DLR Magazin 139 - page 34-35

Auf die Dauer, so ist Friedrich überzeugt, wird sich die
Frage „Batterie oder Brennstoffzelle?“ gar nicht mehr stellen.
„Wir werden in Zukunft Hybridsysteme fahren und damit die
Vorteile beider Systeme nutzen.“ Ein Beispiel dafür liefert die
Luftfahrt: Beim DLR-Brennstoffzellenflugzeug Antares hat sich
ein Hybridantrieb aus Batterie und Brennstoffzelle bewährt:
„Es macht gar keinen Sinn, die Brennstoffzelle mit einer so gro-
ßen Leistung auszulegen, dass der Flugzeugstart damit prob-
lemlos gelingt. Hier brauchen wir für die kurzen Zeiten der
Startphase die weitaus größere Leistung der Batterie.“ Umge-
kehrt kann das Flugzeug dank der hohen Energiedichte des
Wasserstoffs auch für Langstreckenflüge eingesetzt werden.
„Wenn beide Systeme optimal ausgelegt sind, lassen sich Platz
und Masse sparen.“
Entwicklungsstand bei der Batterie
Batterien sind eine Schlüsseltechnologie; vor allem im
portablen Bereich geht nichts ohne sie, sei es bei elektroni-
schen Geräten oder hybridisierten Elektrofahrzeugen. Aber
auch im stationären Bereich, in der Haustechnik, rechnet der
Wissenschaftler mit einer großen Nachfrage: Spätestens wenn
die Einspeisevergütung von erneuerbarem Strom niedriger aus-
fällt, werden viele Hausbesitzer ihren selbst erzeugten Strom
lieber im eigenen Haushalt verbrauchen und dazu in Batterien
zwischenspeichern. In Elektromotoren haben Batterien einen
unschlagbaren Wirkungsgrad von bis zu 90 Prozent. Aber: Sie
sind schwer und teuer. Bereits die heute eingesetzte Lithium-
Ionen-Batterie ist ein Fortschritt hin zu einer höheren Energie-
dichte. Der nächste Meilenstein, den die Forscher anpeilen, ist
die Lithium-Schwefel-Batterie. Hier forscht das DLR-Team an
neuen Elektroden-Materialien und -Strukturen, um viele Lade-
und Entladevorgänge ohne Kapazitätsverluste zu realisieren.
Auch wird der Entlade- und Lade-Vorgang auf kleinster Skala
modelliert, um Verbesserungsmöglichkeiten für diese Batterie
vorzuschlagen „Die gute Nachricht: Die Lithium-Schwefel-Bat-
terie hat die dreifache Kapazität einer Standardbatterie. Die
schlechte Nachricht: Dieser Vorteil auf Materialebene lässt sich
leider nicht linear fortsetzen. Mit Gehäuse und Kühlsystem
kann man die Kapazität des Gesamtsystems nur um circa 50
Prozent steigern.“ Und: Diese Batterie wird bislang weltweit
nur in Laboren entwickelt und getestet. Mit einer Anwendung
in Elektroautos rechnet Professor Friedrich erst in frühestens
zehn Jahren. Auch den nächsten Schritt zu noch kompakteren
und leichteren Batterien haben die Forscher mit der Lithium-
Luft-Batterie schon vor Augen. Friedrich wagt aber keine Vor-
hersage, wann das System zum Einsatz kommen wird. Hier
gelte es, noch grundlegende Probleme zu lösen.
Entwicklungsstand Brennstoffzelle
Bei der Brennstoffzelle gibt es – vom mangelnden Tank-
stellennetz einmal abgesehen – zwei große Herausforderun-
gen: Brennstoffzellen sind teuer in der Herstellung und halten
im PKW nur 2.500 Stunden beziehungsweise in Autobussen
10.000 Betriebsstunden. „Das ist noch um den Faktor zwei
von dem entfernt, was auf dem Markt gefordert wird“, weiß
Friedrich. Technisch sei eine solche Entwicklung in absehbarer
Zeit machbar. Friedrich arbeitet mit seiner Abteilung in unter-
schiedlichen Projekten daran, die Haltbarkeit der Brennstoffzelle
zu steigern und gleichzeitig den Edelmetallgehalt der einzel-
nen Zellen ohne Einbuße der Leistungsfähigkeit einer Brenn-
stoffzelleneinheit zu senken. „Mit viel Platin ist die Haltbarkeit
der Brennstoffzelle kein Problem, dann sind aber die Kosten
entsprechend hoch. Ziel unserer Forschung ist es, den Platin-
Gehalt auf unter 0,2 Gramm pro Kilowatt Leistung der Brenn-
stoffzelle zu senken, bei gleichzeitig hoher Haltbarkeit und
Leistungsfähigkeit. Wir arbeiten an einer besseren Zugänglich-
keit des Platin-Katalysators für die Reaktionspartner in der Zelle
und an der Verwendung von Legierungszusammensetzungen
mit höheren Reaktionsraten.“
Neue Impulse durch Power-to-Gas-Anlagen
Klima- und umweltfreundlich sind Batterie- und Brenn-
stoffzellen-Autos nur dann, wenn der Strom oder der Wasser-
stoff, den sie verbrauchen, aus erneuerbaren Energien herge-
stellt wird. Und genau an dieser Stelle ergeben sich derzeit
neue Möglichkeiten für die Brennstoffzelle: Im deutschen
Stromnetz kann der stetig steigende Anteil von Wind- und
Fotovoltaik-Strom immer öfter gar nicht verbraucht und damit
eingespeist werden. Eine Idee ist es daher, das Überangebot an
Strom durch Elektrolyse-Anlagen in Wasserstoff umzuwandeln.
Es gibt in Deutschland zahlreiche Projekte, um diesen Weg in
der Praxis zu demonstrieren. Im Brennstoffzellen-Auto einge-
setzt, sorgt dieser Wasserstoff dann tatsächlich für klima­neu­
trales Autofahren. „Das ist einer der spannendsten Aspekte
und ein deutlicher Schritt zur Mobilitätswende“, glaubt der
Wissenschaftler.
Beide Systeme bahnen sich also langsam aber sicher ihren
Weg in den Markt, auch wenn der Eindruck oft ein anderer ist.
„Medien und Öffentlichkeit sehen beide Systeme als gegenläu-
fig und auch in der Forschungscommunity gab es eine polari-
sierende Wahrnehmung“, erinnert sich Friedrich. Verlangsamt
wurde der technologische Fortschritt allerdings dadurch, dass
beide Systeme nicht kontinuierlich gefördert wurden. „Die
Batterieforschung war bis in die Siebzigerjahre in Deutschland
sehr hochkarätig. Dann hat unter anderem der Automobil­
konzern Daimler auf die Brennstoffzelle gesetzt. Infolgedessen
wurde die Batterieforschung in Deutschland ganz herunter­
gefahren, die Lehrstühle an den Universitäten verschwanden.“
Diese Entwicklungszeit fehle heute. Seit einigen Jahren hat in
der Batterieforschung so etwas wie ein Hype eingesetzt und
man versucht, das Versäumte aufzuholen. „Eine kontinuier­
liche Entwicklung beider Systeme hätte uns weitergebracht.“
Kostensenkung durch Serienfahrzeuge
Durch die Forschungsprojekte seiner Abteilung kennt
Friedrich die Entwicklung bei Batterie und Brennstoffzelle und
kann Trends beider Technologien früh erkennen. Außerdem
profitiert sein Team von ähnlichen Fragestellungen in beiden
Bereichen zum Beispiel beim Aufbau optimierter Zellen, die
Der Hybridantrieb aus Batterie und Brennstoffzelle bewährt sich in der Luftfahrt: Beim Forschungsflugzeug Antares DLR-H2 unterstützt die
Batterie beim Start, mit der Energiedichte des Wasserstoffs kann das Flugzeug lange Strecken zurücklegen
Langzeit-Test eines Brennstoffzellenstack, um die Dauerhalt-
barkeit zu bestimmen
Brennstoffzelle
Batterie
Energiedichte
450 Wh/kg
120 Wh/kg
Wirkungsgrad
ca. 50% (System)
80 – 90%
Verbrauch eines Kleinwa-
gens auf 100 Kilometern
(Well-to-Wheel)
ca. 150 Mega-Joule ca. 150 Mega-Joule
Reichweite
ca. 400 km
< 150 km
Dauer des Tankvorgangs
3 Minuten bis 8h (volltanken)
Brennstoffzelle und Batterie
im Vergleich
Brennstoffzelle
Batterie
Gasdiffusion und Wassermanagement
der Brennstoffzelle im Auto: IMPALA –
IMprove PEMFC with Advanced water
management and gas diffusion Layers
for Automotive application (EU-
Forschungsprojekt)
Lithium-Schwefel-Superbatterie
mit Nanotechnologie: LISSEN –
Lithium sulfur superbattery
exploiting nanotechnology/
Modelling and Simulation
(EU-Forschungsprojekt)
Vorhersage und Modellierung der
Alterungsprozesse: Premium Act –
PREdictive Modelling for Innovative
Unit Management and ACcelerated
Testing procedures of PEFC
(EU-Forschungsprojekt)
Langzeittest von E-Fahrzeugen am
Stuttgarter Flughafen: E-fleet –
Prototypische E-Fahrzeugkonzepte
in Abfertigung und im Flugha-
fenbetrieb/Auswirkungen auf
E-Fahrzeugstandzeiten und Bat-
terielebensdauer. (BMWi-Projekt:
Schaufenster Elektromobilität )
Höhere Lebensdauer durch neue Ma-
terialien: EVOLVE – Evolved materials
and innovative design for high-perfor-
mance, durable and reliable SOFC cell
and stack (EU-Forschungsprojekt)
Forschung an der Lithium-Luft-
Batterie von morgen: LuLi –
Electrical Energy from Air and Li-
thium (BMBF-Forschungsprojekt)
Beispiele für die DLR-Forschung
an Brennstoffzelle und Batterie
aus nanostrukturierten Elektroden und hochleitenden Elektro-
lyten bestehen. Insbesondere bei den Material-Modifikationen
für längere Haltbarkeit sind die Strategien ähnlich. Auch auf
Systemebene können Innovationen in beiden Technologien ge-
zielt für eine bessere Effizienz verwendet werden. Auf beiden
Gebieten – Brennstoffzelle und Batterien – erwartet der Forscher
in den kommenden Jahren eine kontinuierliche Verbesserung:
Brennstoffzellen werden billiger und länger haltbar werden,
Batterien leichter und sicherer. „Große Qualitätssprünge wird
es bei keiner der beiden Technologien geben, die sind auch
schwer vorhersehbar“. Die größten Potenziale sieht Friedrich
derzeit in der Produktionstechnologie beider Systeme. Sobald
die Fahrzeuge mit hohen Stückzahlen in die Serienproduktion
gehen, können sie erheblich kostengünstiger hergestellt werden.
Würde die Umwelt vom Verkehr nicht so stark belastet
und wäre das Erdöl nicht endlich, könnte man den derzeitigen
Individualverkehr geradezu als paradiesisch bezeichnen: Wir ha-
ben langlebige, leistungsstarke Fahrzeuge und ein hervor­ragend
ausgebautes Tankstellennetz. Diesel, aber auch Benzin gehören
zu den Kraftstoffen mit der größten Energiedichte überhaupt,
entsprechend groß ist auch die Reichweite eines PKW. Eine
Technologie, die den erdölgebundenen Individualverkehr ablöst,
hat logischerweise Schwierigkeiten, sich durchzusetzen. Nach
seiner ganz persönlichen Meinung räumt Friedrich dem Brenn-
stoffzellen-Fahrzeug für die nächste Zeit eine gute Chance ein:
„Autonutzer wollen die Möglichkeit haben, einfach mal nach
Italien zu fahren. Dieses Konzept entspricht mehr dem, was wir
bisher von der Mobilität durch Fahrzeuge gewohnt sind.“ Au-
ßerdem machen Batterien nur in kleinen Autos Sinn, bei den
derzeit im Trend liegenden großen Fahrzeugen ist der Antrieb
durch eine Brennstoffzelle sinnvoller. „Es scheint also durchaus
sinnvoll, dass Daimler und BMW für ihre großen Fahrzeuge auf
die Brennstoffzelle setzen. Mit dem i3 baut BMW bei Kleinwa-
gen aber auch auf ein batteriebetriebenes System ...“
Weitere Informationen:
s.DLR.de/lz12
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TECHNOLOGIEBETRACHTUNG
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