Raumfahrt | 14. April 2014 | von Tom Uhlig

Raumfahrt ist Teamarbeit

Wenn wir aus dem Columbus-Kontrollzentrum (Col-CC) über die letzten Entwicklungen auf der Internationalen Raumstation ISS berichten, dann tun wir das nicht nur als eines der fünf Hauptkontrollzentren der ISS, sondern auch als eines der verschiedenen Kontrollzentren, die auf europäischer Seite für die Raumstation arbeiten.

Sämtliche Fäden der ESA-Aktivitäten laufen zwar hier bei uns zusammen, aber die wichtigen Überwachungs- und Kommandierungsaufgaben für die Experimente selbst, die finden oft anderswo statt: Jedes europäische Experiment hat ein kleines Kontrollzentrum irgendwo in Europa zugeordnet, welches die Daten empfängt, die Hardware überwacht, Kommandos schickt, für Fragen der Astronauten oder Probleme die fachliche Expertise und Hilfe garantieren kann - und gleichzeitig auch die Schnittstelle zu den eigentlichen Wissenschaftlern in den Universitäten und Forschungseinrichtungen darstellt.

Die kleinen Zentren werden in unserem Jargon "USOCs" genannt - eine der vielen hundert oder wahrscheinlich sogar tausend Abkürzungen, die wir benutzen. Sie steht für "User Support and Operations Center". Unsere Kollegen müssen allerdings - anders als wir hier am Col-CC - nicht ständig verfügbar sein. Sie kommen nur "an die Konsole", wenn es für ihr Experiment etwas zu tun gibt - entweder weil es gerade läuft oder die Astronauten an ihm arbeiten, oder weil Vorbereitungsarbeiten zu erledigen sind: Neue Prozeduren, der Check, ob unsere Planer die Aktivitäten korrekt in den Stundenplan der Raumstation eingefügt haben, Vorkoordinationen…

Heute sitzen deshalb gleichzeitig mit unserem Team auch Dario in Neapel (MARS Center), Philipp und Arjan in Köln (MUSC Center), Alexandra in Luzern (BIOTESC Center), Cecile in Toulouse (CADMOS Center) und Koen in Brüssel (B.USOC Center) an den Konsolen.


Im Kontrollraum des MUSC (Microgravity User Support Center) in Köln. Quelle: DLR CC-BY (3.0)

Sie müssen nicht rund um die Uhr anwesend sein wie wir hier in Oberpfaffenhofen; dafür haben wir aber mehr Gesellschaft - und tolle Funkrufnamen:

Da gibt es immer einen STRATOS, der alle Subsysteme von Columbus überwacht. Einen COL FLIGHT, der verantwortlich zeichnet für alle europäischen Aktivitäten auf der ISS und diese koordiniert. Der COMET kümmert sich um die Planung. Einen GSOC GC und einen SYSCON, die unser kompliziertes Bodensystem im Auge behalten. Wenn die Astronauten arbeiten, ist da auch noch ein EUROCOM, der als einziger mit der Besatzung reden darf, und ein COSMO, der sich um alle mechanischen und logistischen Angelegenheiten kümmert. Allerdings sind diese beiden letzteren Positionen meist physikalisch nicht bei uns in Oberpfaffenhofen, sondern da, wo die jeweilige Expertise zuhause ist: Am Europäischen Astronautenzentrum in Köln und in einem der beiden Engineering-Zentren in Bremen oder Turin. Die Kollegen sind dann über unser "Voice Communications System" mit uns verbunden und wir haben Zugang zu den gleichen Datenbanken, so dass wir auch über die Entfernung gut miteinander arbeiten können. So wie mit den USOCs oder der NASA auch.


Im Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen an der Konsole des Flight Directors. Quelle: DLR CC-BY (3.0)

Im Hintergrund gibt es dann noch verschiedene Teams, die uns wochentags ständig unterstützen, aber nicht zur eigentlichen "Front Room"-Besatzung zählen: Eine Planungs- und Experimentkoordinationsgruppe, die ESA-Missionsdirektoren, eine Truppe von Ingenieuren als erste Ansprechpartner für technische Probleme, die wir alleine nicht lösen können, ein medizinisches Team. Sie alle sind Teil des Betriebsteams - und hinter ihnen stehen dann weitere Expertengruppen und Funktionen, die wir aber über unsere "üblichen Kanäle" nicht mehr erreichen können - sie sind "off-line"…

Heute ist es relativ ruhig auf der Raumstation: Anlässlich des Cosmonaut Days haben die Astronauten frei.

Wir - das riesige, über ganz Europa verteilte Team - bereiten deshalb vor allem die kommenden Tage vor: Unser Fluid Science Lab muss getestet werden, ein Experiment namens "T-Cell" ist im Anflug - fast zumindest, denn der Start des "Dragon"-Raumtransporters verzögert sich und auch das macht uns zu schaffen. BIOLAB soll die "Gravi-2"-Proben kühlen, und wir unterstützen die NASA bei einem Ultraschallexperiment.

Auch schon vor der Mission von Alexander Gerst sind unsere Kollegen in ganz Europa und "Mission Control Oberpfaffenhofen" schwer beschäftigt!

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Über den Autor

Als Kind wollte Tom Uhlig Astronaut werden. Beim DLR kam er dabei seinem Traum sehr nahe: Er arbeitete als Columbus-Flugdirektor an der Konsole und leitete sowohl das Col-CC-Trainingsteam als auch Gruppe für den Betrieb von geostationären Satelliten bis Dezember 2016. zur Autorenseite