Raumfahrt | 14. Februar 2015 | von Tom Uhlig

Servus, ATV!

ATV%2d4 Wiedereintritt 2013. Quelle: ESA/NASA

Zeit für Abschiede!! Nachdem Anfang der Woche schon das Transportraumschiff „Dragon“ die ISS verlassen hat, war es heute für den europäischen Transporter ATV so weit: Das Raumschiff mit dem klangvollen Namen Georges Lemaître wurde von der ISS abgekoppelt und wird nach mehreren Orbits in die Erdatmosphäre eintauchen. Dort wird das Raumfahrzeug durch die enorme Reibungswärme, verursacht durch die Abbremsung durch die oberen Luftschichten, in einem riesigen Feuerball aufgehen – ein würdiger Abschluss der Mission, die den Namen eines der Urväter der Urknalltheorie trägt! ##markend##

Leider das letzte ATV überhaupt – nach fünf sehr erfolgreichen Missionen ist das Projekt damit beendet. Wir vom Columbus Control Center (Col-CC) haben für die Flüge die Bodeninfrastruktur zur Verfügung gestellt und die Kollegen vom ATV-CC in Toulouse mit Daten-, Video- und Sprachanbindung an das internationale Raumstationsnetzwerk versorgt.

Nachdem Samantha Cristoforetti und Alexander Samokutjajew die Luken des ATV-Transporters gestern geschlossen hatten, war die ISS in den letzten Stunden auf das Abdocken des ATVs vorbereitet worden: Wir mussten unsere kleine Amateurfunkstation in Columbus abschalten genauso wie die außen angebrachte RAPIDSCAT-Plattform, die im Mikrowellenbereich Winde auf der Erde vermisst – alle Störungen der ATV-Navigation durch elektromagnetische Emissionen der ISS sollen vermieden werden. Langsam wurde dann die ISS auch in die entsprechende Ausrichtung gebracht – und für den Moment des Abdockens die aktive Lageregelung der ISS abgeschaltet: Das ATV sollte sich ungestört von der frei driftenden ISS „abstossen“ können, ohne dass die Raumstation diesen Kraftstoss zu kompensieren versuchen würde. Dann blieb den Astronauten nur noch das Nachwinken...

Das ATV ist nur ein Teil einer großen Raumflotte, die für die ISS-Versorgung zur Verfügung steht. Nach der Außerdienststellung der amerikanischen Space Shuttles ist die russische Sojus-Kapsel derzeit die einzige Möglichkeit, Menschen zur und von der ISS wieder auf die Erde zu bringen. Drei Personen teilen sich den engen Raum – und somit ist für weitere Nutzlast nur sehr wenig Platz.

Trotzdem steht genug Transportkapazität zur Verfügung, um die ISS mit der lebenswichtigen Fracht zu versorgen: Die Russen fliegen seit Jahren ihren unbemannten Progress-Transporter, die Japaner das HTV und die Europäer das ATV. Relativ neu in der Familie sind zwei amerikanische kommerzielle Vehikel: Dragon und Cygnus der Firmen Space-X und Orbital Science Cooporation, zwei ebenfalls unbemannte Raumschiffe.

Während das ATV und der Progress-Transporter selbst die ISS anfliegen und andocken können, brauchen die anderen Unterstützung durch die ISS-Roboter: Sie nähern sich der ISS, fliegen dann „in Formation mit ihr“, was bei der komplizierten Bahnmechanik gar nicht so einfach ist – und werden schließlich durch den Stationsroboterarm sachte eingefangen und an den für die bestimmten Docking Port gehievt. Spätestens dann sind die Astronauten gefragt, die den Frachtraum nun betreten und entladen können.

Wesentlich komplizierter als die ISS mit Nutzlast zu versorgen, ist es, etwas von der ISS wieder auf die Erde zu bringen. Sowohl das ATV als auch das HTV, die Progress und Cygnus verfügen nämlich über keinen Hitzeschild oder die anderen Systeme, die zu einem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nötig sind: Sie sind dafür konzipiert, beim Wiedereintritt in den obersten Luftschichten der Erde zu verglühen. Daher lädt die Besatzung von dem Abdocken dieser Raumschiffe diese mit dem Müll der ISS voll – und sie dienen dann als kosmische Müllabfuhr.

Neben der bemannten Sojus ist lediglich Dragon dafür ausgerichtet, der gewaltigen Energiemenge, die bei der Abbremsung von 23facher Schallgeschwindigkeit (!!!) entsteht, zu widerstehen.

Paradoxerweise ist es daher wesentlich schwieriger, etwas von der Raumstation wieder auf die Erde zu bekommen als umgekehrt.

Quelle: DLR (CC-By 3.0)
Space Shuttle (a) und das Multipurpose Logistic Module (MPLM, b) in seiner Ladebucht gehören der Vergangenheit an, die Sojuskapsel (c) ist daher gegenwärtig die einzige Reisemöglichkeit für Astronauten. Das HTV (d), die Progress (e), das ATV (f), Dragon (g) und Cygnus (h) sind die Lastpferde der ISS.

 

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite