Raumfahrt | 19. Dezember 2016 | von Thomas Terzibaschian

Zwei ungleiche Brüder - Warum 'kann' BIROS "AVANTI" und TET-1 nicht?

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
BIROS "fängt" BEESAT-4

Im Juni 2012 startete der Kleinsatellit TET-1 seine Mission ins All. Vier Jahre später, im Juli 2016, folgte ihm sein Bruder BIROS. Im Grundaufbau sind beide Satelliten nahezu identisch, identisch sind auch die Hauptnutzlastkameras für die Feuerfernerkundung. Zusätzlich tragen beide Satelliten unterschiedliche weitere Nutzlasten. Im November führten DLR-Wissenschaftler nun mit BIROS ein einzigartiges Experiment durch: AVANTI (Autonome Visuelle Anflug-Navigation und Target Identifikation), ein "Katz-und-Maus-Spiel" im Weltraum.##markend##

Das Experiment "AVANTI"

Um zu verstehen, warum AVANTI nur mit BIROS und nicht mit TET-1 durchgeführt werden kann, muss das Experiment zunächst kurz erklärt werden:
BIROS, waschmaschinengroß und zirka 125 Kilogramm schwer, wurde "schwanger" gestartet. Damit ist gemeint, dass sich in ihm der rund ein Kilogramm schwere und 10 x 10 x 10 Zentimeter große Picosatellit BEESAT-4 der Technischen Universität Berlin befand. Von diesem wurde BIROS am 9. September 2016 um 13 Uhr "entbunden". Nach ein paar Bahnmanövern des BIROS befand sich der Picosatellit in nicht allzu großer Entfernung (50 Kilometer) im BIROS-Orbit und konnte von ihm allein mittels optischer Bilddaten verfolgt werden. Das AVANTI-Experiment konnte beginnen. Um den Picosatelliten im Blick zu behalten, musste BIROS in der Lage sein, sowohl seine Orientierung als auch seine Geschwindigkeit eigenständig zu verändern und der Richtung und Geschwindigkeit des Picosatelliten anzupassen. Die Befehle hierfür stammten - und das ist die Besonderheit - nicht wie gewohnt vom Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen, sondern von den Programmen des AVANTI-Experiments an Bord.

Vorläufersatellit TET-1

Bereits der Satellit TET-1 konnte mithilfe seiner Sternkameras Sichtkontakt zu einem Zielsatelliten herstellen. Außerdem führt TET-1 Steuerungsbefehle aus wie: "Drehe die Solarzellen zur Sonne", "drehe die Kameras zu einem Ziel auf der Erde" oder "drehe Dich in Richtung eines Sterns". Was er allerdings nicht konnte, war die konstante und eigenständige Verfolgung eines Zielsatelliten.

Quelle: DLR (CC-BY 3.0)
"Hab´ dich!" - BIROS ist BEESAT-4 dicht auf den Fersen

Weiterentwicklung: der Satellit BIROS

Um nun sowohl zu ermöglichen, den Picosatelliten längerfristig zu verfolgen und auf Sichtweite entfernt zu bleiben, ohne eine Kollision zu riskieren, als auch größere Datenmengen zu speichern, wurde BIROS entwickelt. Hierfür lernte BIROS nicht nur die zusätzlichen Befehle: "Drehe eine Sternkamera zum PicoSat" und "drehe eine Düse in eine genau definierte Richtung und erzeuge zu einer bestimmten Uhrzeit einen bestimmten Schub". Er bekam außerdem zwei zusätzliche Kaltgasantriebe (Firma Aerospace Innovation, Berlin). So kann BIROS im Unterschied zu TET-1 in gewissen Grenzen seinen eigenen Orbit verändern und im Notfall auch Ausweichmanöver vornehmen: Lässt man Gas aus Düsen der zugehörigen Stickstoffflaschen entweichen, entsteht ein Schub, der den Satelliten beschleunigt und seine Bahn beziehungsweise seinen Orbit korrigiert.

Ein Schutzmechanismus verhindert eine Überbelichtung der Sternkameras durch stark reflektiertes Sonnenlicht, wenn BIROS dem Picosatelliten sehr nahe kommt. So kann BIROS gefahrlos und langfristig eine Verfolgung über reinen Sichtkontakt vornehmen.

Vorteil Datenauswertung

Neben umfangreichen AVANTI-Programmen musste der Bordcomputer von BIROS auch einen kompletten Sternenkatalog zur Verfügung stellen. Eine Speicherung der Bilddaten der Sternkameras ermöglichte ein zusätzlicher Computer an Bord des BIROS-Satelliten. Jedes Mal, wenn während des Experiments Funkkontakt zur Bodenstation bestand, konnten die Bilder zur späteren Analyse an die Bodenstation übertragen werden. All diese Veränderungen haben es möglich gemacht, mithilfe von BIROS das Experiment AVANTI erfolgreich durchzuführen.
 

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Über den Autor

Thomas Terzibaschian ist Physiker und arbeitet seit 1985 in Berlin-Adlershof - anfangs im Institut für Kosmosforschung, seit 1992 im neu gegründeten DLR Standort. zur Autorenseite