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"Wir brauchen ehrgeizige Ziele" - Interview mit Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner, DLR-Vorstand für Energie und Verkehr

3. März 2010

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner ist seit dem 1. März 2010 neuer DLR-Vorstand für die Schwerpunkte Energie und Verkehr. Der promovierte Elektrotechniker beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit Fragen zur Energieforschung und -wirtschaft. Auch das Elektroauto ist kein Neuland für ihn. In seiner Promotion hat Prof. Wagner Mitte der 1980-er Jahre die "Energieausbeute von Traktionsbatterien" untersucht. Im Interview erklärt der 54-Jährige, warum Energie- und Verkehrsfragen Schlüsseltechnologien der Zukunft sind und wie er sich Mobilität in 20 Jahren vorstellt.   

 DLR-Vorstand Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner
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Frage: Sie haben in Kolumbien und München Elektrotechnik studiert, sind seit 1995 Ordinarius am Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Anwendungstechnik der TU München und wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle für Energiewirtschaft. Was reizt Sie nun an der Tätigkeit als neuer Vorstand mit den Schwerpunkten Energie und Verkehr beim DLR?

Wagner: An der TU München habe ich spannende hochwissenschaftliche Modelle und komplexe Systeme in der Energieforschung entwickelt. Die neue Aufgabe beim DLR gibt mir nun die Möglichkeit, an größeren und anwendungsnahen Projekten zu arbeiten. Hier kann ich die Potenziale der Energie- und Verkehrsforschung besser umsetzen und weiterentwickeln. Ich möchte in meiner neuen Aufgabe nicht verwalten, sondern gestalten, dazu sehe ich hier gute Möglichkeiten und den richtigen Rahmen.

Frage: Warum zählen Ihrer Ansicht nach Energie- und Verkehrsforschung zu den Schlüsseltechnologien in Deutschland?

Wagner: Es gibt mehrere "Megatrends": Zum einen eine zukunftssichere Energieversorgung. Dabei geht es nicht um die lineare Fortsetzung der Energieversorgung, wie wir sie heute haben. Wir müssen neben den regenerativen und dezentralen Technologien jedoch genauso die konventionellen Kraftwerksprozesse verbessern. Auch im Verkehr stehen wir vor sehr großen Herausforderungen. Gerade, was die individuelle Mobilität angeht, gibt es viele neue technische und logistische Ansätze. Es werden sich neue Mobilitätsformen herauskristallisieren, der ÖPNV spielt hier ebenso eine Rolle wie neue Formen der Elektromobilität. Genau hier gibt es eine starke Vernetzung zwischen der Energie- und Verkehrsforschung. Diese beiden Systeme sinnvoll miteinander zu verbinden und mit Blick auf die Erneuerbaren Energien zu nutzen, wird auch einer meiner ersten Schwerpunkte sein.

Ich komme aus der Energieforschung, in meiner Diplomarbeit habe ich mich mit dem Thema Elektroauto befasst, in meiner Promotion ebenso. Dabei hat mich nicht nur die technische Seite, sondern auch das Gesamtkonzept der Elektromobilität interessiert und deren gesellschaftliche Notwendigkeit.

Frage: Wie stellen Sie sich Mobilität in 20 Jahren vor?

Wagner: In Fragen der Mobilität wird es einen Paradigmenwechsel geben. So gehe ich davon aus, dass wir in 20 Jahren nicht mehr für jeden Zweck dasselbe Verkehrsmittel - wie heute vor allem das Auto - nutzen werden. Wir werden vielmehr unsere Verkehrsmittel zweckoptimiert nutzen. Es wird flexible Mobilitätskonzepte geben, für Langstrecken ganz andere als für die letzte Meile. Ich gehe aber davon aus, dass individuelle Mobilität weiter einen wichtigen Bestandteil in unserem Verkehrskonzept darstellen wird, sie wird aber wesentlich umwelt- und ressourcenschonender sein. Meiner Ansicht nach wird es einen klaren Wechsel hin zur Elektromobilität geben, deren Wirkungsgrad nachweislich höher ist als der von Ottomotoren. Schon heute können wir mit Brennstoffzelle und Wasserstoff über viele hundert Kilometer weit fahren. Mit batteriebetriebenen Autos werden Reichweiten von 200 bis 300 Kilometern möglich sein. Durch diesen Wechsel kommen auch Erneuerbare Energien zum Einsatz, im Gegensatz zu heute, wo wir eine 95-prozentige Abhängigkeit von den Mineralölproduzenten haben.

Frage: Welche Rolle spielen Projekte wie DESERTEC bei der Lösung der Energiefragen der Zukunft?

Wagner: Projekte wie DESERTEC sind extrem ehrgeizig, 15 Prozent des europäischen Strombedarfs mit Strom aus der Wüste abzudecken, halte ich für eine ganze Menge. Doch wir brauchen solch hohe Ziele in der Energieforschung. Die Richtung halte ich auf jeden Fall für verfolgenswert und der Ursprung geht ja auf eine Studie des DLR zurück. Wir werden nicht direkt 15 Prozent des europäischen Strombedarfs abdecken, aber ein solches Projekt ist sehr wichtig. Jetzt kommt es auf die ersten Schritte bei der Umsetzung an.

Frage: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Schulen in Bonn, Moskau, Antwerpen, Brüssel und Bogotá besucht haben?

Wagner: Meine Eltern waren im diplomatischen Dienst, ich habe insgesamt acht Schulen besucht. Das fördert die Flexibilität und das Verständnis und Interesse an Fremdsprachen. Zu Beginn meines Studiums in Bogotá habe ich auch Literatur- und Sprachkurse besucht und sogar überlegt, Dolmetscher zu werden. Sehr schnell habe ich aber gemerkt, dass mir die harten Fakten des naturwissenschaftlichen Studiums doch mehr liegen als Literaturkurse. Außerdem wollte ich meine kaputten Verstärker selbst reparieren können (lacht). In der Elektrotechnik habe ich mich von Anfang an für die Energieforschung entschieden, da hat mich die Zeit Anfang der 1970er Jahre sehr geprägt, besonders die Gründung des "Club of Rome" und die damalige Ölkrise.

Das Interview führten Dorothee Bürkle und Elisabeth Mittelbach.


Kontakt
Dorothee Bürkle
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Kommunikation, Redaktion Energie

Tel.: +49 2203 601-3492

Fax: +49 2203 601-3249


Elisabeth Mittelbach
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Deutsche Raumfahrtagentur
, Kommunikation & Presse
Tel.: +49 228 447-385


Zuletzt geändert am: 04.03.2010 10:32:06 Uhr
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