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News-Archiv 2008

Eine Flussdelta-Struktur in Nepenthes Mensae

25. April 2008

 Nepenthes Mensae – Übergangszone zwischen Hoch- und Tiefland
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 Falschfarbenbild vom Südwestteil der Region Nepenthes Mensae
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Seit der ersten globalen fotografischen Erfassung der Marsoberfläche durch die beiden amerikanischen Viking-Sonden in den 1970er-Jahren kennen Wissenschaftler zahlreiche, tief in das Marshochland eingeschnittene Täler. Viele dieser Gräben enden am Übergang zwischen dem Hochland und der nördlichen Tiefebene des Roten Planeten. Forscher vermuten, dass in vielen dieser Täler vor langer Zeit Wasser geflossen ist.

 Ein Flussdelta bei Nepenthes Mensae
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Ein kurzes, nur etwa 30 Kilometer langes und bis zu tausend Meter tiefes Tal nahm die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera (HRSC) auf der ESA-Sonde Mars Express am 22. Januar 2008 (Orbit 5212) auf. Die Auflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt.

Das Tal mündet in einem Delta in die Region Nepenthes Mensae, einem Übergangsgebiet zwischen Hoch- und Tiefland, das durch steile Geländekanten und zahlreiche tafelbergartige Erhebungen charakterisiert ist.

Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt von Nepenthes Mensae bei 3 Grad nördlicher Breite und 121 Grad östlicher Länge. Nepenthes Mensae ist benannt nach dem Zaubertrank, den die schöne Helena in Homers Odyssee zu sich nimmt – eine Droge, die sie all ihre Sorgen vergessen lässt.

 HRSC-Übersichtsbild von Nepenthes Mensae
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Besonders auffällig ist eine Struktur im südlichen Teil des Bildes (links in den Draufsichten), die an Flussdeltas auf der Erde erinnert (Ausschnitt 1 im Schwarzweißbild). Offensichtlich wurde entlang der Talrinne (Ausschnitt 2), die an dieser Stelle in Nepenthes Mensae mündet, Material abgetragen und am Ende des Tals fächerartig abgelagert. Der den Fächer begrenzende Berghang ist etwa 300 Meter hoch. In der Region, in der die Grabenstruktur ihren Ausgang nimmt und in der das Tal etwas breiter ist, sind - neben ausgedehnten Dünenfeldern - ebenfalls Erosionsformen und Ablagerungen zu sehen, die vermutlich aus dem verästelten, kurzen Oberlauf des Talsystems hierher getragen wurden.

 Farb-Draufsicht auf das Gebiet Nepenthes Mensae
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 Flussdelta in Nepenthes Mensae
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Im zentralen Teil der Nepenthes-Tiefebene sind zahlreiche Hügel, Restberge und tafelbergartige Erhebungen (lateinisch: Mensae; siehe Ausschnitt 3) zu erkennen. Dabei handelt es sich um Reste des im Westen und Südwesten angrenzenden Hochlandes, die den Kräften der Verwitterung länger widerstehen konnten und nicht oder nicht vollständig von der Erosion abgetragen wurden. Durch erosive Prozesse wurde der Großteil des ursprünglich vorhandenen Materials entfernt, zurück blieben die noch heute vorhandenen Erhebungen.

 Anaglyphenbild von Nepenthes Mensae
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Die Struktur am Ende des Tals, das aus dem Hochland in das Nepenthes Mensae-Gebiet mündet, ist den Ablagerungsformen in irdischen Flussdeltas ähnlich. Dies lässt eine vergleichbare Entstehung vermuten.

Vermutlich zwei unterschiedliche Flutungsperioden

Delta-Ablagerungen entstehen, wenn Wasser Sedimente transportiert und bei nachlassender Strömungsgeschwindigkeit wieder ablagert – beispielsweise, wenn sich der Flusslauf verbreitert und dadurch das Wasser mit geringerer Geschwindigkeit fließt und die Energie zum Mitführen der Sedimentfracht nicht mehr ausreicht.

 Detaillierte Topographie der Region Nepenthes Mensae
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Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch zwei Phasen der Ablagerung unterscheiden, was auch auf zwei Flutungsperioden schließen lässt. Eine Phase bildete einen Fächer mit einer deutlichen, durch einen relativ steilen Abhang begrenzten Geländekante im Auslauf, die darauf hindeuten könnte, dass die Mündung in ein stehendes Gewässer oder Eis erfolgte. Während einer anderen Phase entstand eine kegelförmige Struktur, die sich bis weit in das tiefer liegende Gebiet erstreckt.

 Nadiraufnahme von Nepenthes Mensae
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Sämtliche Bilder wurden aus Aufnahmedaten erzeugt, die während eines einzigen Überflugs von Mars Express im Januar 2008 mit den neun Kanälen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) aufgezeichnet wurden. Das Schwarzweißbild wurde mit dem senkrecht nach unten blickenden Nadirkanal aufgenommen, der von allen HRSC-Kanälen die höchste Auflösung bietet. Die Farb- und Falschfarbenansichten wurden aus dem Nadirkanal und den Farbkanälen erstellt. Die Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen des Kamerasystems berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die höhenkodierte topographische Bildkarte der Region wurde aus einem digitalen Geländemodell abgeleitet, das mit HRSC-Stereodaten erzeugt wurde.

 Topographische Übersichtskarte von Nepenthes Mensae
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Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin) geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die hier gezeigten Darstellungen wurden von der PI-Gruppe am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.


Kontakt
Henning Krause
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Kommunikation

Tel.: +49 2203 601-2502

Fax: +49 2203 601-3249


Ernst Hauber
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Institut für Planetenforschung
, Planetengeologie
Tel.: +49 30 67055-325


Erstellt am: 25.04.2008 12:00:00 Uhr
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