Rund 150 hochranginge europäische Vertreter aus Politik, Industrie, Forschung und Umweltschutz sind am 29. Juni 2017 in Brüssel zusammengekommen, um über die Risiken des Klimawandels und Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren. In diesem Rahmen wurde auch erstmals die Strategie des "Virtuellen Alpenobservatoriums" (VAO) der Öffentlichkeit vorgestellt. Die VAO-Strategie enthält elf „Challenges“, die die drängenden wissenschaftlichen Fragen für die kommende Dekade aufgreifen.
Prof. Dr. Michael Bittner, Wissenschaftler am EOC und Vorsitzender des VAO-Lenkungsausschusses, überreichte jeweils ein Exemplar der VAO-Strategie an Ulrike Scharf, Bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, an Dr. Andrea Tilche, Generaldirektor für Forschung und Innovation der Europäischen Kommission, und an Dr. Jiří Buriánek, Generalsekretär des Europäischen Ausschusses der Regionen.
Von links nach rechts: Frau Wettach, Wirtschaftswoche (Moderation); Frau Dr. Hürkamp, Helmholtzzentrum München; Hr. Tilche, Generaldirektor für Forschung und Innovation der Europäischen Komission; Frau Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz Scharf; Herr Dr. Jiří Buriánek, Generalsekretär des Europäischen Ausschusses der Regionen; Prof. Dr. Bittner, DLR-DFD; Herr Dr. Lützenkirchen, Vice President Environmental Protection Siemens München; Herr Dr. Schianski, Siemens Re © StmUV Bayern.
Die Veranstaltung erfolgte auf Einladung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, in der Landesvertretung bei der Europäischen Union.
Grundlage für Handlungsempfehlungen – vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Klimawandels im Alpenraum – ist ein tiefgreifendes Verständnis der komplexen Umweltprozesse. Das Virtuelle Alpenobservatorium, ein Netzwerk vornehmlich alpiner Höhenforschungsstationen, nimmt dabei eine strategische Rolle ein. Als Mitglied des Virtuellen Instituts Schneefernerhaus auf der Zugspitze (UFS) haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR (Institute DFD, IMF und IPA) in den letzten Jahren an der Gestaltung eines Forschungsverbundes für den Alpenraum mitgewirkt: dem Virtuellen Alpenobservatorium, VAO.
An diesem Forschungsverbund sind Observatorien, Forschungseinrichtungen und Universitäten sowie Rechenzentren und Datenarchive aus Frankreich, Schweiz, Deutschland, Italien, Österreich und Slowenien beteiligt. Assoziiert sind Einrichtungen aus Norwegen und Georgien. Entsprechend dem Leitbild „Zusammen erreichen wir mehr als nur die Summe der Einzelbeiträge“ wollen die Partner komplexe Fragestellungen aus dem Bereich des alpinen Teils der Erdsystemforschung bearbeiten.
"Aus der grenzüberschreitenden interdisziplinären Kooperation schaffen wir Synergien, die es uns ermöglichen, besonders umfassende und damit nachhaltige Lösungsansätze zu entwickeln und zu formulieren. Den drängenden wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen zum globalen Klimawandel begegenen wir gezielt mit vereintem Forschungseinsatz und Know-how. Unser Motto ist es, Ressourcen zu bündeln und Synergien zu nutzen, um auf diese Weise gemeinsam in möglichst kurzer Zeit mehr erreichen zu können, als es sonst für jeden allein möglich wäre. Das bedeutet insbesondere auch eine Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene", betont Bittner.
Die Prozesse der Atmo-, Bio-, Hydro- und Kryosphäre sind miteinander gekoppelt und der Mensch greift in diese maßgeblich ein. Die Veränderungen im Umweltgefüge haben auch Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen. Daher arbeiten am VAO Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Mediziner hier länder- und fachübergreifend zusammen. Das alpine Umweltsystem ist bei der Erforschung von erhöhtem Interesse, da die Alpen zu den Regionen der Erde zählen, die vom Klimawandel besonders stark betroffen sind. Seit dem Jahr 1900 ist die Temperatur in den Alpen um etwa 2,0 Grad Celsius gestiegen – doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt, der einen Anstieg von 1,2 Grad Celsius aufweist. Im globalen Mittel liegt die Erderwärmung bei etwa 0,8 Grad Celsius.
Für das Virtuelle Alpenobservatorium ist das DLR in der hochalpinen Umweltforschungsstation Schneefernerhaus mit Facharbeiten zur Beobachtung einer möglichen Änderung der Atmosphärendynamik aufgrund des Klimawandels beteiligt. Die Wissenschaftler des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums untersuchen insbesondere die obere Mesosphäre und untere Thermosphäre in etwa 80 bis 100 Kilometer Höhe, da diese Bereiche äußerst sensibel auf Veränderungen reagieren. Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre engagiert sich mit radargestützten Messungen wolken- und niederschlagsphysikalischer Parameter. Zudem widmet sich das DLR auch Fragen zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels und arbeitet gemeinsam mit Partnern an Möglichkeiten zur Optimierung der Gesundheitsdienste. Ergänzend zu den Forschungsaktivitäten auf der Zugspitze betreibt das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen das "Weltdatenzentrum für Fernerkundung der Atmosphäre" (WDC-RSAT). Es dient als gemeinsame Daten- und Analyseplattform der VAO-Forschungsstationen und ist Teil des "Alpine Environmental Data Analysis Center" (AlpEnDAC), welches sukzessive zu einem Umweltinformationssystem für den Alpenraum ausgebaut werden soll. Dies erfolgt in Kooperation mit dem Leibniz-Rechenzentrum, der UFS GmbH, der bifa GmbH und der Professur für Atmosphärenforschung am Institut für Physik der Universität Augsburg, das die Projektleitung innehat.
Wie in den Gesprächen in Brüssel herausgestellt wurde, stellen die Klimadaten des Virtuellen Alpenobservatoriums die wissenschaftliche Entscheidungsgrundlage für Politik und Wirtschaft dar. So ist das VAO Teil der europäischen Alpenkonvention und dient auch künftig als wichtiges Instrument zur Anpassung und Umsetzung der europäischen Alpenstrategie (EUSALP).
Insbesondere wurde bei diesem Treffen auch eine Vertiefung der wissenschaftlichen Kooperation zwischen dem DFD und dem astrophysikalischen Observatorium Abastumani im Kaukasus, Georgien, auf den Gebieten Extremwetter und Gesundheit verabredet. Mit der Universität Tiflis existiert bereits eine langjährige etablierte Zusammenarbeit auf dem Gebiet auch der Airglowforschung. Die mit einem GRIPS-Gerät des DFD im Kaukasus gewonnenen Daten können über das WDC-RSAT tagesaktuell betrachtet werden.
Von links nach rechts: Prof. Didebulidze Goderzi, Universität Tiflis, Staatsministerin Ulrike Scharf, Doktorandin Lisa Küchelbacher, Prof. Michael Bittner © StmUV Bayern.