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News-Archiv bis 2007

Wo bitte geht es nach Iani Chaos?

12. Februar 2007

Hochgenaue topographische Marskarten auf der Grundlage von HRSC-Stereo-Bilddaten

 Marskarte im Maßstab 1:200 000
zum Bild Marskarte im Maßstab 1:200 000

 Marskarte im Maßstab 1:200 000
zum Bild Marskarte im Maßstab 1:200 000

 Marskarte im Maßstab 1:100 000
zum Bild Marskarte im Maßstab 1:100 000

Eines der wichtigsten Ziele der ESA-Mission Mars Express ist es, die Oberfläche unseres Nachbarplaneten vollständig in hoher Auflösung, in Farbe und in "3-D" abzubilden. Zu diesem Zweck tastet die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene High Resolution Stereo Camera (HRSC) seit mehr als drei Jahren mit ihren lichtempfindlichen Scannerzeilen die Marsoberfläche ab. Daraus lassen sich so genannte "digitale Geländemodelle" ableiten, die als Grundlage für die Erstellung von hochgenauen Marskarten dienen, in denen auch die Höheninformation, die Topographie, enthalten ist. Bei einer Bildauflösung von bis zu zehn Metern pro Bildpunkt (Pixel) lassen die Landkarten vom Mars kleinste Details im Gelände erkennen, wie die hier vorgestellten Blattschnitte der zerklüfteten Iani Chaos-Region zeigen – eine ideale Arbeitsgrundlage für die aktuelle Marsforschung.

Neben der Bereitstellung der reinen Bilddaten für die wissenschaftliche Auswertung ist die Erzeugung dieser topographischen Karten eine der Aufgaben des am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) angesiedelten HRSC-Experiment-Teams und des HRSC-Wissenschaftsteams. Die hier gezeigten topographischen Kartenblätter wurden an der Technischen Universität Berlin von Professor Jörg Albertz und seinem Mitarbeiter Stephan Gehrke, beide vom Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TUB, in Kooperation mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erzeugt. Sie beruhen auf digitalen Geländemodellen, die vom HRSC-Experiment-Team am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof unter der Leitung von Professor Ralf Jaumann systematisch erzeugt werden. Die wissenschaftliche Leitung des HRSC-Experiments auf Mars Express liegt beim Principal Investigator Professor Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin.

Die Karten zeigen die Iani Chaos-Region nahe dem Marsäquator in verschiedenen Maßstäben. Iani Chaos ist ein wild zerklüftetes Gebiet, dessen markante Landschaft anhand der Höhenlinien in den Karten gut nachvollzogen werden kann. Die Verarbeitung der HRSC-Bilddaten ermöglicht die Erzeugung von exzellenten farbigen 3-D-Daten, die sehr gut für die Ableitung qualitativ hochwertiger, großmaßstäbiger Kartenprodukte geeignet sind. Als Standardkartenwerk des HRSC-Experiments auf der Mission Mars Express geplant war die "Topographische Bildkarte Mars 1:200 000", auf der ein Zentimeter auf der Karte zwei Kilometern in der Wirklichkeit entspricht (Bild 1 und 2). Die Höhenangaben beziehen sich auf eine "Äquipotenzialfläche", ein hypothetisches Null-Niveau, da der Mars im Gegensatz zur Erde keine Meeresfläche als Nullmarke hat.

 Marskarte im Maßstab 1:50 000
zum Bild Marskarte im Maßstab 1:50 000

Bei Realisierung dieses Standardwerks würden sämtliche Kartenblätter auf HRSC-Orthobildmosaiken (senkrechten Draufsichten) und digitalen Geländemodellen (DGMs) basieren, die aus HRSC-Bilddaten abgeleitet werden. Weitere Karteninhalte wären die Nomenklatur der Mars-Oberflächenformen (Krater, Berge, Täler, etc.), Gitternetze, Blattnamen, individuelle Blattbezeichnungen und entsprechende Legendeneinträge. Bisher wurden im Rahmen der deutschen HRSC-Experiment-Förderung einige Beispielblätter erstellt. Eine Umsetzung des gesamten, extrem umfangreichen Kartenwerkes könnte jedoch nur im Rahmen einer zurzeit diskutierten, umfassenderen Anstrengung für ein planetares Kartierprogramm auf europäischer Ebene erfolgen.

Sollte das hier skizzierte Kartenwerk zustande kommen, würde die Mars-Oberfläche in 10.372 einzelnen Kartenblättern in flächentreuen Kartenprojektionen abgedeckt. Innerhalb einer Zone von jeweils 0 Grad bis 85 Grad nördlicher und südlicher Breite vom Äquator würden davon 10.324 Blätter in der so genannten "Sinusoidal-Projektion" dargestellt werden – einer Kartendarstellung, die in der Geographie verwendet wird, um die gesamte Fläche einer (Planeten-) Kugel flächentreu in der zweidimensionalen Ebene des Kartenblatts abzubilden. Diese Karten würden durch 48 Blätter für die polaren Breiten jenseits von 85 Grad Nord und Süd ergänzt, für die eine nach dem deutschen Mathematiker Johann Heinrich Lambert (1728-1777) benannte "Lambertsche Flächentreue Azimutalprojektion" mit den Polen jeweils im Zentrum der Kartenprojektion besser geeignet ist. Während jedes Blatt 2 Grad in der Breite aufspannt, nimmt die Längenausdehnung von 2 Grad um den Äquator bis 360 Grad an den Polen zu, um die Fläche des Kartenfeldes etwa konstant zu halten. Daher ist das generelle Layout aller Kartenblätter gleich; jedes Blatt hat ein Format von 830 Millimeter in der Breite und 700 Millimeter in der Höhe.

 Kontext-Bildmosaik der dargestellten topographischen Karten
zum Bild Kontext-Bildmosaik der dargestellten topographischen Karten

Die Blätter eines solchen Standardkartenwerks "Topographic Image Map Mars 1:200,000" können für die systematische Kartierung in den Maßstäben 1:100 000 (1 Zentimeter auf der Karte entspricht 1 Kilometer auf dem Mars) bzw. 1:50 000 (1 Zentimeter entspricht 500 Metern) jeweils in Viertel bzw. Sechzehntel aufgeteilt werden. Das kartographische Konzept erfüllt sämtliche Anforderungen an die Kartierung einzelner Oberflächenformen oder besonders interessanter Gebiete der Marsoberfläche. Um sowohl die Qualität der Mars Express-HRSC-Daten als auch die Flexibilität des ins Auge gefassten Kartenwerks zu illustrieren, wurden einige Beispiel-Kartenblätter der Iani Chaos-Region in verschiedenen Maßstäben erzeugt.

Iani Chaos ist ein extrem zerklüftetes, von der Erosion geprägtes Gebiet im Marshochland mit einer Länge von 330 Kilometern und einer Breite von 430 Kilometern, etwa bei 3 Grad südlicher Breite und 340 Grad östlicher Länge gelegen (siehe Übersichtskarte). Einzelne Felsblöcke und Hügel bilden eine zerklüftete Oberflächenstruktur in "chaotischer" Anordnung. Diese Terrassen und "Inselberge" sind Überbleibsel der vormals existierenden Oberfläche des alten Marshochlands, die in sich zusammengestürzt ist, nachdem sich im Untergrund Hohlräume gebildet hatten. Wahrscheinlich wurde Eis in diesen Hohlräumen durch vulkanische Wärme zum Abtauen gebracht und ergoss sich dann über die Ausflusskanäle der Ares Valles in das nördliche Tiefland (vgl. HRSC-Bildveröffentlichung "Der Durchbruch von Iani Chaos in das Ares Tal" vom 1. Juni 2005). Auf Grund der Hinweise, dass diese Landschaft durch Wasser geformt wurde, ist sie von besonderem geologischem Interesse; darüber hinaus ist sie durch die markanten Höhenunterschiede dazu prädestiniert, das Potenzial des topographischen Kartenwerks zu demonstrieren.

Iani Chaos wurde in den Mars Express-Orbits 0912, 0923 und 0934 mit der bestmöglichen Bodenauflösung von 10-20 Metern pro Bildpunkt aufgenommen. In dem Gebiet wurden zwei benachbarte Kartenprodukte im Blattschnitt des angedachten Standardkartenwerks "Topographic Image Map Mars 1:200,000" produziert - "M 200k 0.00N/343.00E OMKT" und "M 200k 2.00S/343.00E OMKT" (Bild 1 und Bild 2; "M 200k" steht für den gewählten Maßstab von 1: 200 000, "0.00N" bzw. "2.00S" geben den Breitengrad der Blattmitte an, "343.00" den Längengrad in der Mitte der Karte) sowie einige Teilblätter in größeren Maßstäben, nämlich 1:100 000 (Beispiel Bild 3) und 1:50 000 (Beispiel Bild 4). Während diese Karten jeweils über ihre individuellen Blattbezeichnungen verfügen, sind alle mit "Iani Chaos-Region" bezeichnet.

 Topographische Übersichtskarte der Iani Chaos-Region
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Auf Grund ihrer verschiedenen Maßstäbe unterscheiden sich die Blätter in der Auflösung der Bilddaten. Obwohl sich im größten Maßstab bereits Effekte andeuten, die durch die Kompression der Bilddaten in der Kamera entstehen (auf Blatt 4 z.B. in schattigen Hanglagen), werden generell mehr Details der Mars-Oberfläche sichtbar. Der Abstand (Äquidistanz) der Höhenlinien von 250 Meter ist den meisten Blättern des Standardkartenwerks (1:200 000) gemein. In größeren Maßstäben ermöglichen dichtere Höhenlinien eine detailliertere Repräsentation der Geländetopographie.

Alle Kartenblätter wurden unter Verwendung des kartographischen Software-Pakets "Planetary Image Mapper" (PIMap) erstellt, das an der Technischen Universität Berlin eigens für die kartographische Umsetzung der HRSC-Daten entwickelt wurde. Der topographische Karteninhalt – Gitternetze, Randlinien, Kartentitel sowie typische Legendenelemente können – mit PIMap generiert und zum digitalen Kartenblatt kombiniert werden. Die Software ist flexibel im Hinblick auf den Kartenmaßstab, das Layout des Höhenlinienbildes bzw. den generellen Blattinhalt.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR.



 


Kontakt
Ulrich Köhler
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Institut für Planetenforschung

Tel.: +49 30 67055-215

Fax: +49 30 67055-402


Elke Heinemann
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Deutsche Raumfahrtagentur
, Kommunikation & Presse
Tel.: +49 228 447-379


Erstellt am: 12.02.2007 14:00:00 Uhr
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