Marsmond Phobos: Auf einer "Todesspirale"?
11. November 2004
Mars-Mond Phobos, Schwarz-Weiß-Ansicht
Am 22. August 2004 machte die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene, hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express in Orbit 756 diese Aufnahmen des Marsmondes Phobos (Bilder 1, 2 und 3). Die aus einer Entfernung von weniger als 200 Kilometer fotografierten Bilder haben eine Auflösung von ungefähr sieben Meter pro Bildpunkt. Phobos ist mit seinen unregelmäßigen Abmessungen von 27 mal 21,6 mal 18,8 Kilometer, anders als der Erdmond, kein kugelförmiger Trabant. Seine Form gleicht eher einem Asteroiden.
Mars-Mond Phobos, 3-D-Bild
Überraschend ist die Erkenntnis, dass Phobos zum Zeitpunkt der Aufnahmen seiner vorhergesagten Orbit-Position um etwa fünf Kilometer voraus eilte. Möglicherweise ist dies ein Anzeichen für eine orbitale Beschleunigung, die den winzigen Mond dem Mars auf einer spiralförmigen Bahn immer näher bringt. Phobos könnte schließlich durch die Gravitationskräfte des Planeten in etwa 50 Millionen Jahren auseinander gerissen und zu einem kurzlebigen Marsring werden. Oder aber der Mond stürzt auf den Mars - diese Frage soll im Laufe der Mars Express-Mission noch genauer untersucht werden.
Auffallend ist das parallele Muster der Furchen auf Phobos. Es scheint die dem Mars zugewandte Seite zwischen Äquator und Nordpol vollständig zu überziehen, wobei die Abstände zwischen den Furchen sehr regelmäßig sind. Sie durchschneiden die meisten größeren Krater. Die Frage nach dem Ursprung der Furchen konnte noch nicht geklärt werden. Es könnte sich um "Schrammen" handeln, die durch Gesteinsbrocken, die den Mond getroffen haben, entstanden sind, oder sie sind das Ergebnis von starken Gezeiten-Wechselwirkungen mit dem Mars. Diese könnten tektonische Kräfte verursacht haben, die zu Spannungen im Inneren des Mondes führten.
Mars-Mond Phobos, Farbansicht
In einigen der verschieden großen Krater findet man deutliche Schwankungen in der Helligkeit, bei manchen befindet sich dunkles Material am Kraterboden. Man erkennt auch Krater, bei denen Regolith, d.h. durch Meteoriteneinschläge produzierter Gesteinsschutt bzw. Gesteinsmehl, die Kraterwand hinabgerutscht ist. Andere zeigen sehr dunkles Auswurfmaterial, das möglicherweise zu den dunkelsten Materialien im Sonnensystem zählt.
Mit der einzigartigen Fähigkeit der hochauflösenden Stereokamera HRSC, Oberflächen nahezu gleichzeitig in zehn verschiedenen Kanälen aufzunehmen, wird die Bestimmung der Form des Mondes, seine Topographie, Farbe, die Lichtstreuung des staubförmigen Bodens, des Regoliths, aber auch die Messung von Rotations- und Orbitaleigenschaften des Mondes ermöglicht. Diese Bilder, die in ihrer besten Auflösung sieben Meter pro Pixel erreichen, übertreffen hinsichtlich ihrer zusammenhängenden Abdeckung der beleuchteten Oberfläche die Daten von früheren Missionen. So nahm der amerikanische Viking Orbiter (1976 bis 1978) zwar wenige kleine Gebiete mit einer Auflösung von einigen Metern auf, die Bilder waren jedoch aufgrund des nahen und schnellen Vorbeiflugs unscharf.
In der Zusammenstellung (Bild 5) ist Phobos in verschiedenen Orientierungen zu sehen. Sie stammen aus den Orbits 413, 649, 682, 715, 748 und 413 (in der Reihenfolge von links nach rechts und von oben nach unten). Das Bild von Phobos unten rechts in der Zusammenstellung (Bild 5) ist ein Mosaik aus verschiedenen Aufnahmen des so genannten Super Resolution Channels (SRC) während Orbit 413.
Mars-Mond Phobos, verschiedene Orientierungen
Alle Phobos-Bilder in Schwarzweiß – bis auf das SRC-Mosaik – wurden mithilfe des Nadirkanals, dem direkt nach unten blickenden Sensor der HRSC, aufgenommen. Die Anaglyphe (Bild 3, das bei Verwendung einer Rot-Blau- oder einer Rot-Grün-Brille einen räumlichen Eindruck des Mondes liefert) wurde aus dem Nadir- und dem Blaukanal berechnet. Das Farbbild (Bild 4) wurde aus den Farbkanälen und dem Nadirkanal der HRSC errechnet. Aus geometrischen Gründen bezieht sich der Maßstab auf die Mitte der Aufnahme.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Hier erfolgt auch die systematische Datenprozessierung. Die hier gezeigten Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin erstellt.