Prachtstücke wie der riesige Amethyst aus Brasilien sind in der
mineralogischen Sammlung zu sehen
Nostalgisch, aber nicht verstaubt liegen die Sammlungsstücke in
ihren historischen Vitrinen
Museum für Naturkunde
Invalidenstraße 43
10115 Berlin
Öffnungszeiten
Di bis Fr: 9:30 – 18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen:
10 – 18 Uhr, Mo geschlossen.
Eintritt:
Erwachsene: 5,- Euro, Ermäßigt: 3,- Euro
Kontakt
Telefon: +49 (0)30 2093-8591
E-Mail:
Führungen: +49 (0)30 2093-8550
dern auch, wie man die Kunde ebendieser vermittelt. Wer
eingelegte Fische und abgebalgte kleine Tiere überstanden hat,
darf anschließend die Insektenmodelle von Alfred Keller kennen-
lernen. Nie sah ein Hausmückenweibchen in Flughaltung bedroh-
licher aus als hier, wo sein Modell groß wie ein Pudel in der Vit-
rine ausgestellt wird. Oder erst recht die Buckelzikade, die mit
ihren seltsam stachligen Auswüchsen auf dem Kopf mehr nach
Science-Fiction als nach realem Insekt aussieht. In der Natur ge-
rade einmal sechs Millimeter groß, zeigt das 100-fach vergrö-
ßerte Plastikmodell aus den Fünfzigerjahren die bizarre Schön-
heit der Bocydium globulare.
Insassen eines Gruselkabinetts
Und dann gibt es zum Abschluss noch 81.880 Liter Alko-
hol. Abgefüllt in 276.000 Gläser. In der Museumssprache heißt
das, was den Besucher bei 15 bis 18 Grad Celsius Raumtempe-
ratur erwartet, schlichtweg Nass-Sammlung. Doch sie schimmert
und leuchtet, Regalbrett über Regalbrett bis in fünf Meter Höhe.
Gelblich bricht sich das Deckenlicht in den länglichen Gläsern
mit einem ganzen Gruselkabinett an Insassen. Glubschäugige
Fische, die – eingelegt in Alkohol – den Betrachter anschielen,
ein Hammerhai, der selbst konserviert noch skeptisch aus dem
Glas blickt, verblüffte Rochen und Reptilien. Und auch hier fühlt
man sich wie im 19. Jahrhundert. Weit gefehlt: Die Forschungs-
sammlung wird in Teilen erst seit September 2010 in einem neu-
en Gebäudeflügel hinter gläsernen Wänden präsentiert, sie war
bis dahin der Öffentlichkeit verborgen.
Über 200 Jahre Geschichte haben das Naturkundemu­
seum nicht verstauben lassen – wurden aber auch zum Glück
nicht über Bord geworfen. Die Sammlungen des Grafen Johann
Centurius von Hoffmannsegg und des Sibirien-Reisenden Peter
Simon Pallas, des Freiherrn von Schlotheim, Leopold von Buchs
und Alexander von Humboldts kommen immer noch zu ihrem
Recht, werden mit Licht weich ausgeleuchtet und in den Mittel-
punkt gerückt. Dass zu den Exponaten der „Gazelle“-Expedition,
der Valdivia-Tiefsee-Expedition und der Tendaguru-Expedition
nach Tansania auch der Weltraum gerückt ist oder der multime-
diale Globus im Saal „System Erde“, führt nicht zum Stilbruch.
Alexander von Humboldt würde sich heute sicherlich über die
neumodische Technik wundern – aber das Berliner Naturkunde-
museum von 2013 würde ganz sicher sein Gefallen finden.
Reise ins Weltall
Selbst den Weltraum bringt das Naturkundemuseum mit
einer ganz eigenen Methode dem Besucher näher. Auf einer
großen, runden Bank liegen die Planetenfreunde im abgedun-
kelten Raum. Über ihnen schwebt eine Kuppel, auf die das
Weltall projiziert wird. Vorüberziehende Planeten, Asteroiden-
gürtel, Gesteinsbrocken, die aufeinanderprallen und sich dabei
zu Himmelskörpern formen – dazu erzählt eine angenehme
Stimme, wie sich das Universum formte und was die verschiede-
nen Planeten ausmacht. Eine genüssliche „Märchenstunde“ für
Weltraumfreaks, die gerne mitfliegen würden, wenn es durchs
Weltall geht. Das Licht in der Halle bleibt dabei schummrig – nur
leuchtende Planeten auf Stelen und das Licht des Weltraum-
Spielfilms sind Orientierungspunkte im Raum. Das sorgt für die
richtige Atmosphäre und bietet beim Museumsbesuch auch
schlichtweg einmal die Möglichkeit zur Pause. Nach hinten
legen, den Blick entspannt nach oben richten und von Bildern
und Fakten berieseln lassen. Anschließend können in kleinen
ausgeleuchteten Vitrinen mit Meteoritenteilen jene Objekte
bewundert werden, die ihren Weg aus dem Weltall zur Erde
gefunden haben.
Das Leben als Leuchtwand
Saal für Saal eröffnet sich eine andere Atmosphäre – und
nach dem Ausflug zu den Planeten türmt sich eine meterhohe
Biodiversitätswand vor dem Besucher auf. Wie bei einem Such-
bild wandern die Augen des Betrachters über farbige Seesterne,
Fische, Krokodile, Schildkröten und Korallen, die bis zur Raum-
decke reichen. Weil die Wand nun mal deutlich höher als der
vor ihr staunende Besucher ist, gibt es alles auch im Taschen­
format: An einem Tisch fährt man mit der Lupe über eine Ab­
bildung der Wand und zoomt sich so die interessantesten Tiere
heran.
Einmal um die Meeresbewohner im Hochformat gegan-
gen und man steht vor Beutelwölfen, Zebras oder einem mittler-
weile ausgestorbenen Quagga. Auge in Auge mit einem lebens-
großen Känguru findet man diese Tiere dann auch nicht mehr
ganz so niedlich, sondern vielmehr beeindruckend. Und auch
hier gibt es Wissenswertes gut verpackt: Schildkröte, Pinguin
und Robbe schweben wie schwimmend durch die Luft – von
einer Seite der Vitrine aus ist die Außenhaut zu sehen, von der
anderen Seite gesehen offenbart sich das Skelett im Inneren.
Was von außen fast gleich aussieht, ist bei Weitem nicht das­
selbe. Die Flosse der Meeresschildkröte zeigt den Knochenbau
eines Reptilienbeins, die Robbe hat ein Säugerlaufbein und der
Pinguin einen Vogelflügel. Flosse ist eben nicht gleich Flosse.
Weiter geht’s. Kurze Schrifttafeln erklären, dass der Zwei-
punkt-Marienkäfer auch dann noch ein Zweipunkt-Marienkäfer
bleibt, wenn er mehr Punkte hat oder wenn er schwarz statt rot
ist. Das ist nämlich eher der Temperatur der Region, in der der
Käfer heimisch ist, geschuldet als der Artenvielfalt. Wie nah sich
Mensch und Affe sind, erkennt man an den beiden Skeletten,
die auf hohen Podesten den Abschluss des Saals bilden. Links
den Affen, rechts den Menschen, geht es in den nächsten Saal.
Augen zu und durch?
Nur: All die schönen ausgestellten Tiere sind nicht nur die
reine Kunst. In ihnen steckte auch einmal Leben, bevor sie prä-
pariert wurden. Eigentlich will man das gar nicht so detailliert
wissen, andererseits gehört so etwas nun einmal zu einem Mu-
seum dazu. Und deshalb sieht man dann auch das abgebalgte
Eichhörnchen, muss kurz mal darüber schlucken, wie abschre-
ckend ein gehäutetes Hörnchen mit dem Fell daneben aussehen
kann, und blickt als nächstes auf einen toten Vogel. Nein, die
Dauerausstellung „Präparation“ ist nicht schön – aber spannend.
Das Naturkundemuseum thematisiert nicht nur die Natur, son-
In Museen Gesehen
|
DLR
ma
G
azın
137
|
59
Ob Krokodil oder Koralle, die Biodiversitätswand versammelt
alles, was kreucht und fleucht
In der Nass-Sammlung sind Reptilien und Fische für die Ewigkeit
aufbewahrt
Glas an Glas reiht sich ein erstaunliches Lebewesen an das andere
Das Museum für Naturkunde ist seit zwei Jahrhunderten eine Ins-
titution. 30 Millionen Sammlungsstücke ruhen in dem altehrwür-
digen Bau in der Berliner Invalidenstraße.
58
|
DLR
ma
G
azın
137
|
IN Museen Gesehen
1...,38-39,40-41,42-43,44-45,46-47,48-49,50-51,52-53,54-55,56-57 60-61,62-63,64