Energie | 20. Dezember 2010 | von Jan Oliver Löfken

Energie-Frage der Woche: Wie wird sich die Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten wandeln?

Zahlreiche Studien sagen für Deutschland voraus, dass bis 2050 ein sehr großer Teil des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden könnte. An dem Ausbau von Wind-, Wasser- und Solarkraftwerken hat auch das DLR einen bedeutenden Anteil. Doch welche konkreten Änderungen sind zu erwarten? DLR-Vorstand für Energie und Verkehr, Ulrich Wagner, gibt einen Ausblick in die Zukunft.

Im Juni 2010 präsentierte das DLR zusammen mit mehr als 30 weiteren Experten im Auftrag von Greenpeace International und dem European Renewable Energy Council (EREC) ein globales Energieszenario. Bis zu 80 Prozent der Energieversorgung könnte bis 2050 aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden und den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid drastisch senken. "Wichtig auf diesem Weg ist es, nicht nur neue regenerative Kraftwerke zu bauen, sondern auch die Effizienz der konventionellen Kraftwerke zu steigern", sagt Ulrich Wagner, Vorstand für Energie und Verkehr im DLR. Denn parallel zum Ausbau der Erneuerbaren müssten diese Kohlen- und Gaskraftwerke noch eine ganze Reihe von Jahren laufen.

Solarthermie als Exportschlager

Laut Wagner werde ein breites Spektrum an Technologien den Strombedarf decken. Windparks in Nord- und Ostsee könnten dabei sinnvoll durch solarthermische Kraftwerke ergänzt werden. "Da diese Anlagen eine direkte Solarstrahlung brauchen, ist der Einsatz in unseren Breitengraden nicht sehr effizient", sagt Wagner. Dennoch sei es extrem wichtig, diese weit gereifte Technologie weiter zu verbessern, da sie ein wichtiges Exportgut für die heimische Industrie darstelle.

Offshore Windpark Middelgrunden, Dänemark, zwei Kilometer vor der Küste östlich von Kopenhagen. Bei einer Gesamtleistung von 40 MW erzeugt der Windpark 90 GWh pro Jahr und kann 20.000 Haushalte mit Strom versorgen. Bild: Bundesverband WindEnergie e.V.

Offshore-Windpark Middelgrunden, Dänemark, zwei Kilometer vor der Küste östlich von Kopenhagen. Bei einer Gesamtleistung von 40 MW erzeugt der Windpark 90 GWh pro Jahr und kann 20.000 Haushalte mit Strom versorgen. Bild: Bundesverband WindEnergie e.V.

"Ein sehr großes Ausbaupotenzial sehe ich bei der Windenergie auf offener See", so Wagner. Um die starken und stetigen Winde auf dem Meer besser nutzen zu können, müssten die Anlagen jedoch von Grund auf neu konzipiert werden. Allein die Windrad-Technologie für Anlagen an Land zu kopieren, reiche nicht aus, um das Offshore-Windpotenzial gut ausschöpfen zu können. "Für die neuen Systeme werden wir viel von unseren DLR-Kollegen mit ihrer breiten Erfahrung in Luft- und Raumfahrt lernen können", ist Wagner überzeugt.

Herausforderung Wärmespeicher

Sehr wichtig für den Strommix von morgen sind solarthermische Kraftwerke, die derzeit in Südspanien schon gebaut und für Nordafrika im Rahmen der Desertec-Initiative geplant werden. "Schon jetzt arbeiten diese Kraftwerke mit Wärmespeichern und können auch am Abend oder während der Nacht Strom ins Netz einspeisen", sagt Wagner, allerdings sieht er noch großen Forschungsbedarf. "Wir müssen die Wärmespeicherung bei möglichst hohen Temperaturen voran bringen, damit die Speicher effizient und gleichzeitig preiswerter werden. Es wäre ein gigantischer Fortschritt, wenn uns hier eine Lösung gelingt."

Mit der Entwicklung und dem Bau neuer Kraftwerke kommt der Verstärkung des europäischen Stromnetzes eine Schlüsselrolle zu. Um den Strom vom Erzeuger zum Verbraucher mit möglichst geringen Verlusten zu transportieren, werden heute schon mehr als 40.000 neue Leitungskilometer für Europa von den Netzbetreibern gefordert. Das DLR engagiert sich zwar nicht an der Technologie für diese Stromautobahnen, doch erarbeiten DLR-Forscher in detaillierten Systemanalysen, wo der Ausbau der Leitungskapazitäten am sinnvollsten ist.


Zukunft der Elektromobilität

Im Verkehrssektor wird der Ersatz für fossile Energieträger allerdings langsamer erfolgen als im Stromsektor. "Aber bis 2050 kann ich mir einen Anteil an Elektromobilen von 20 bis 25 Prozent gut vorstellen", sagt Wagner. Vor allem Personen- und kleinere Nutzfahrzeuge könnten vollelektrisch, mit Hybrid-Antrieb oder mit Wasserstoff, über die Straßen rollen. Letztere benötigten langlebige und stabile Brennstoffzellen, um die es in der derzeitigen Diskussion eher still geworden ist. "Doch die Brennstoffzelle ist nach wie vor eine interessante Option", so Wagner.

Einen weiteren Schub für die Elektromobilität wird von mobilen Stromspeichern mit hohen Ladekapazitäten erwartet. "Für diese Zukunft bauen wir derzeit mit unseren Partnern ein Batterieforschungszentrum in Ulm auf", sagt Wagner. Im Januar 2011 wird der Startschuss erfolgen, dann wird es sich vielen noch nicht marktreifen Speichertechnologien, wie beispielsweise der Lithium-Luft-Batterie widmen. So wird das DLR in den kommenden Jahren seine Aktivitäten für Sonnenkraftwerke, Energie- und Speichersysteme und für Mobilitätstechnologien der Zukunft weiter verstärken. "Energie und Verkehr wird aufbauend auf den bis heute erzielten Erfolgen ein noch wichtigeres Standbein des DLR werden", ist Wagner überzeugt.

Bild oben: Prof. Ulrich Wagner, Vorstand für Energie und Verkehr im DLR. Bild: DLR.

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Über den Autor

Der Energiejournalist Jan Oliver Löfken schreibt unter anderem für Technologie Review, Wissenschaft aktuell, Tagesspiegel, Berliner Zeitung und das P.M. Magazin. Derzeit diskutiert er im DLR-Energieblog aktuelle Themen rund um die Energiewende. zur Autorenseite