Energie | 16. August 2010 | von Jan Oliver Löfken

Energie-Frage der Woche: Gibt es ein Land, das schon heute nur mit Erneuerbaren Energien auskommt?

Weltweit – von Europa über Amerika bis China – wird immer mehr Energie aus regenerativen Quellen genutzt. Vor allem in der Stromerzeugung schlägt sich dieser Trend nieder. So bauten in den vergangenen beiden Jahren die USA und die EU-Staaten mehr Kraftwerkskapazitäten auf der Basis von Wind, Wasser und Sonne auf als auf konventionellen Energieträgern wie Kohle, Gas oder Uran. Schafft es dabei überhaupt schon ein Land, sich nur noch mit erneuerbarer Energie zu versorgen?

Trotz des positiven Trends bei der Stromversorgung kann heute noch kein einziger Staat weltweit auf fossile Energieträger verzichten. Der Grund liegt in der Mobilität mit Verbrennungsmotoren, die auf hauptsächlich aus Erdöl gewonnenen Treibstoffen gründet. Die EU deckte aber 2009 immerhin ein Fünftel ihres Strombedarfs mit Wasser-, Wind- und Solarkraft. Spitzenreiter ist Österreich, das auf der Basis seiner Wasserkraftwerke rund 70 Prozent seines Stroms klimaneutral erzeugt. Finnland erreicht wie Portugal mehr als 30 Prozent. "Außerhalb der EU sticht Norwegen heraus, das seinen Strom fast ausschließlich aus Wasserkraft gewinnt", sagt Franz Trieb vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart, verantwortlich für den Bereich Systemanalyse und Technikbewertung.

Wasserkraft liefert heute den meisten regenerativ erzeugten Strom

Auf anderen Kontinenten sind es ebenfalls Wasserkraftwerke mit teils gigantischen Ausmaßen, die eine Unabhängigkeit von Kohle und Kernkraft ermöglichen. Brasilien bezieht aus diesen Anlagen 85 Prozent seines Stroms, Chile gut die Hälfte und Argentinien immerhin noch 35 Prozent (Stand 2008, REN21 Global Status Report). Costa Rica muss nur noch fünf Prozent seines Stroms mit fossilen Brennstoffen erzeugen, Mozambique und Sambia erreichen gar eine Stromquote aus erneuerbaren Quellen von 99 Prozent. "Kleine Länder mit weniger Menschen haben es natürlich leichter", sagt Trieb.

Die Staumauer des Kraftwerks Ottenstein und der dahinterliegende Stausee, Bild: EVN-AG, Bild oben: Leine-Waserfall; Daniel Schwen

Die Staumauer des Kraftwerks Ottenstein und der dahinterliegende Stausee, Bild: EVN-AG, Bild oben: Leine-Waserfall; Daniel Schwen.

"Noch vor der Industrialisierung haben fast alle Länder ausschließlich erneuerbare Energiequellen genutzt", verdeutlicht der DLR-Energieexperte. Und genau dieses Ziel kann nun weltweit langsam wieder angestrebt werden. Selbst China hat 2009 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 13,8 Gigawatt installiert und damit die USA, Deutschland und Spanien überholt. Doch wegen des wachsenden Strombedarfs baute China zusätzlich ein Vielfaches dieser Kapazität mit Kohlekraftwerken auf. Global gesehen zogen die neu gebauten, regenerativ betriebenen Kraftwerke in den vergangenen beiden Jahren mit einem Anteil von 47 Prozent fast gleich mit den neuen, fossil befeuerten Anlagen (53 Prozent).

Mobilität basiert größtenteils auf Erdöl

Mit geplanten Einspeise-Tarifen, neuen Technologien vor allem im Solarbereich und verbindlichen Grenzwerten für den CO2-Ausstoß wird sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen. Doch trotz aller Fortschritte bleibt bei den Treibstoffen die Abhängigkeit vom Erdöl bestehen und steigt mit wachsenden Fahrzeugflotten in China und Indien sogar noch an. Zwar wuchs die Menge an weltweit produzierten Biotreibstoffen 2009 auf 76 Milliarden Liter Bioethanol und 17 Milliarden Liter Biodiesel an. Doch landwirtschaftliche  Anbauflächen sind begrenzt und werden zur Produktion von Nahrungsmitteln benötigt, so dass allzu große Steigerungen nicht zu erwarten sind. Bevor Elektroantriebe die dominierende Rolle der Verbrennungsmotoren einschränken könnten, bleibt es daher wichtiger, zum einen die Effizienz von Kraftfahrzeugen zu erhöhen, seine Mobilität einzuschränken und mehr Waren aus nahgelegenen Produktionstätten und Anbauflächen zu kaufen.

Die DLR-Energiefrage der Woche im Wissenschaftsjahr "Die Zukunft der Energie"

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto "Die Zukunft der Energie" gestellt. Aus diesem Anlass beantwortet der Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken in diesem Jahr jede Woche eine Frage zum Thema Energie in diesem Blog. Haben Sie Fragen, wie unsere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte? Oder wollen Sie wissen, wie beispielsweise ein Wellenkraftwerk funktioniert und wie effizient damit Strom erzeugt werden kann? Dann schicken Sie uns Ihre Fragen. Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken recherchiert die Antworten und veröffentlicht sie jede Woche in diesem Blog.

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Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite