DLR Magazin 139 - page 56-57

Rezensionen
Die größte Forschungsflotte Europas wird in Deutschland betrie-
ben, im DLR. Endlich widmet sich ein Buch den DLR-Versuchs-
flugzeugen und -hubschraubern und zeigt mit viel Hingabe die
Maschinen, mit denen Tag für Tag für die Zukunft geflogen und
geforscht wird. Auf den 125 Seiten des Buchs
Fliegen für die
Zukunft (Aviatic Verlag)
wird dem Leser ein anschauliches Bild
der einzelnen Fluggeräte präsentiert. Der renommierte Luftfahrt-
autor Rainer W. During, der unter anderem für die Flugrevue
schreibt, handelt dabei nicht einfach die technischen Spezifika­
tionen der sehr unterschiedlichen Forschungs­flugzeuge ab. Viel-
mehr gelingt es ihm, in einer ausgewogenen Mischung sowohl
die spannenden geschichtlichen Aspekte als auch die wissen-
schaftlichen Anwendungen und experimentellen Errungenschaf-
ten im Text darzustellen. Und er tut das mit viel Liebe zum Detail.
Ob Kabinenforschung im A320 ATRA oder Stratosphä-
renerkundung an Bord der G550 HALO – During schafft es,
anhand einzelner Projekte die Forschungsflieger mit ihren be-
sonderen Fähigkeiten zu charakterisieren. Zahlreiche Zitate von
DLR-Mitarbeitern lockern dabei auf und verleihen den Texten
Authentizität. Die Bilder sind oft schlicht, aber nicht minder wir-
kungsstark und inhaltlich treffend gewählt. Große Motive geben
eine gute Orientierung und sprechen den Leser direkt an. Schön
auch das große Format, das genügend Raum für das reichhaltige
Bildmaterial lässt. „Fliegen für die Zukunft“ ist beste Luftfahrt-
lektüre für alle, die sich für Forschungsflugzeuge interessieren
und hinter die Kulissen der DLR-Flotte mit ihren Meisterleistun-
gen, Fähigkeiten und Herausforderungen blicken wollen oder
auch einfach nur einen stimmigen Gesamtüberblick mit treffen-
den Geschichten suchen. Schade nur, dass es die beiden DLR-
Segelflieger DG300 und Discus-2c nicht in das Buch geschafft
haben.
Falk Dambowsky
Labore der Lüfte
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Das Universum im Rhythmus
von sechs Seiten
Die Rahmenbedingungen sind streng: Nur sechs Seiten Platz für die schriftliche
Beantwortung einer Frage und 15 Minuten Zeit für einen mündlichen Vortrag
zum Thema. Nicht gerade flexible Spielregeln – und dennoch ist
Universum für
alle (Springer Spektrum)
ein unkonventionelles Buch mit 70 Kapiteln, die sehr
unterschiedlich sind, die zum Herumstöbern anregen und die den Leser mit jeder
Lektüre ein Stückchen klüger machen. Denn Herausgeber Joachim Wambsganß
hat eine ungewöhnliche Methode gewählt, um allen das Universum näherzubrin-
gen. Angefangen hat alles mit einer Vortragsreihe von 37 Heidelberger Astro­no­
minnen und Astronomen in der Peterskirche. Vom 11. April bis zum 22. Juli 2011
gab es täglich in der Mittagspause einen Kurzvortrag. Diese Vorträge haben die
Astronomen nun auch in gekürzter schriftlicher Form abgeliefert. Ein QR-Code
zum Ende eines jeweiligen Kapitels (zur Wahl steht aber auch ein Internet-Link)
bietet die Möglichkeit, sich virtuell unter die Zuhörer der Vorträge zu mischen
und die aufgezeichnete Mini-Vorlesung zu sehen. Inklusive dem ein wenig
störenden Kirchenhall. Doch dieser ist auch schon die einzige Kritik, die man
an diesem multimedialen Buch- und Vortragsprojekt äußern kann.
Die Vielfalt der Themen spiegelt die Kreativität und die Vorlieben der
Astronomen wider: Warum funkeln die Sterne? Wie kann man bewohnbare Pla-
neten finden? Was sind eigentlich Neutronensterne? Und floss einst Wasser auf
dem Mars? – Zu den scheinbar einfachen Fragen gibt es durchaus anspruchsvolle,
aber meist sehr gut verständliche Antworten. Auch ein wenig ungewöhnliche
Fragen erhalten Raum in der Vortragsreihe: Sind wir wirklich aus Sternenstaub
gemacht? Welche Farbe hat die Sonne? Arbeiten Astronomen nur nachts? Und
wird das Universum ewig leben? Alles wird professionell und mit Freude am Er-
klären beantwortet. Ob man nun zuerst die sechsseitige Antwort liest und dann
den Vortrag anschaut oder lieber erst zuhören und dann lesen möchte – das
bleibt jedem selbst überlassen und funktioniert sehr gut in beiden Richtungen.
Manuela Braun
Literarische Himmelsstürmer
Egal ob Kurz-, Mittel- oder Langstrecke – es wird aus dem Fenster geblickt, zu den Mitreisen-
den geschaut, gelesen. Jeder Passagier macht sich über den Wolken so seine eigenen Gedan-
ken. Und genau diese Gedanken sind es, die in einer sehr schönen Sammlung mit dem Titel
Happy Landing (Diogenes)
in unterschiedlicher Form wiedergegeben werden. Manche
Leserin und mancher Leser werden sich dabei selbst erkennen: Ja, genau das habe ich auch
schon getan: „Die Frau in der Reihe vor mir“ beobachtet wie Cees Nooteboom, „Drei Stun-
den zwischen zwei Flügen“ rumgebracht wie F. Scott Fitzgerald oder gebangt, „Bloß keine
Höhenangst“ zu bekommen wie Andrej Kurkow. Launig und nachdenklich geht es weiter
um turbulente Flüge (Leon de Winter, David Sedaris), sonderbare Bekanntschaften (Bernhard
Schlink, Gabriel García Márquez) oder die Schmach, als Top-Manager nicht vor, sondern hinter
dem Class Divider zu sitzen (Martin Suter).
Zwischen dem „Bitte anschnallen!“ und „Willkommen in …“ gibt es eben viel zu
er­leben. Aber auch nach dem „Happy Landing“ passiert Erzählenswertes: Doris Dörrie be-
schreibt die Enttäuschung, wenn keiner da ist, der einen abholt, auch wenn Marie das von
Dave nicht anders erwartet hatte. Und schließlich widmet sich Mario Vargas Llosa einem
wirksamen Heilmittel gegen Flugangst: während des Fluges ein Buch lesen.
Andreas Schütz
Sonnenenergie im Eintopf und Wasser
aus dem Weltall
Auf der Straße, im Park, in der Bar und unter dem Sternenhimmel – Autor Florian
Freistetter findet immer und überall einen Bezug zum Weltall. Der studierte
Astronom nimmt in
Der Komet im Cocktailglas – Wie Astro­nomie unseren
Alltag bestimmt (Hanser)
deshalb den Leser an die Hand und spaziert mit ihm
einfach aus dem Haus. Die Satellitenschüsseln am Nachbarhaus, die alle in eine
Richtung zeigen – und schon geht es seitenweise um die Bahnen der Planeten,
die historischen Diskussionen der Wissenschaftler um das richtige Weltbild und
um die Satelliten im Orbit. Die Suppenschüssel voll Eintopf – und sogleich geht
es um die Umwandlung von Energie, um die Frage, warum die Sonne davon so
viel abstrahlt, und um Kernfusion. Ein Rundumschlag, der konzentriertes Lesen
erfordert. Man sollte sich nämlich nicht vom spaßigen Titel des Buchs täuschen
lassen: Was Wissenschaftsblogger Florian Freistetter vermittelt, ist nicht nur un-
terhaltsam, sondern auch anspruchsvoll. Auf den 220 Seiten steckt jede Menge
Wissen! Der scheinbar einfache Spaziergang durch den Alltag bringt so viele In-
formationen mit sich, dass man das populärwissenschaftliche Werk ruhig mehr-
mals lesen kann und dabei immer noch dazulernt. Vielleicht traut der Autor sei-
nen Lesern da auch ein wenig zu viel zu, springt von der Relativitätstheorie zum
Treibhauseffekt, zur Gezeitenreibung und wieder zu Lichtwellen. Doch das alles
ist mit viel Freude an der Wissenschaft gut verständlich geschrieben und bringt
dem Leser das Weltall tatsächlich näher. Schließlich sieht man den Staub im Park,
das Wasser im Springbrunnen, Goldstücke oder auch eben den Cocktail mit an-
deren Augen.
Manuela Braun
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