ich gerade gearbeitet hatte, aus der Hand legen und hinübergehen in das Büro der Satellitenexperten Jaap Herrman, Michael Kirschner und Kay Müller: Am Freitag, den 28. März 2014 wird es zu einem Rendezvous der besonderen Art im All kommen.

Um 10:47 UTC wird die Internationale Raumstation ISS knapp von GRACE1 (Gravity Recovery And Climate Experiment) passiert werden! "Allzu nahe" werden sich die Raumfahrzeuge dabei dennoch nicht kommen: Im übertragen-romantischen Sinn schon einmal gar nicht, denn GRACE1 hat bereits einen Partner, GRACE2, der ihm in einem Abstand von circa 240 Kilometern vorausfliegt - was den beiden bei uns die Spitznamen "Tom und Jerry" eingebracht hat. Und im physikalischen Sinn wird es auch nichts mit einem allzu engen Kontakt: Denn die amerikanische Weltraumbehörde NASA überwacht streng, wer oder was da mit der ISS potentiell "anbandeln" könnte: Im Zweifelsfall weicht die ISS aus - was dramatischer klingt, als es ist: Meist reicht eine gut dosierte Beschleunigung der ISS an einem definierten Bahnpunkt, um die Bahn derart zu ändern, dass eine Kollision ausgeschlossen ist.

In den unendlichen Weiten des Weltalls ist es aber doch eine Kuriosität, dass sich zwei Flugkörper, die von uns am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) in Oberpfaffenhofen betreut werden, so nahe kommen: Unter 2 Kilometer, so haben die NASA-Kollegen berechnet, wird der kleinste Abstand betragen. Es ist schon eine Besonderheit, dass bei uns im Haus Expertise für Satelliten und bemannte Raumfahrt gleichermassen vorhanden ist - und noch verrückter, dass wir in zwei unterschiedlichen Kontrollräumen, die üblicherweise keine großen Berührungspunkte haben, aber Tür an Türe liegen, das gleiche Ereignis koordinieren, überwachen und analysieren!

Freitag früh führt mich mein Weg natürlich sofort an die Flugdirektor-Konsole - auch Kay Müller von GRACE ist mit dabei - und wir erfahren, dass keinerlei Ausweichmanöver der ISS heute geplant werden musste: Die Messungen und Analysen im Laufe der Nacht haben ergeben: Die Bahnen sind so gut bekannt, dass die Orbitunsicherheiten in den beinahe nicht mehr messbaren Bereich abgesunken sind. Da kann nichts passieren, das tête-à-tête wird mit etwa 2 Kilometern Abstand passieren. Aber es ist gut möglich, dass wir nach GMT 10:47 uns mit den GRACE-Kollegen mal auf einen Kaffee treffen…

Bild 1: Die Fotomontage zeigt die GRACE-Zwillingssatelliten, genannt "Tom und Jerry", mit der Internationale Raumstation ISS. Bild: DLR CC-BY (3.0)

Bild 2: Das Telemetriesystem SATMON zeigt die Bahnüberschneidung der Raumschiffe an der Konsole an. Bild: Chris Peat, heavens-above.com

Bild 3: Künstlerische Darstellung der beiden GRACE-Satelliten, Bild: DLR CC-BY (3.0)

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite