Das diesjährige Bauweisen-Kolloquium des DLR-Instituts für Bauweisen und Strukturtechnologie fand am 26. Juni 2012 in Stuttgart statt. In seiner Begrüßung stellte Institutsdirektor Prof. Heinz Voggenreiter die Frage, ob künftige Flugzeuge vorwiegend aus metallischen Strukturen oder aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) bestehen werden. Dieser Gedanke zog sich wie ein roter Faden durch alle Vorträge. Rund 70 Fachleute diskutierten die Herausforderungen der Luftfahrt: vom zunehmenden Flugverkehr über neue Anforderungen an das Gewicht bis hin zu attraktiveren Fertigungskosten. Industrie und Wissenschaft sind sich einig, dass gemeinsame Lösungen die Luftfahrt deutlich voranbringen werden.
Bernd Trahmer (Airbus) stellte in seiner Keynote den neuen Mittelstreckenflieger A320neo vor, dessen Triebwerke deutlich weniger Kerosin verbrauchen und leiser sind und blickte in die Zukunft: Wo sind Potentiale in der Luftfahrtbranche? Welche Innovationen sind für künftige Airbus-Flugzeuge denkbar? Günter Broden (Airbus) zeigte die Vorteile metallischer Rumpfstrukturen auf und Christian Hühne (DLR Braunschweig) erläuterte Designkonzepte für CFK-Rumpfstrukturen. Was Kosten und Belastungen angeht, eignen sich Metallrümpfe vor allem für Kurzstreckenflugzeuge. Für den Langstreckenbereich sind auch CFK-Rümpfe interessant. Welche Möglichkeiten es im Bereich der Rumpfmodellierung gibt, zeigte Dieter Kohlgrüber (DLR) Stuttgart mit seinem Vortrag zum Flugzeugvorentwurf. Für neue Flugzeugkonzepte können verschiedene Bauweisen verglichen und bewertet werden.
CFK-Strukturen verringern das Gesamtgewicht
Vor allem für flächige Bauteile wie Flügel und Leitwerk lohnt sich der Einsatz von CFK. So gibt es entsprechende Entwicklungen beim DLR. Ein Vorflügel aus CFK-Peek bietet Gewichts- und Kostenvorteile – eine sogenannte hybride Laminarhaltung am Seitenleitwerk sorgt für eine gleichmäßige Luftumströmung um das Flugzeug und verringert so den Widerstand. Frank Kocian (DLR Stuttgart) erklärte wie das funktioniert: Durch eine Mikroperforation mit Löchern von maximal 50 Mikrometern Durchmesser in der Außenhaut des Seitenleitwerks wird Luft abgesaugt, um turbulente Strömungen zu vermeiden. All diese Arbeiten helfen das Gesamtgewicht zu verringern und/oder Treibstoff zu sparen.
Sämtliche neue Flugzeugbauteile müssen sehr hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden. Prof. Peter Middendorf (Universität Stuttgart) erläuterte die Anforderungen an CFK-Strukturen bezüglich Crashsicherheit und betonte, dass es künftig immer wichtiger werde, Bauteile virtuell testen zu können. Das würde Entwicklungskosten senken und bei der Zertifizierung helfen. Dass eine komplette virtuelle Zertifizierung von Luftfahrtstrukturen möglich ist, zeigte Christof Kindervater (DLR Stuttgart). Beim DLR-Forschungsflugzeug HALO wurden erstmals zusätzlich angebrachte Bauteile komplett virtuell getestet und zertifiziert.
Automatisierte Produktion senkt Herstellungskosten
Um Leichtbaustrukturen für Flugzeuge künftig kostengünstig und in hoher Qualität fertigen zu können, arbeitet das DLR-Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie an Automatisierungslösungen. Prof. Michael Kupke (DLR Augsburg) zeigte die Herausforderungen dafür auf und stellte Lösungsansätze des DLR vor. Letztlich muss man die gesamte Prozesskette betrachten muss, um Materialien optimal auszunutzen. Das Bauweisen-Kolloquium hat diese Kette in Auszügen dargestellt und gezeigt, dass die Zukunft der Luftfahrt in einem intelligenten Leichtbau aus CFK und Metall liegen wird.