Automatische Softwareupdates am heimischen Computer können ziemlich lästig sein: Minutenlang scheint man als Nutzer nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit der Maschine zu haben, die Internetverbindung wird langsam, unerklärliche Dinge geschehen im Hintergrund. Im schlimmsten Fall ist sogar ein Neustart notwendig – aber spätestens danach läuft der Rechner üblicherweise wieder.
Ungleich aufwendiger und heikler ist es, wenn die Software eines fliegenden Raumschiffes erneuert werden muss. Kurz vor Ostern 2012 war es für das europäische Raumlabor Columbus wieder einmal so weit – das Modul der Internationalen Raumstation sollte auf „Software Cycle 13“ gebracht werden.Monate im Voraus schon begannen die Vorbereitungsarbeiten für den „Tag X“. In Bremen wurde die neue Software entwickelt und aufwendig getestet, der europäische Astronaut André Kuipers musste für seine Unterstützungsaufgaben trainiert werden, und am Columbus-Kontrollzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen beschäftigte sich ein Spezialistenteam mit der „Transition“. Das Kritische an einer Umstellung der Software an Bord besteht darin, dass insbesondere die lebenserhaltenden Systeme der Raumstation nicht beeinträchtigt werden dürfen. Das gilt auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass die neue Softwareversion einen unentdeckten Fehler enthält – in einer solchen Situation muss gewährleistet sein, dass Columbus sofort wieder auf die alte Version umgeschaltet werden kann.
„Wir müssen daher in der kritischen Phase quasi nur eine Hälfte des Systems auf die neue Version bringen, während die andere Hälfte auf der alten Version konfiguriert bleibt. Dann fahren wir Columbus runter und versuchen einen Neustart mit der neuen Version.“, erklärt Gustav Öffenberger, einer der zuständigen Flugdirektoren. „Falls wir uns in der über mehrere Tage angelegten Testphase dann von der Stabilität der neuen Software überzeugt haben, ziehen wir auch den anderen Teil nach.“
Für die Teams in Oberpfaffenhofen bedeutet das einen physikalischen Umzug in einen anderen Kontrollraum – denn auch die Bodensoftware ist betroffen, und während der Hauptkontrollraum als „Rückfallsmöglichkeit“ weiter auf der alten Version läuft, ist der Backup-Kontrollraum für die neue Version eingerichtet und wird operationell geschaltet, sobald Columbus im Orbit umgeschaltet wurde. „Daher ist die Cycle-13-Transition nicht nur für die Flight Controller, sondern auch für uns Ground Controller eine aufregende Angelegenheit“, so Thomas Müller, verantwortlich für das Bodensegment am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum. „Unsere Teams werden zusammen mit den Astronauten diese Ostern mit dem ausführlichen Testen des Gesamtsystems verbringen.“
Auch die Besatzung der Raumstation unterstützte tatkräftig die mehrtägigen Anstrengungen in Oberpfaffenhofen. Die Astronauten mussten nicht nur beim Softwareüberspielen assistieren, sondern waren auch über Stunden mit der Umkonfigurierung von Kabeln und Steckern beschäftigt. Die Besatzung der ISS besteht momentan neben dem Niederländer Kuipers aus drei Russen und zwei Amerikanern. Mit dem Andocken des europäischen Versorgungsraumschiffs ATV letzte Woche ist der Softwareupdate die zweite europäische Aktivität höchster Priorität auf der ISS innerhalb kürzester Zeit.