Dienstag, 29. Januar 2013
Dem Rotor verdanken Hubschrauber wie der FHS des DLR ihre einzigartige Manövrierfähigkeit. Allerdings ist seine Leistungsfähigkeit aufgrund aerodynamischer Phänomene noch nicht ausgeschöpft.
Quelle: DLR (CC-BY 3.0).
Dr. Kai Richter, Dr. Anthony Gardner und Dr. Holger Mai (von links).
Computer-Simulation, die die komplexe Strömung am Rotorblatt zeigt.
Modell eines Hubschrauber-Rotorblattes im Transsonischen Windkanal. Durch die Öffnungen an der Vorderkante wird Luft ausgeblasen, um die Aerodynamik zu verbessern.
Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen haben eine Möglichkeit gefunden, Hubschrauber manövrierfähiger zu machen. In einem weltweit einmaligen Windkanal-Experiment haben sie durch Löcher in den Rotorblättern Luft ausgeblasen und damit die Strömung aktiv beeinflusst.
Als ob jemand mit dem Vorschlaghammer schlägt
Dem Rotor verdankt der Hubschrauber seine besondere Fähigkeit, senkrecht starten und landen zu können. Er bringt aber gleichzeitig aerodynamische Nachteile mit sich. An dem Blatt des Hauptrotors eines Hubschraubers, das sich gerade nach hinten bewegt, reißt im schnellen Vorwärts- oder Manöverflug die Luftströmung ab - es kommt zum so genannten „Dynamic Stall“. Dadurch entstehen Wirbel, Auftrieb geht verloren und große Kräfte wirken auf den Rotor. Der Luftwiderstand erhöht sich und die Steuerstangen am Rotorkopf sind enormen Belastungen ausgesetzt.
"Das ist, als ob jemand mit einem Vorschlaghammer auf den Rotor schlägt", erklärt Dr. Anthony Gardner vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. Die Folge: Die Höchstgeschwindigkeit und die Manövrierfähigkeit von Hubschraubern werden begrenzt, besonders in großen Flughöhen.
Die Idee der Göttinger Forscher wirkt wie eine Art aerodynamischer Dämpfer für die Hubschrauberrotoren: Durch kleine Löcher im Rotor wird Luft nach außen gedrückt. Dies vermindert die Stärke der schädlichen Verwirbelungen beim Strömungsabriss. Die auf den Rotor wirkenden Nickmomente, die die Leistung einschränken, können so deutlich verringert werden. "Bei schwierigen Flugmanövern könnte der Pilot es kurzzeitig einschalten." Dann, so Gardner, schlägt die Aerodynamik quasi nicht mehr mit einem Vorschlaghammer, sondern nur noch mit einem Gummihammer auf den Rotor.
Aufwendiges Experiment
Die Idee, die Aerodynamik von Flugzeugen durch Ausblasen von Luft aktiv zu beeinflussen, ist nicht neu. Bereits in den 40er Jahren beschäftigten sich Göttinger Forscher damit. Jetzt haben ihre Nachfolger erstmals erfolgreich nachgewiesen, dass die Idee bei Hubschraubern funktioniert - in einem Windkanalexperiment unter realistischen Bedingungen. "Dieses Experiment ist das Aufwendigste, das bisher weltweit auf dem Gebiet der Dynamic-Stall-Kontrolle stattgefunden hat", sagt Dr. Kai Richter vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. Er leitet das Projekt STELAR (Stall and Transition on Elastic Rotor Blades), das zusammen mit dem DLR-Institut für Aeroelastik durchgeführt wurde.
Vor kurzem hatten die Göttinger DLR-Forscher bereits eine passive Strömungsbeeinflussung getestet, bei dem die Beulen des Buckelwals als Vorbild dienten. "Erst in jüngster Zeit haben wir die Computerpower um zu berechnen, wie ein solches Windkanalmodell aussehen muss", so Gardner. Die scheinbar triviale Frage, wie groß Abstand und Größe der Löcher sein müssen, um einen positiven Effekt zu erzielen, konnten mit Hilfe der Supercomputer des DLR geklärt werden.
42 Löcher
Die Experimente fanden im Transsonischen Windkanal Göttingen statt, ein in seinem Geschwindigkeitsbereich in Deutschland einmaliger Windkanal. In der 50 Meter langen und zwölf Meter hohen Anlage kann simuliert werden, wie sich Flugzeuge nahe der Schallgeschwindigkeit im so genannten transsonischen Bereich (etwa 1.000 Kilometer pro Stunde) und darüber hinaus bis zu mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit (Mach 2,2) verhalten. Für die aktuellen Versuche wurde ein ein Meter großes Segment eines Rotors in den Windkanal eingebaut. "Es ist vollgepackt mit modernster Messtechnik", sagt Gardner. Ein kompliziertes Druckluftsystem mit Ventilen bläst die Luft durch 42 Öffnungen mit drei Millimetern Durchmesser hinaus. 74 Sensoren messen bis zu 6000 mal in der Sekunde den Druck am Rotorblatt. Dadurch lässt sich die Luftströmung exakt darstellen.
In einem nächsten Schritt sollen die Ergebnisse an einem neuen Rotorprüfstand auch am drehenden Rotor überprüft werden.
Zuletzt geändert am:04.02.2013 17:44:37 Uhr
04.02.2013 14:05 - von Peter Hamel
Was hat denn der FHS damit zu tun (Foto)? Oder wollt Ihr den unbedingt zum Absturz bringen?
04.02.2013 15:01 - von Jens Wucherpfennig
Es handelt sich lediglich um ein Symbolbild eines Hubschraubers - um die geht es schließlich. Mit den Versuchen hat er aber nichts zu tun.
11.02.2013 18:11 - von Alexandra Wagner
Die Experimente klingen wirklich aufregend. Doch wo genau liegt der Unterschied zu anderen Methoden der (dynamischen) Grenzschicht-Beinflussung? Warum haben Sie sich für das Ausblasen und nicht für das Absaugen entschieden? Und: Was hat der Buckelwal damit zu tun? Gibt es bei ihm wirklich eine aktive Grenzschichtbeeinflussung?
28.02.2013 11:00 - von Anthony Gardner
Diese Experimente sind keine Grenzschichtbeeinflussung, oder zumindest nicht direkt. Die bekannte Grenzschichtbeeinflussungsmethoden benutzen meistens Jets oder Schlitze, die mit relativ niedrigem Druck bzw.Massenstrom auf die Grenzschicht wirken. Unser Experiment benutzt aber Überschall-Jets, mit einem Druckverhältnis zwischen 6 und 30. Wie man an der Abbildung des numerischen Ergebnisses vielleicht erahnen kann, stanzen unsere Jets relativ sauber durch die Grenzschicht durch. Die Wirkung kommt durch eine Beeinflussung der Außenströmung, um den Dynamic-Stall Wirbel zu zerschneiden und verlangsamen. Absaugen könnte funktionieren, aber man muss eine relativ große Masse absaugen, und die Fläche innerhalb eines Hubschrauber-Rotors ist nicht groß genug für die dafür benötigten Niederdruckleitungen.Das mit dem Buckelwal hat hiermit eher wenig zu tun: „Vor kurzem hatten die Göttinger DLR-Forscher bereits eine passive Strömungsbeeinflussung getestet, bei dem die Beulen des Buckelwals als Vorbild dienten“. Der Buckelwal hat eine passive Strömungskontrolle (bei einer anderen Reynoldszahl) was als Vorbild für eine andere passive Methodik von Strömungskontrolle benutzt wurde. Siehe:http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10307/470_read-2595/year-all/
09.09.2013 16:28 - von Bernd Wilkens
bei der transall wurden im bereich der fahrwerksverkleidung in den 60er jahren sogenannte "pfeifen" aufgebracht,um eine verwirbelung an der hinterkante der fahrwerksverkleidungen zu verhindern.