DLR Magazin 151 - page 32-33

FLUGLÄRMMINDERUNG
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FLUGLÄRMMINDERUNG
Dornier Do 728. Fliegen darf sie zwar nicht, dafür kann sie aber be-
liebig für spezielle Tests umgebaut werden. Für das Experiment wurde
ein Teil der Innenverkleidung demontiert, damit die Sensoren und
Aktuatoren direkt am Flugzeugrumpf angebracht werden konnten.
Aber woher kommt der Lärm eines Triebwerks, wenn das Flugzeug
nicht starten darf? Ganz klar: aus Lautsprechern, genauer aus vielen
einzelnen Lautsprechern, zusammengesetzt zu einem sogenannten
Lautsprecher-Array. Dieses hat die Firma Pan Acoustics eigens für das
Eine andere Lösung muss also her. Denn auch der akustische Komfort
spielt in der modernen Flugzeugentwicklung eine wesentliche Rolle.
Für die Behaglichkeit während des Reisefluges ist die Lärmeinwirkung
auf die Passagiere ein wichtiger Faktor. Die DLR-Wissenschaftler nut-
zen für diese Herausforderung unter anderem eine aktive Struktur-
Akustikregelung. Hinter dieser Technologie steckt ein einfaches Prin-
zip: Sensoren zur Schwingungsmessung erfassen die Vibrationen der
Struktur zweitausend Mal pro Sekunde. Die angeschlossene Rege-
lung berechnet daraus die Gegenschwingung, die nötig ist, um ein
optimales Ergebnis zu erzielen. Aktuatoren, die im Grunde Lautspre-
cher ohne Membran sind, geben die errechneten Impulse direkt auf
die Rumpfschale. Die gegenschwingende Rumpfstruktur hebt somit
einen Teil des Schalls auf.
Theoretisch leicht, praktisch anspruchsvoll! Die aktive Struktur-Akustik­
regelung wurde schon vor einigen Jahren an kleinen Propellerflugzeu-
gen mit Erfolg getestet. Diese strahlen jedoch Schall mit weniger Fre-
quenzen ab als große Passagierflugzeuge mit CROR-Treibwerken. Für
die Lärmabschirmung dieser Triebwerke besteht noch Forschungs- und
Entwicklungsbedarf.
Versuche erst im Labor, dann an einem echten Flugzeug
Anfangs mussten die Wissenschaftler den neuen System-Bauplan aus-
tüfteln. Hierzu gehörte zum einen die Entwicklung der Algorithmen für
die Steuerungssoftware, zum anderen wurden mehrere Simulationen
durchgeführt, um zu wissen, an welchen Stellen des Rumpfes die Sen-
soren und Aktuatoren angebracht werden müssen. Danach stand das
Konzept. Ein erster Versuch im kleinen Maßstab an einem Rumpfaus-
schnitt im Akustiklabor in Braunschweig brachte ein positives Ergebnis.
Die Wissenschaftler gingen einen Schritt weiter: zum Test an einem
echten Flugzeug.
Hierfür betreibt das DLR ein Regionalverkehrsflugzeug, die zu einem
Versuchslabor für Kabinenakustik und Klimatisierung umgebaute
DLR angefertigt und dafür sogar einen Technologietransferpreis der
Industrie- und Handelskammer Braunschweig gewonnen.
Das spezielle Schallbild eines CROR-Triebwerks wurde vom DLR-Insti-
tut für Aerodynamik und Strömungstechnik berechnet. Dr. Stephan
Algermissen vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adap­
tronik hat aus diesen Berechnungen den Input für den großen Laut-
sprecher entwickelt. „Ein Schallfeld zu rekonstruieren, war für uns
Neuland“, so Algermissen. „Wir mussten mit aufwändigen Messun-
gen ermitteln, wie jeder der 112 einzelnen Lautsprecher zu dem
komplexen Sound beiträgt.“ Nach etlichen Experimenten war das
Lautsprecher-Array dann so eingestellt, dass es sich wie ein echtes
CROR-Triebwerk anhört. Es kann aber durchaus auch für andere Ver-
suche eingesetzt werden. „Nicht nur CROR-Triebwerke, sondern auch
weitere Lärmquellen, wie konventionelle Jet-Triebwerke oder sogar
der Schalleintrag einer turbulenten Umströmung können mit Hilfe des
Lautsprecher-Arrays simuliert werden“, ergänzt Dr. Oliver Unruh,
Akustiker in der Abteilung Adaptronik.
Fünf Wochen lang haben die Ingenieure ihre Ohren offen gehalten
und immer und immer wieder Krach gemacht, Krach gemessen, Sen-
soren umgeordnet, Aktuatoren an anderen Stellen angebracht. Die
zuvor berechneten Methoden mussten validiert und im Anschluss
optimiert werden. Gemessen haben sie mit drei Instrumenten: einer
Sonde, einem Mikrofon und einem Laservibrometer. Die Schallinten-
sitätsmesssonde misst die Geräusche ziemlich genau an der Schall-
quelle und dies unabhängig von Umweltfaktoren, wie der Raumgröße
oder der Raumausstattung, wohingegen ein Mikrofon den Schall an
einer bestimmten Stelle im Raum messen kann. Die Mikrofone wur-
den an den Sitzpositionen der Passagiere angebracht und dienten
quasi als deren Ohrenersatz. Eine besondere Herausforderung war es,
das optimale Anordnungsmuster der Einzelkomponenten zu finden.
Zukünftig leiser und behaglicher
„Mit unserer Vorgehensweise konnten wir das beste System für den
von uns überwachten Rumpfbereich festlegen“, erklärt Ingenieur
Thomas Haase, der sich in der Abteilung Adaptronik mit dieser The-
matik auseinandersetzt. „Die optimale Anbringung der Aktuatoren
ist allerdings variabel und immer einzelfallabhängig von der jeweili-
gen Struktur, deswegen war die Validierung der Auslegungsmethodik
extrem wichtig.“ Bei der Auswahl des besten Musters der Sensoren
und Aktuatoren half das Laservibrometer. Es scannt die Struktur ab und
liefert präzise Werte über deren Schwingungseigenschaften.
Insgesamt ist das Resultat des Experiments positiv ausgefallen. Inge-
nieur Algermissen: „Die Schallabstrahlung in die Kabine konnte mit
gezielten Gegenschwingungen um bis zu sechs Dezibel verringert
werden – das entspricht immerhin 50 Prozent.“ Die Versuchsergeb-
nisse konnten auch helfen, die Regelungssoftware zu verbessern.
Diese ist jetzt modular aufgebaut und arbeitet schneller. Durch die
neue Anordnung der Aktuatoren und die neue Regelung existiert nun
ein Ansatz, nach dem der Lärm valide minimiert wird. 2017 wollen
die Forscher ihren Versuch auf einen größeren Teil des Flugzeugs er-
weitern und ihre Methoden optimieren. „Bis das System in Serie
geht, ist noch einiges zu erforschen“, so Unruh. „Zunächst müssen
die Robustheit und Leistungsfähigkeit des Systems verbessert wer-
den“. Zusätzlich soll das System weniger kosten, indem statt teurer
Laborhardware auch Low-Cost-Komponenten verwendet werden.
Eines ist jedenfalls klar: Schon heute können wir uns auf ein umwelt-
freundliches und erholsames Fliegen in nicht allzu ferner Zukunft
freuen.
Jana Hoidis
ist im DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik unter
anderem für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.
Sensoren (mit blauem Kabel an die Regelung angeschlossen) erfassen die Schwin-
gungen der Struktur zweitausend Mal pro Sekunde. Die angeschlossene Regelung
berechnet daraus die Gegenschwingung, die nötig ist, um den Schall zu reduzie-
ren. Die gegenschwingenden Impulse werden dann mit Aktuatoren direkt auf die
Rumpfschale gegeben.
Das Laservibrometer scannt die Struktur ab und liefert präzise Werte über deren Schwingungseigenschaften
Mit einer Schallintensitätsmesssonde bestimmen Dr. Stephan Algermissen (links) und Dr. Oliver Unruh (rechts) die Geräusche direkt an der Schallquelle
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