DLR Magazin 151 - page 22-23

Um die Bodenreflexionen eines Funksignals zu messen, das von
einem Flugzeug oder einem Satelliten ausgestrahlt wird, installierten
die Wissenschaftler für Versuche 2014 und 2015 den Channel
Sounder auf einem 40 Meter hohen Kran
DER CHANNEL SOUNDER: 15 JAHRE SIGNALANALYSE
Bei der Entwicklung von neuen Kommunikationssystemen ist es wichtig, den
Funkkanal zwischen Sender und Empfänger so genau wie möglich zu kennen
und zu erfassen. Je besser ein Kanal verstanden und definiert werden kann, umso
genauer können Sender und Empfänger auf die Umgebung abgestimmt werden.
Der sogenannte Channel Sounder dient dazu, die Funkkanäle zu charakterisieren.
Ein Signal, das von einem Sender ausgestrahlt wird, erfährt Reflexionen durch die
Umgebung, bevor es den Empfänger erreicht. In der Umgebung eines Zuges, der
mit hoher Geschwindigkeit durch einen Tunnel fährt, wird das Signal anders
reflektiert als bei einer Satellitenfunkverbindung zu einem Empfänger in einem
Waldgebiet. Solche Reflexionen und auch andere Effekte wie Beugung führen
zu Signalverzerrungen. Da das Sendesignal des Channel Sounders bekannt ist,
können die Wissenschaftler diese Signalverzerrungen, die das gesendete Signal
auf seinem Weg durch den Funkkanal erfährt, sehr genau messen.
Auch die Beschaffenheit des Bodens, an dem die Signale von Navigationssatelliten
reflektiert werden, spielt eine Rolle für das Verhalten des Signals. In mehreren
Messungen von 2014 bis 2015 montierte ein Team von Wissenschaftlern Sender
und Empfänger des Channel Sounders auf zwei 40 Meter hohen Kränen. Ver­
messen wurden die Eigenschaften des Asphalts einer Landebahn, von Wasser
und von einem eisbedeckten See.
Ganz gleich, ob es sich um zukünftige Kommunikationssysteme handelt oder
ob neue Anwendungsbereiche erschlossen werden sollen, ohne den Channel
Sounder wäre Kommunikation ein Funken ins Ungewisse. So ist es mit heutigen
Navigationssystemen wie Galileo oder GPS (Global Positioning System) derzeit
noch nicht möglich, innerhalb von Gebäuden präzise Positionsbestimmungen
vorzunehmen. Die Messungen mit dem Channel Sounder sollen dies ändern.
2008 gelang es, den Übertragungskanal von einem simulierten Navigations-
Satelliten zu einem improvisierten Fußgänger innerhalb eines Gebäudes mit Hilfe
des Sounders zu charakterisieren.
Neben Messungen für Systeme wie Galileo oder GPS dient der Channel Sounder
auch der Vorbereitung neuer Kommunikationssysteme. So untersuchten die Wis­
senschaftler die Kommunikationswege von Flugzeug zu Flugzeug (2009), von
Auto zu Auto (2013) sowie von Schiff zu Schiff. Während im Jahr 2014 Messun­
gen auf der Ostsee bei ruhigem Seegang durchgeführt wurden, untersuchten
DLR-Wissenschaftler 2016 auf der Nordsee die Reflexionen der Wellen und des
Wassers rund um die Insel Helgoland bei Windstärke 7.
Seit 15 Jahren ist der Channel Sounder ein bewährtes Messinstrument für die
Wissenschaftler am DLR-Institut für Kommunikation und Navigation. Bei der
Roll2Rail-Messkampagne in Italien 2016 zeigte sich sein Nutzen einmal mehr: Die
Wissenschaftler gewannen wertvolle Informationen über den Charakter des
Funkkanals im Bereich der Zug-zu-Zug-Kommunikation.
Im Jahr 2002 untersuchten DLR-Wissenschaftler mit dem Channel
Sounder den Funkkanal zwischen einem Messbus und einem
Zeppelin
In einem hell erleuchteten Tunnel sind die beiden Roten Pfeile schließ-
lich auf gleicher Höhe, bei einer Geschwindigkeit von etwa 250 Kilo-
metern pro Stunde. Beim Vorbeifahren ist in den Fenstern des vorde-
ren Waggons Stephan Sand zu sehen, der in Zug Nummer 28 die
Messungen kontrolliert. Thomas Strang dirigiert die Überholmanöver:
„Geschwindigkeit anziehen, ja, das ist gut, die anderen sind bei 230
Kilometern pro Stunde, also halten wir unsere Geschwindigkeit bei
250 und ziehen langsam vorbei.“ Sein System funktioniert einwand-
frei, auch bei Hochgeschwindigkeit. Der Stolz steht ihm ins Gesicht
geschrieben: „Wir machen gerade RCAS bei 250 Kilometern pro
Stunde, das gab es bis jetzt noch nie!“ In der letzten Nacht der Mes-
sungen wird das Team den Rekord bei einer Kreuzungsfahrt sogar auf
relative 560 Kilometer pro Stunde hochschrauben. Und auch dabei
wird das System problemlos funktionieren.
Kopplung per Funk erspart das Umsteigen
Neben dem RCAS-System haben die Wissenschaftler des DLR noch
ein weiteres System zum Informationsaustausch zwischen den Zügen
mit an Bord, das ITS-G5 (Intelligent Transportation System at 5 GHz).
Es ist eigentlich für den Austausch von hohen Informationsraten aus-
gelegt und wurde ursprünglich für Straßenfahrzeuge entwickelt. Es
funktioniert wie das RCAS-System, ohne auf Funkmasten oder andere
Komponenten entlang der Strecke zurückgreifen zu müssen – aller-
dings bislang nur auf kurzen Entfernungen. Während das RCAS-Sys-
tem noch ein Signal bis zu einer Distanz von fast 40 Kilometern
empfangen kann, hat das ITS-G5 die Verbindung schon nach ungefähr
1,2 Kilometern verloren.
Mit den Messungen vom ITS-G5 möchten die Forscher die Grundlage
schaffen für das sogenannte dynamische Flügeln von Hochgeschwin-
digkeitszügen. Bei diesem Manöver, das auch virtual coupling genannt
wird, sollen sich die Züge selbstständig während der Fahrt zu einem
längeren Zug verbinden und auch wieder in Einzelzüge trennen kön-
nen. Dabei fahren die Züge hintereinander und sind nicht physisch,
sondern nur über einen drahtlosen Kommunikationslink verbunden.
Je näher sich die hintereinander fahrenden Schienenfahrzeuge kom-
men, desto präziser müssen sie Informationen über ihre Position und
Geschwindigkeit austauschen. Nur so können sie sich derart aneinan-
der anpassen, dass sie sich wie ein einziger, langer Zug verhalten. Das
hat den Vorteil, dass bestimmte Passagiere ihr Ziel ohne Umsteigen
erreichen können, da zeitintensive An- und Abkopplungsmanöver in
den Bahnhöfen vermieden werden. Außerdem können mit dem dyna-
mischen Flügeln die Kapazitätsgrenzen der Strecken erhöht werden.
Mehrere Male noch überholt Zug 28 die Nummer 7 und lässt sich so-
fort wieder zurückfallen. Durch die Fenster sieht man die Dämmerung,
aber dafür haben die meisten der nächtlichen Forschungsreisenden
keinen Blick. Ihre Aufmerksamkeit gilt allein den Messinstrumenten.
Als die beiden Frecciarossas wieder in das Depot bei Neapel einfahren,
geht gerade die Sonne auf. Die Instrumente werden aus den Waggons
getragen, das Reinigungspersonal steigt ein und beginnt seine Arbeit.
Für die beiden Roten Pfeile beginnt nach der Nacht, in der sie als
Kommunikationslabor dienten, wieder der Alltag als Personenzug.
Für die Wissenschaftler geht es jetzt allerdings erst einmal ins Hotel
zum Schlafen ...
Kurz bevor es losgeht, klären Stephan Sand vom DLR und Maurizio d’Atri (rechts)
von Trenitalia die letzten Formalitäten
Vorsicht ist geboten, wenn der empfindliche Channel Sounder in den Zugwaggon
geschoben wird
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