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News-Archiv bis 2007

Tiefe Gräben und ein deformierter Einschlagskrater in Acheron

7. Mai 2004

 Bogenförmigen Gräben und Bergrücken im Gebiet von Acheron Fossae, Farbansicht
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Bogenförmigen Gräben und Bergrücken im Gebiet von Acheron Fossae, 3-D-Bild
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Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) fotografierte die Spuren von starken tektonischen Spannungen in der Kruste des Roten Planeten. Die europäische Raumsonde Mars Express überflog während der nun zu Ende gehenden Testphase der Mission zweimal die so genannten Acheron Fossae. Dieses Gebiet ist von tiefen Gräben durchzogen, was von einer intensiven "Zerscherung" der Oberfläche in der geologischen Vergangenheit des Mars zeugt. Die Aufnahmen, die die bogenförmigen Gräben und Bergrücken zeigen (Bilder 1 bis 4), entstanden in Orbit 37. Die Bilder 5 bis 7 zeigen einen großen deformierten Einschlagkrater etwa einhundert Kilometer weiter westlich, die Aufnahmen wurden in Orbit 143 gemacht.

Der Acheron ist ein Fluss im Nordosten Griechenlands. In der griechischen Mythologie fließen in ihm Trauer und Leid durch ein Felsentor in den "Hades", die Unterwelt. Die Acheron Fossae, "die Gräben des Acheron", befinden sich etwa tausend Kilometer nördlich von Olympus Mons, dem größten Vulkan auf dem Mars. Zwischen etwa 35 und 40 Grad nördlicher Breite und 220 bis 230 Grad östlicher Länge bildet hier ein mehrere Kilometer hohes, wie eine umgekehrt liegende Mondsichel geformtes Gebirgsmassiv die nördliche Grenze des Marshochlandes. Das kleine Gebirge befindet sich am Nordrand des Tharsis-Plateaus und ist Bestandteil eines sternförmig orientierten Netzes von Dehnungsstrukturen, deren Mittelpunkt sich im Zentrum der Tharsis-Aufwölbung befindet.

 Bogenförmigen Gräben und Bergrücken im Gebiet von Acheron Fossae, perspektivische Farbansicht
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 Bogenförmigen Gräben und Bergrücken im Gebiet von Acheron Fossae, Schwarz-Weiß-Ansicht
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Vermutlich wurde die Tharsis-Erhebung durch heißes, aus dem Marsmantel emporsteigendes Material nach oben gestemmt. Die größten Vulkane des Mars finden sich in dieser Region. Als die Spannungen in der starren Gesteinskruste auf der Lithosphäre, einer elastischen Zone zwischen Kruste und Mantel, zu groß wurden, bildeten sich die hier gezeigten "Sprünge" entlang von so genannten Schwächezonen.

Die Aufnahmen in Farbe, hoher Auflösung und in "3-D" lassen eine stark zergliederte "Berg-und-Tal"-Landschaft erkennen. In den Bildern 1 und 4 aus dem zentralen Teil der Acheron Fossae verläuft oberhalb der Bildmitte ein 15 Kilometer breites und 1.700 Meter tiefes Tal. Das Gebiet ist ein klassisches Beispiel für eine tektonische Struktur, die in der Geologie als "Horst und Graben"-System bezeichnet wird: Durch die Dehnung der Kruste rutschen große Blöcke entlang von Abschiebungsflächen ab und bilden Gräben zwischen den stehen gebliebenen Bergrücken, den "Horsten".

Derartige tektonische Muster sind auch auf der Erde bekannt und finden sich meist entlang der Bruchlinie zweier auseinanderdriftender Kontinente und werden dann als "Riftzone" bezeichnet. Ein aktuelles Beispiel ist das Kenia-Rift in Ostafrika. In geologischer Vorzeit bildete sich auch der Oberrheingraben zwischen Basel und Karlsruhe auf diese Weise. Die Möglichkeit, mit der HRSC eine Landschaft gleichzeitig in hoher Auflösung und dreidimensional zu betrachten, versetzt die Wissenschaftler nun in die Lage, das Gebiet genauer "unter die Lupe" zu nehmen, um detaillierte Aussagen über die geologischen Prozesse zu treffen, die bei der Bildung der Acheron Fossae eine Rolle gespielt haben.

 Einschlagskrater im Gebiet von Acheron Fossae, Farbansicht
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 Einschlagskrater im Gebiet von Acheron Fossae, 3-D-Bild
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Der flache Talgrund der Gräben ist von einem auffällig glatten Material bedeckt, das zudem an einigen Stellen deutlich dunkler als die Umgebung ist. Geschwungene Formen bzw. Fließstrukturen sind ein Hinweis darauf, dass sich eine zähflüssige Masse von den Hängen herab in die Täler bewegt hat. Noch ist nicht bekannt, ob Vulkanismus hier eine Rolle gespielt haben mag, oder ob sich Wasser und Eis durchmischt von Gestein über den Boden herabgeschoben hat. Der Blick durch eine Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille auf die 3-D-Bilder zeigt die unterschiedlichen Höhenniveaus, von denen Material in tiefer gelegene Gebiete verfrachtet wurde.

 Einschlagskrater im Gebiet von Acheron Fossae, Schwarz-Weiß-Ansicht
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Die Bilder 5, 6 und 7, die von einem 55 Kilometer großen Einschlagkrater dominiert werden, wurden etwa 250 Kilometer weiter westlich als erste Szene aufgenommen. Hier hat der Prozess der Riftbildung die Milliarden Jahre alte Impaktstruktur, d.h den Einschlagkrater regelrecht zerteilt, so dass sich drei deutlich zu erkennende parallel verlaufende Horst-und-Graben-Einheiten bildeten. Intensive Erosionsprozesse verschütteten die Gräben im Innern des Kraters später wieder mit Material von den zwei Kilometer hohen Kraterrändern und von außerhalb des Kraters. Es sammelte sich auf dem flachen, kaum strukturierten Kraterboden.

Aus praktischen Gründen wurde für die Darstellung im Internet die Auflösung der Bilder reduziert. Die Originalauflösung der HRSC-Bilddaten beträgt für die erste Szene aus Orbit 37 (Bilder 1 bis 4), der in 765 Kilomteter Höhe über die Acheron Fossae führte, 30 Meter pro Bildpunkt. Für die Kraterszene (Bilder 5 bis 7) wurden Aufnahmen in einer Auflösung von 50 Meter pro Bildpunkt verwendet, die aus einer Höhe von 1.240 Kilometer aufgenommen wurden. Die Farb- und Schwarz-Weiß-Bilder zeigen die Landschaft in direktem, senkrechtem Blick auf die Oberfläche, Norden ist hier oben. Die 3-D-Bilder wurden zur optimalen Darstellung (bessere Wirkung des 3-D-Effektes) um 90 Grad im Uhrzeigersinn gedreht, Norden ist hier deshalb rechts im Bild. Die perspektivische Ansicht (Bild 3) zeigt die in Bild 1, 2 und 4 dargestellte Region, erweitert um die südlich angrenzende Region.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin) geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof in Zusammenarbeit mit ESA/ESOC betrieben. Die systematische Prozessierung der HRSC-Daten erfolgt am DLR. Die hier gezeigten Darstellungen wurden von der PI-Gruppe am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.


Erstellt am: 07.05.2004 11:20:00 Uhr
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