Energie | 08. Februar 2010 | von Jan Oliver Löfken

Energie-Frage der Woche: Wie wird ein T-Shirt zum Kraftwerk?

Wenn sich die Batterie von Handy, Laptop oder MP3-Player leert, beginnt unterwegs die verzweifelte Suche nach einer Steckdose. Mehr Unabhängigkeit könnte in Zukunft eine Stromquelle bieten, die jeder immer mit sich tragen kann: das eigene Hemd. Zugegeben, seine Elektronik mit einem Stück Stoff aufzuladen, klingt wie ein Märchen. Doch ist das T-Shirt als Kraftwerk wirklich nur eine abwegige Vision?

 

Für die Forschergruppe um Zhong Lin Wang vom Georgia Institute of Technology in Atlanta liegt in speziellen Stromfasern tatsächlich eine zukünftige Quelle mobilen Stroms. Nach jahrelanger Forschung schafften sie es sogar vor gut einem Jahr, einen stabilen Prototyp einer Stromfaser herzustellen und präsentierten ihre Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift "Nature Nanotechnology". Allein mit Biegebewegungen konnten sie mit einem dünnen Faden aus Zinkoxid Strom erzeugen. Mit einer Effizienz von knapp sieben Prozent wandelten die Fasern mechanische in elektrische Energie um.

Strom aus sich biegenden Nanoborsten

Möglich wird dieses Kunststück über den Piezoeffekt. Das ist die Eigenschaft von Materialien, aus mechanischen Bewegungen direkt elektrische Spannungen zu erzeugen. Elektronische Feuerzeuge erzeugen den Zündfunken beispielsweise mit einem solchen Piezomodul und hochsensible Drucksensoren messen eine mechanische Belastung über die dadurch erzeugte Spannung. Für die Piezofaser zur Stromerzeugung deponierten die US-Forscher nun eine nur vier millionstel Meter dicke und ein fünftel Millimeter lange Faser mit oder ohne zahlreiche Borsten aus Zinkoxid in eine flexible Folie aus dem Kunststoff Polyimid. Wird dieses Modul gebogen, streckt sich die Zinkoxid-Faser um ein Zehntel Prozent oder die Borsten reiben aneinander. Dabei fließt ein Strom von bis zu acht Pikoampere bei 50 Millivolt Spannung.

Mittlerweile konnten die Forscher das eigentlich spröde Material Zinkoxid so gut in den Kunststoff verkapseln, dass die Stromfaser nicht direkt zerbröselt. Nach ihren ersten Versuchen mit einzelnen Piezo-Fasern schätzen die Forscher, dass ein ein Quadratmeter großes Stoffstück mit eingewobenen Strom-Fäden etwa 80 Milliwatt Leistung liefern könnte. Für den Standby-Betrieb eines Handys könnte das schon ausreichen.

Mobiles Kraftwerk für medizinische Sensoren

Und Wang kann sich schon heute zahlreiche Anwendungen seiner kleinen Kraftwerke vorstellen. "Sich selbst mit Strom versorgende Nanotechnologie könnte die Basis für einen neuen Industriezweig sein", sagt er. Mit implantierten Zinkoxid-Fasern könnten über Muskelbewegungen medizinische Sensoren betrieben werden. Er denkt aber auch an größere Module, die in Schuhsohlen oder in Textilien integriert werden könnten, um unterwegs durch normale Gehbewegungen die Akkus mobiler Elektronik stetig aufzuladen. Und viele seiner Kollegen nehmen Wangs Ideen durchaus ernst.

Zum Nachlesen:
"Power generation with laterally packaged piezoelectric fine wires", Rusen Yang et al.; Nature Nanotechnology, doi:10.1038/nnano.2008.314

Weitere Informationen:
Arbeitsgruppe Z.L. Wang

Die DLR-Energiefrage der Woche im Wissenschaftsjahr "Die Zukunft der Energie"

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto "Die Zukunft der Energie" gestellt. Aus diesem Anlass beantwortet der Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken in diesem Jahr jede Woche eine Frage zum Thema Energie in diesem Blog. Haben Sie Fragen, wie unsere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte? Oder wollen Sie wissen, wie beispielsweise ein Wellenkraftwerk funktioniert und wie effizient damit Strom erzeugt werden kann? Dann schicken Sie uns Ihre Fragen per E-Mail. Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken recherchiert die Antworten und veröffentlicht sie jede Woche in diesem Blog.

TrackbackURL

Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite