Bild: DLR
 

Die „Weichen“ für die Zukunft stellen

Mit Kameras und anderen Sensoren ist das DLR-System ausgestattet, das Zugkollisionen vermeiden soll. Es erkennt Hindernisse auf der Strecke und tauscht auch mit anderen Zügen Signale aus. Bild: DLR
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Jeder, der schon mal mit einer Modelleisenbahn gespielt hat, kennt diese Probleme: Welcher Zug soll Vorfahrt haben? Welche Weiche muss wie gestellt sein? Und was macht man, wenn ein Zug mal eine Panne hat und einfach stehen bleibt? Im Spiel kann man das noch recht leicht lösen: einfach am Trafo den Strom abschalten und auch mal einen Zug per Hand vom Gleis nehmen, wenn er nicht mehr fährt. In der Wirklichkeit ist das schon viel komplizierter. Da rattern täglich Tausende von Zügen über die Schienen: S-Bahnen und Regionalbahnen, Hochgeschwindigkeitszüge und auch sehr viele Güterzüge. Millionen Menschen sind darauf angewiesen, dass das alles funktioniert. Aber wie funktioniert es eigentlich?

Eine spannende Aufgabe: den Schienenverkehr so zu organisieren, dass er reibungslos funktioniert. Bild: K.-A.
Eine spannende Aufgabe: den Schienenverkehr so zu organisieren, dass er reibungslos funktioniert. Bild: K.-A.
Züge haben einen langen Bremsweg, weil die Reibung zwischen Rad und Schiene nicht sehr groß ist. Bild: DLR
Züge haben einen langen Bremsweg, weil die Reibung zwischen Rad und Schiene nicht sehr groß ist. Bild: DLR

Damit die vielen Züge sicher und – meistens – pünktlich ihre Ziele erreichen, müssen alle Weichen richtig gestellt sein. Doch das allein genügt natürlich nicht. Denn trotz bester Planung – unvorhergesehene Störungen kommen natürlich auch im Schienenverkehr immer wieder vor: hier ein technisches Problem an einer Lok, da ein Defekt an einer Signalanlage oder ein Hindernis auf der Strecke. Betrachten wir also einmal genauer, wie bei einem solch komplizierten System wie der Bahn ein Maximum an Sicherheit angestrebt wird.

Lange Bremswege …

Zunächst muss man bedenken: Der Bremsweg eines Zuges ist ziemlich lang. Ein ICE, der mit 160 Stundenkilometern fährt, braucht 1.000 Meter, um zum Stehen zu kommen. Also einen ganzen Kilometer! Autos bremsen da deutlich schneller. Das liegt vor allem daran, dass die Reibung zwischen Autoreifen und Straße viel höher ist als zwischen den Stahlrädern und der Schiene: Man kann sich das gut vorstellen: Metall auf Metall – das quietscht und rutscht und dauert, bis der Zug endlich steht.

… und ihre Folgen

Damit die Züge nicht zusammenstoßen, ist die Bahnstrecke in Abschnitte – sogenannte „Blöcke“ – unterteilt. Außerdem sollen in Zukunft Sensoren helfen, Unfälle zu vermeiden. Bild: DLR
Damit die Züge nicht zusammenstoßen, ist die Bahnstrecke in Abschnitte – sogenannte „Blöcke“ – unterteilt. Außerdem sollen in Zukunft Sensoren helfen, Unfälle zu vermeiden. Bild: DLR

Wenn aber ein Zug einen so langen Bremsweg hat, stellt sich die Frage: So weit kann ein Lokführer bzw. eine Lokführerin doch oft gar nicht die Strecke einsehen – wie soll er oder sie da rechtzeitig bremsen? Beispielsweise wenn ein anderer Zug wegen einer Panne außerplanmäßig auf der Strecke steht. Müssten da nicht immer wieder Auffahrunfälle passieren? Damit sie eben nicht passieren können, sind im Bahnverkehr besondere Sicherheitssysteme vorhanden. Fachleute haben sich dafür ein schönes Wort ausgedacht: die „Blocksicherungstechnik“. Dazu wird die Bahnstrecke in sogenannte „Blöcke“ – also Abschnitte – unterteilt. In jedem Block darf sich immer nur ein Zug befinden. Ist ein Block durch einen Zug besetzt, so wird dieser Block also für alle weiteren Züge gesperrt. Auf diese Weise halten die Züge einen ausreichend großen Sicherheitsabstand ein. Außerdem wird durch die Blocksicherung ausgeschlossen, dass zwei Züge frontal zusammenstoßen.

Zusätzlich zu diesen bestehenden Sicherheitsmaßnahmen hat das DLR ein Antikollisionssystem für Züge entwickelt. Dabei ermittelt ein Sensor-Paket, das auch nachträglich in die Loks eingebaut werden kann, die genaue Position des Zuges und teilt sie über Funk allen Zügen in der Umgebung mit. Umgekehrt empfängt es die Signale der anderen Züge und wertet sie aus. Falls das Risiko einer Kollision besteht, schlägt das System Alarm. Eine Kamera „blickt“ außerdem nach vorne auf die Schienen und erkennt Hindernisse.

Lokführer bzw. -führerin – und andere Traumberufe

In dieser Simulationsanlage testen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR neue Assistenzsysteme für den Schienenverkehr. Bild: DLR
In dieser Simulationsanlage testen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DLR neue Assistenzsysteme für den Schienenverkehr. Bild: DLR

All dies können Schulklassen übrigens im DLR_School_Lab Braunschweig – einem der vielen Schülerlabore des DLR – im Rahmen eines Experiments selbst erproben. Da fährt eine Eisenbahn genau nach diesen Regeln. Man kann dabei selbst „Lokführer bzw. -führerin“ spielen, die Weichen stellen und die ganze Anlage programmieren. Nebenbei bemerkt: Da stehen auch ein Flugsimulator und ein echter kleiner Windkanal – alles Mitmach-Experimente für Schülerinnen und Schüler.

Und ein paar Gebäude weiter sitzen dort auf dem DLR-Gelände die Fachleute, die sich beruflich mit all den Fragen rund um die Sicherheit im Bahnverkehr befassen. Da geht es um neue Systeme, die den Lokführer bzw. die Lokführerin unterstützen – und um viele andere Themen. Zum Beispiel fahren Züge ja bekanntlich auch über Grenzen hinweg von einem Land ins andere. Dazu müssen aber die Sicherheitssysteme der verschiedenen Länder in Europa aufeinander abgestimmt werden.

Tja, die Wirklichkeit ist eben doch etwas komplizierter als eine kleine Modelleisenbahn – auch wenn die Probleme manchmal ähnlich sind. Sie zu lösen, ist aber eine faszinierende Aufgabe. Wer hier arbeitet, gestaltet die Welt von morgen – stellt also gewissermaßen die „Weichen“ für die Zukunft. So gibt es im Bahnverkehr viele spannende Jobs – vom „Traumberuf“ des Lokführers bzw. der Lokführerin mal ganz abgesehen.