Raumfahrt | 03. September 2015 | von Tom Uhlig

Die dänische Herausforderung

"Farvel", Andreas! Auf eine gute Mission!
Quelle: NASA/ESA–J. Blair
"Farvel", Andreas! Auf eine gute Mission!

Sommerpause am Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen? Mitnichten! Wir haben wieder einen guten Bekannten im All! Gestern startete der Däne Andreas Mogensen von Baikonur aus Richtung ISS - und diesmal ist alles anders. Denn in zehn Tagen wird der ESA-Astronaut schon wieder im Raumschiff auf dem Weg nach Hause sitzen...

Warum das? Üblicherweise bleiben Astronauten etwa ein halbes Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS. Darauf ist der normale "Flugplan" der Sojusraumschiffe ausgelegt - und auch ihre Zertifizierung bezüglich der maximalen Zeitspanne, die sie den Weltraumbedingungen ausgesetzt sein dürfen.##markend##

Will man allerdings irgendwann einmal zum Mars, zu einem Asteroiden oder zu längeren Unternehmungen auf dem Mond aufbrechen, so braucht man Langzeiterfahrung: Wie reagiert der menschliche Körper jenseits des "magischen" halben Jahres auf die Schwerelosigkeit? Hier können die Russen zwar einige "Datenpunkte" beisteuern, aber länger als ein Jahr waren bisher nur zwei Menschen überhaupt im All.  Deswegen haben Roskosmos und die NASA ein interessantes Projekt begonnen: Michail Kornijenko und Scott Kelly sollen fast ein Jahr (geplant sind 342 Tage) auf der ISS leben und arbeiten und dabei einen wertvollen Beitrag für zukünftige bemannte Missionen liefern. Mit einbezogen in das Forschungsprojekt ist auch Scotts eineiiger Zwillingsbruder Mark. Er ist auch Astronaut und ein Glücksfall für die Raumfahrt: Direkte Vergleiche zwischen "ein Jahr auf der Erde" und "ein Jahr im All" werden so möglich...

Um diese Jahresmission durchführen zu können, muss das Sojusraumschiff ausgetauscht werden. So kann das "Haltbarkeitsdatum"-Problem umgangen werden. So ergaben sich zwei Plätze für eine Kurzzeitmission - einen davon hat Mogensen erhalten. Platz Nummer zwei war ursprünglich für Musicalstar Sarah Brightman vorgesehen, aber die Weltraumtouristin musste im Mai 2015 ihren Flug aus persönlichen Gründen absagen (ob ihre Reiserücktrittsversicherungsgesellschaft eingesprungen ist, ist nicht bekannt...), worauf der kasachische Kosmonaut Aidyn Aimbetow ihren Platz einnahm.

Mit ihrem Sojuskommandanten Sergei Wolkow hoben die beiden nun am Dienstagmorgen ab, um nach 34 Erdumrundungen am Freitag morgen an die ISS anzudocken. Ihr Sojusraumschiff wird dann Scott und Michail zum Heimkommen dienen, während Andreas und Aidyn mit deren Sojus unter dem Kommando von Gennadi Padalka, dem bisherigen Rekordhalter für die „längste Aufenthaltsdauer im All“, wieder landen werden.

Aber Andreas' Flug ist alles andere als ein "bloßer Überführungsflug": Die ESA hat die Gelegenheit genutzt, um die "Short Duration Mission" (SDM) vollzupacken mit wissenschaftlichen Experimenten, technischen Untersuchungen, Public-Outreach-Aktivitäten und Columbus-Wartungsarbeiten. Mogensen wird exklusiv nur ESA-Aufgaben erledigen, eine Riesenherausfoderung für das gesamte Betriebsteam in Oberpfaffenhofen und die anderen europäischen Raumfahrtzentren: Üblicherweise arbeiten die Astronauten nur einen kleinen Bruchteil des Tages in Columbus - was uns am Boden Zeit gibt, die nächsten Tage vorzubereiten, uns über Fehler und Probleme Gedanken zu machen, die Prozeduren gegebenenfalls entsprechend anzupassen und uns mit den ESA-Managern abzustimmen.

Für die nächsten Tage müssen wir - um die Bildersprache des zuständigen ESA Mission Directors Roland Lüttgens zu verwenden - vom Marathon-Modus in den Sprint-Modus übergehen: Keine Zeit für lange Diskussionen und Analysen, die Experten müssen ständig zur Verfügung stehen, es sind täglich Telekonferenzen mit allen Entscheidungsträgern angesetzt, um auf Schwierigkeiten schnell reagieren zu können. Zwei spezielle SDM-Teams im Schichtbetrieb unterstützen das Flugkontrollteam im Hintergrund, die Missionsplaner sind im Dauereinsatz...

Wir sind bereit - und harren gespannt der Dinge, die da kommen...!

 

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite