Leitung: PD Dr. Christine Elisabeth Hellweg
Die Exposition gegenüber der Weltraumstrahlung bleibt aufgrund ihrer hohen biologischen Wirksamkeit und der Schwierigkeiten, die Strahlung wirksam abzuschirmen, ein wesentlicher limitierender Faktor für astronautische Langzeit-Weltraummissionen und eine dauerhafte Präsenz in Weltraumhabitaten. Die Arbeitsgruppe Biodiagnostik entwickelt zelluläre Testsysteme und setzt sie ein, um die Auswirkungen von Weltraumbedingungen (hauptsächlich Strahlung) und anderen Umweltfaktoren auf den Menschen auf zellulärer und molekularer Ebene zu bestimmen. Dabei wird versucht, die molekularen Mechanismen der zellulären Reaktion auf Weltraumstrahlung zu verstehen, um krankmachende Prozesse in verschiedenen Zielorganen zu identifizieren, individuelle Variationen der Strahlenempfindlichkeit zu bewerten und Biomarker für Strahlenexposition und individuelle Empfindlichkeit zu finden.
Zelluläre Strahlenantwort
Translokation von NF-κB in den Zellkern, Bild: DLR (CC-BY 3.0)
Zellen reagieren aktiv auf Strahlenexposition, beginnend mit der Erfassung der zugefügten DNA-Schäden und dem Start der Reparatur. Veränderungen in der Signaltransduktion und der Genexpression lenken den zellulären „Schalter“ in Richtung zellulärer Schicksale wie Zellzyklusstopp, Zelltod, vorzeitige Differenzierung oder Seneszenz. Die Arbeitsgruppe hat gezeigt, dass schwere Ionen (als wichtiger Bestandteil der Weltraumstrahlung) den Nuclear Factor κB (NF-κB)-Signalweg, der an Entzündungsreaktionen beteiligt ist, mit sehr hoher Effizienz aktivieren, was zu einem spezifischen Zyto- und Chemokinexpressionsprofil führt [1-3]. Diese frühen zellulären Strahlungseffekte könnten den Weg für Krankheiten wie Krebs und degenerative Veränderungen ebnen. Zielorgane für durch galaktische kosmische Strahlung induzierte degenerative Effekte, insbesondere das Gehirn, das Herz-Kreislauf-System und die Augenlinse, stehen im Fokus der strahlenbiologischen Forschung.
Präparation einer Augenlinse (© Bikash Konda)
Einflussfaktoren für die Strahlenantwort
Neben der chronischen Exposition durch Weltraumstrahlung sind Astronauten einer einzigartigen Kombination von möglicherweise gesundheitsschädlichen Umweltfaktoren wie Mikrogravitation, Lärm, Geruch, gestörtem Tagesrhythmus, erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen und verminderter Schlafqualität ausgesetzt. Bei Explorationsmissionen können sich Sauerstoffgehalt und Luftdruck ändern. Die Wechselwirkung der Strahlenexposition mit diesen Weltraum-Umweltfaktoren wie der Mikrogravitation, oder Änderungen der atmosphärischen Bedingungen, kann die Fähigkeit der Zellen beeinflussen, mit Strahlenschäden umzugehen. Der Sauerstoffgehalt des Gewebes wird als Hauptmodulator der Strahlungsempfindlichkeit mit einer Abnahme um den Faktor drei bei Abwesenheit von Sauerstoff im Vergleich zu normoxischen Bedingungen angesehen. Außerdem könnte die Flüssigkeitsverschiebung in Richtung des Kopfes Strahlungseffekte auf Gehirn und Auge modulieren. Kürzlich wurde beobachtet, dass die Körpertemperatur von Astronauten auf der ISS ansteigt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei einigen Krebstherapien Hyperthermie mit Strahlentherapie kombiniert wird, um den Tumorzellen-Abtötungseffekt zu verstärken.
Zellkultur unter Hypoxie, Bild: DLR (CC-BY 3.0)
Individuelle Variationen der Strahlenempfindlichkeit
Die Reaktion des Menschen auf ionisierende Strahlung ist individuell und variabel. Die Erblichkeit verschiedener Parameter für Strahlenempfindlichkeit (Chromosomenaberrationen, DNA-Schadensantwort, Zellzyklusveränderungen und Zelltod) liegt zwischen 40 und 80%. Untersuchungen der individuellen Strahlenempfindlichkeit sollen die Grundlage für personalisierte Gegenmaßnahmen gegen wichtige Umweltfaktoren bei Langzeitmissionen wie der Weltraumstrahlung bilden und wichtige Ergebnisse für den Einsatz in der Medizin auf der Erde liefern. Der erste Schritt in diesem Forschungsfeld ist die Entwicklung innovativer Biomarker für die Strahlenempfindlichkeit, die in einer Blutprobe bestimmt werden können.
Arbeiten mit Sauerstoffmaske, Bild: DLR (CC-BY 3.0)
Literatur:
[1] Hellweg CE, Baumstark-Khan C, Schmitz C, Lau P, Meier MM, Testard I, Berger T, Reitz G (2011) Activation of the NF-κB pathway by heavy ion beams of different linear energy transfer. International Journal of Radiation Biology 87, 954-963.
[2] Hellweg CE, Spitta L, Koch K, Chishti AA, Henschenmacher B, Diegeler S, Konda B, Feles S, Schmitz C, Berger T, Baumstark-Khan C (2018) The Role of the Nuclear Factor κB Pathway in the Cellular Response to Low and High Linear Energy Transfer Radiation. International Journal of Molecular Sciences, 19 (8): 2220.
[3] Chishti AA, Baumstark-Khan C, Koch K, Kolanus W, Feles S, Konda B, Azhar A, Spitta LF, Henschenmacher B, Diegeler S, Schmitz C, Hellweg CE (2018) Linear Energy Transfer Modulates Radiation-Induced NF-κB Activation and Expression of its Downstream Target Genes. Radiation Research, 189 (4): 354-370.