DLR Magazin 143 - page 20-21

Induktionsspulen, so das Ergebnis der Studie, können
einen Hochgeschwindigkeitszug mit ausreichend elektrischer
Energie versorgen. Dafür liegen Spulen von zwanzig Meter Länge
in der Mitte des Gleisbetts. Im Unterboden des Zugs werden, je
nach benötigter Energiemenge, mehrere Spulen von fünf Meter
Länge in die Außenhülle des Fahrzeugs integriert. Diese nehmen,
wenn sich der Zug über die Induktionsspulen bewegt, durch das
entstandene Magnetfeld elektrische Energie auf. „Die Spulen auf
beiden Seiten müssen relativ lang sein, damit sich auch bei hohen
Geschwindigkeiten die Spulen im Gleis und im Fahrzeug lange
genug übereinander befinden, um die Energie zu übertragen“,
erläutert Dr.-Ing. Joachim Winter vom DLR-Institut für Fahrzeug-
konzepte und Projektleiter der Studie. Zwischen der Spule im
Gleis und der aufnehmenden Spule im Fahrzeug befindet sich
lediglich ein schmaler Luftspalt. „Dieser Luftspalt muss möglichst
klein sein, damit die Energie effizient übertragen werden kann,
er darf nur wenige Zentimeter betragen“, so Winter. Durch In­
duktion kann Energie mit einem hohen Wirkungsgrad von bis zu
95 Prozent übertragen werden.
Bereits 2011 verkehrte für einige Monate eine Straßen-
bahn in Augsburg auf einer Strecke von achthundert Metern, die
berührungslos mit einer elektrischen Leistung von 200 Kilowatt
versorgt wurde. In ihrer Studie haben die DLR-Forscher nun
untersucht, wie die berührungslose Energieübertragung für
sogenannte „Vollzüge“, von der Zubringerbahn bis zum Hoch-
geschwindigkeitszug, der mit 800 Personen und einer Höchst­
geschwindigkeit von 460 Kilometern pro Stunde fährt, funktio­
nieren kann. Die Leistung, die übertragen werden muss, liegt
zwischen etwa vier Megawatt bei den kleineren Zubringern und
bis zu 25 Megawatt bei der maximalen Geschwindigkeit eines
Hochgeschwindigkeitszugs. Technisch, so das Ergebnis der Studie,
wäre der fahrdrahtlose Bahnverkehr in allen Bereichen bereits
heute möglich.
Für Hochgeschwindigkeitszüge gehen die Forscher von
Neubaustrecken aus, die komplett mit der Induktionstechnologie
ausgestattet sind. Ein wesentliches Ziel der Machbarkeitsstudie
bestand auch darin, zu klären, ob Schienenfahrzeuge, die mit
einer hybriden Energieversorgung ausgestattet sind, im bereits
vorhandenen Streckennetz ohne Induktionstechnologie fahren
Pfingstmontag 2014: Ein Unwetter zieht über den Westen Deutschlands hinweg. Umstürzende Bäume beschädigen die
Oberleitungen. Noch mehrere Wochen lang bleibt der Bahnverkehr beeinträchtigt. Oberleitungen müssen aufwändig
wieder instand gesetzt werden. In einer Studie haben Forscher des DLR und der Universität Stuttgart gezeigt, dass
Hochgeschwindigkeitszüge auch anders als auf herkömmliche Weise angetrieben und mit Energie versorgt werden
können – durch eine berührungslose Energieübertragung über Induktionsschleifen.
Power aus dem Gleisbett
können. Für den Zubringerzug NGT (Next Generation Train)
LINK sehen die Forscher eine Batterie vor, mit der der Zug zum
Beispiel von Ulm nach Oberstdorf und wieder zurück, also über
240 Kilometer fahren kann.
Ein wesentlicher Vorteil der induktiven Energieversorgung
eines Zugs liegt in der Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen.
„In Wüstenländern sorgen zum Beispiel Sand und Salz, die sich
an der Oberleitung festsetzen und zwischen Leitung und Strom-
abnehmer wie ein Schmirgelpapier wirken, für Probleme im Bahn-
verkehr“, sagt Winter. Saudi-Arabien und Oman haben bereits
Interesse an der Technologie bekundet. Nachfrage besteht auch
in europäischen Ländern, wo Eisansatz die Oberleitungen oft
beschädigt. „Dass Bäume auf Gleise fallen, wird sich nicht verhin-
dern lassen, fahrdrahtlose Verbindungen haben aber den Vorteil,
dass die Infrastruktur nach einem Windbruch rasch wieder frei­
geräumt werden kann und die Strecken, oft ohne Reparatur,
kurzfristig wieder befahrbar sind.“
Berührungsloses Bereitstellen von Energie für den Zug der Zukunft
Von Dorothee Bürkle
Weitere Informationen:
INDUKTIVES LADEN
Spulen (im hier beschriebenen Projekt aus dickem Kupferdraht), in denen Strom fließt, erzeugen – wie alle stromführenden Leiter – ein elektro-
magnetisches Feld. Durch das Feld wird elektrische Energie berührungslos auf die Aufnahme-Spule (in diesem Fall eines darüber hinwegfahren-
den Zugs) übertragen. Der Strom kann direkt für den Antrieb der Elektromotoren oder auch zum Laden von Batterien genutzt werden. Das
Induktionsprinzip wurde bereits vor mehr als einhundert Jahren von dem serbischen Physiker Nikola Tesla entdeckt.
Bild: Andreas Morlok_pixelio.de
Im Projekt Next Generation Train (NGT) untersuchen DLR-Wissen-
schaftler von neun Forschungsinstituten die Rahmenbedingungen
für Hochgeschwindigkeitszüge der Zukunft
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